Bildschirmfoto 2025 12 14 um 01.50.43Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 1034

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Der Paritätische zeigt sich enttäuscht von den am 11. Dezember 2025 vorgelegten Ergebnissen aus der Bund-Länder-AG für einen „Zukunftspakt Pflege“. Aus den Eckpunkten soll eine nächste große Pflegereform entstehen. Um die pflegerische Versorgung in diesem Land nachhaltig und demographiefest aufzustellen, braucht es mehr als ein halbes Jahr Arbeitsgruppensitzungen des Bundes mit den Ländern. Dennoch hätte man in dieser Zeit mehr auf die Beine stellen können.

 

Dringend wäre es gewesen, ein auf allen Ebenen abgestimmtes Konzept für eine sofort umsetzbare nachhaltige Finanzierung vorzulegen, welches die Eigenanteilsproblematik in der ambulanten und stationären Pflege löst. Ein konkreter Reformvorschlag des Paritätischen ist die solidarische Pflegevollversicherung, unter Einbeziehung der Privatversicherten in die Sozialversicherung, der Einbezug weiterer Einkommensarten und die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze.

Wie es geht, haben wir vorgelegt: Unser Gutachten zu den Beitragssatzeffekten einer solchen „Pflege-Bürgervollversicherung“ zeigt, wie sich die Beitragssatzentwicklung und die Finanzen der Pflegeversicherung bei steigenden Ausgaben stabil halten lassen. Wie unsere Berechnungen zeigen, sind die durch die Bürgerversicherung generierten Mehreinnahmen auch langfristig ausreichend, um die Vollversicherung (vollständige Übernahme der pflegebedingten Kosten in der stationären Pflege und eine bedarfsgerechte Leistungserhöhung im ambulanten Bereich) zu finanzieren. Für die Pflegeversicherung führen die Bürgerversicherungselemente zu einer Beendigung der strukturellen Einnahmeschwäche und stabilisieren die Finanzierung dieses Systems daher auch nachhaltig. Hier wurde die Chance vertan, diesen seriösen Vorschlag, der von einem breiten Bündnis aus Verbänden und Gewerkschaften gefordert wird, in die Beratungen einzubeziehen.   

Die vorgelegten Eckpunkte und Optionen sind keine gesetzliche Grundlage. Sie sind überwiegend nicht konkret genug und sie bilden auch kein Gesamtkonzept mit klaren zeitlich gestaffelten Prioritäten, die wir aber in der Pflege brauchen, um nicht weiter im Kleinklein und im Stückwerk zu bleiben.

In zentralen Versorgungsfragen sind eine Vielzahl an richtigen Aspekten, wie mehr Prävention, mehr fachliche Begleitung und Unterstützung Pflegebedürftiger und An- und Zugehöriger, mehr (abgestimmte) Pflegebedarfsplanung der Kommunen und zur Sicherstellung der Infrastruktur, etwas Bürokratieabbau sowie schnellere Verfahren bei Bearbeitungszeiten der Hilfe zur Pflege und Vertragsverhandlungen enthalten. Aber dies sind alles Selbstverständlichkeiten, die seit Jahren gefordert werden, für die es keinerlei Erkenntnismangel gibt und die schon oft niedergeschrieben wurden. Vieles davon soll aber lt. Eckpunkten lediglich weiter „geprüft“ werden – bis Ende 2026, Ende 2027 oder bis ins Jahr 2028 hinein. Dies ist jetzt schon zu wenig und unklar ist auch, wie sich dies mit der in den Ergebnissen festgehaltenen Roadmap verhält, die zum Ziel hat, bis Ende 2026 eine Pflegereform auf den Weg zu bringen.  

Die Ergebnisse sprechen von Mut zur Innovation, Digitalisierung und KI-Nutzung, aber abermals stellt sich die Frage, ob erkannt wurde, dass neben der Technik auch hochqualifiziertes Personal zur Umsetzung benötigt wird, das refinanziert werden muss.   

Die Finanzierungsfragen unterwerfen sich einer allgemein anzunehmenden Kostenbremse für alles, was nicht demographiebedingt ist. Aussichtsreich ist, dass endlich Bürgerversicherungselemente wie ein Finanzausgleich zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung sowie die Verbreiterung der Einnahmebasis diskutiert werden. Aber darüber hinaus ist die Senkung der Eigenanteile Pflegebedürftiger weiterhin vollkommen offen! Ein in Frage stehender Deckel von 1000 oder 1200 € in Pflegeheimen wird viele, die heute mit dieser Höhe für Pflegekosten bereits belastet sind, frustrieren und keinerlei Abhilfe schaffen.  Dieser Wert ist heute schon zu hoch und aus unserer Sicht nicht mit den sozialpolitischen Zielen der Pflegeversicherung in Einklang zu bringen.

Richtig ist, dass man an anderer Stelle Kostensenkungen bei der Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen, bei den Ausbildungskosten oder Investitionskosten (im Sinne eines Wohngeldes im Pflegeheim) angehen will, aber wir können nicht akzeptieren, dass diese Themen überwiegend am ambulanten und häuslichen Bereich vorbeigehen.

Wer zu Hause lebt und pflegebedürftig ist, wird bei den pflegebedingten Kosten wieder mit dem Mantra vertröstet, dass die Leistungen regelhaft dynamisiert werden sollen. Das Mantra hält sich seit vielen Jahren und wurde bisher nur unzureichend umgesetzt. Der ambulante Bereich ist abgehängt und soll weiter abgehängt bleiben – ein Ausgleich der entstandenen Lücke ist in den Entwürfen nicht zu finden.

So kann entgegen den Ankündigungen nicht erkannt werden, dass die häusliche oder ambulante Pflege in den Mittelpunkt gestellt wird. Aus unserer Sicht stehen derzeit eher die Unwägbarkeiten im Mittelpunkt. Die Ergebnisse und Eckpunkte stellen mehr Flexibilität und Vereinfachung durch Bündelung ambulanter Sachleistungen zu einem einzigen Budget in Aussicht, bei dem sich aber mehr Fragen stellen, als Antworten finden lassen. Grundsätzlich kann ein Budget viele positive Optionen eröffnen. Aber Aufgabe der B-L-AG-Empfehlung muss es aus unserer Sicht sein, eine faktische „rechte Tasche, linke Tasche“-Maßnahme zu vermeiden. Schließlich stellt sich die Frage, wie unter der Prämisse der Ausgabenneutralität für alle zu Hause versorgten Pflegebedürftigen ein besseres Budget zur Verfügung gestellt werden soll, wenn die heute oft nicht in Anspruch genommenen Leistungen in Milliardenhöhe bei der Kalkulation gekappt werden? Bedeutet dies, dass ein Pflegebedürftiger, der heute im häuslichen und ambulanten Bereich alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, nach der Reform weniger Leistungen aus der Pflegeversicherung erhält?  

Weitere Meldungen zum Thema: 

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/zukunft-der-pflege-presse-statement-von-joachim-rock/

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/zukunftspakt-pflege-11-12-2025.html

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/gruende-gegen-eine-verpflichtende-private-zusatzversicherung-in-der-pflege/

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/mehrheit-will-solidarischen-weg-aus-der-pflege-krise/

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/bund-laender-arbeitsgruppe-zukunftspakt-pflege-veroeffentlicht-zwischenbericht-systemwechsel-nicht-in-sicht/

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/pflegereform-ohne-systemwechsel-bleibt-stueckwerk/

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/forderungen-zum-start-der-bund-laender-ag-zur-erarbeitung-einer-grossen-pflegereform/


Dokumente zum Download

20251211_Ergebnisse_und_Roadmap.pdf (170 KB)

20251211_Papier_der_Fachebenen.pdf (534 KB)

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