Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 815
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Rock zu den Angriffen auf das Engagement:
In den Parlamenten von Bund und Ländern werden vermehrt parlamentarische Anfragen zur politischen Neutralität von etablierten Organisationen und Initiativen gestellt, die erkennbar nicht auf eine sachliche und differenzierte Bewertung bürgerschaftlichen Engagements zielen, sondern auf Einschüchterung und die Förderung von Angst und Unsicherheit gerichtet sind. Damit werden gerade aktive Bürger*innen mit freiwilligem Engagement in der gegenseitigen sozialen Unterstützung, in Kultur, Umweltschutz, Sport und der Selbsthilfe mit einem Misstrauen konfrontiert, für das sie in ihrer Arbeit keinerlei Anlass bieten.
Das demokratische Engagement der Zivilgesellschaft ist ein unerlässlicher, bereichernder Beitrag zu einer einen offenen und vielfältige Gesellschaft. In der aktuellen Diskussion ist es wichtiger denn je, dass sich eine breite Zivilgesellschaft für die Rechte marginalisierter Gruppen einsetzt. Hierzu gehören z.B. auch Geflüchtete, Migrant*innen, Menschen mit Beeinträchtigungen, queere Menschen und viele andere unverzichtbare Gruppen und Initiativen. Ihre Arbeit und deren Legitimität dürfen in keiner Weise diskreditiert oder in Frage gestellt werden.
Die Kleine Anfrage zur „Politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ im Bundestag und ähnliche Initiativen aus den vergangenen Wochen stellen dieses verdienstvolle Engagement von ausgewählten zivilgesellschaftlichen Organisationen pauschal unter Verdacht. Sie fördern damit das Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichen und gemeinnützigen Organisationen insgesamt. Der Paritätische kritisiert die mit der Anfrage unternommenen Versuche der parteipolitischen Einflussnahme auf zivilgesellschaftliches Engagement und erklärt seine Solidarität mit den angesprochenen Organisationen.
Auch rechtsextreme Gruppen greifen vielerorts gezielt gemeinnützige Organisationen an. Der Paritätische hat im vergangenen Jahr eine kurze und informative Handreichung zu den Möglichkeiten und Grenzen der politischen Äußerungen gemeinnütziger Organisationen und speziell des Paritätischen vorgelegt. Die Handreichung gibt es hier und darf gerne weiter genutzt werden.
Zum Teil wird derzeit die Frage gestellt, ob die Mitwirkung an der politischen Willensbildung grundsätzlich als gemeinnützig anerkannt und die Abgabenordnung entsprechend erweitert werden soll. Der Paritätische hat sich dazu 2019 klar positioniert: Allgemeine politische Betätigung ist bislang kein eigener gemeinnütziger Zweck. Sie ist gemeinnützigen Organisationen erlaubt, wenn sie ihren anerkannten Zwecken dient. Eine Erweiterung des Kreises der gemeinnützigen Zwecke lehnt der Paritätische ab, da dort die Fremdnützigkeit des Handelns im Vordergrund steht und Grundlage für eine erweiterte Spendenabzugsfähigkeit zugunsten der gemeinnützigen Organisationen ist. Der Paritätische fordert stattdessen, dass Organisationen, deren Engagement auf die Förderung von politischer Willensbildung ausgerichtet ist, über eine Erweiterung des Katalogs der körperschaftssteuerbefreiten Organisationen gefördert wird, soweit die Organisationen die verfassungsmäßige Ordnung anerkennen. Die Haltung des Paritätischen ist auch darin begründet, weil ansonsten auch die wachsende Zahl von autoritär-nationalistischen Organisationen über eine Öffnung der gemeinnützigen Zwecke für politische Betätigungen Zugang zum Gemeinnützigkeitsstatus bekommen könnten.
Die offene Gesellschaft lebt mit und vom Engagement ihrer Freund*innen. Der Paritätische wird unverändert stark motiviert alles dafür zu tun, sie zu stärken.
Dr. Joachim Rock
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©Der Paritätische