Über einen Modellflug-Wettbewerb

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Keiner sollte es merken -  ich hatte Angst. Fast ein ganzes Jahr war ich nicht geflogen, weil mich meine Schreibarbeit, schlechtes Wetter und mein Angst daran gehindert hatten. Und jetzt wollte ich  gleich an einem Vereinswettbewerb teilnehmen. Es war kein Übermut. Ich musste ein Trauma überwinden.

Im vergangenen Jahr war Einiges schief gelaufen.  Um auf „Nummer Sicher“ sicher zu gehen, hatte ich meinen alten „Mosquito“ flugfertig gemacht, einen der ersten Elektrosegler, mit dem ich immer Glück gehabt habe. Seine Papier-Bespannung  hat im Laufe von vierzig Jahren zwar etwas gelitten und gegen stärkeren Wind hat er es wegen seines geringen Gewichtes ziemlich schwer. Dafür spricht er gut auf das Seitenruder und das Höhenruder an und kann gegen  Modelle mit Querrudern ganz gut bestehen.

Ein kurzer Probeflug kurz vor Beginn des Wettbewerbs machte mir Mut. Ich spürte die Blicke der Vereinsmitglieder hinter meinem Rücken. Ich flog schließlich nicht nur mit einem Antik-Modell, sondern war selbst eins. Zum Glück konnte ich als Zweiter starten, hatte das Wagnis also rasch hinter mir. Problemlos erreichte mein Flieger die notwendige Höhe. Ich schaltete den Motor aus und musste nun zusehen, den Segler über die vorgegebene Zeit von drei Minuten und 20 Sekunden in der Luft zu halten und dann möglichst sauber im Zielkreis zu landen. Mein Puls beruhigte sich erst, als der Flieger heil wieder am Boden war.

Nach dem zweiten Durchgang war mir klar, dass ich nicht als Sieger vom Platz gehen würde. Aber das war mir egal. Ich schwebte auf Wolke Sieben. Dass ich am Wettbewerb teilgenommen und meine Angst überwunden hatte, wog alles andere auf. Den dritten Durchgang sagte ich leichten Herzens ab. Der Wind hatte inzwischen so zugenommen, dass ich mit meinem „Mosquito“ in der verwirbelten Luft  keine Chance gehabt hätte. Als bei der Siegerehrung mein Name nicht als Erster aufgerufen wurde, machte mein Herz einen Freudensprung: Letzter konnte ich also nicht geworden sein. Am Ende belegte ich unter zehn Teilnehmern den fünften Platz.

Entspannt setzte ich mich in meinen Klappstuhl, aß eine Bratwurst vom Vereinsgrill und nahm die Glückwünsche der Modellflugfreunde entgegen. Am späten Nachmittag zogen hoch oben am Himmel  von Nordwesten her Federwolken auf, Vorboten einer Schlechtwetterfront. Sie erinnerten mich an einen Tag auf der Wasserkuppe in der Rhön, wo ich vor Jahren am Berg der Flieger einen unvergesslichen Tag erlebt habe. Er fand seinen Niederschlag in einem Hörfunk-Essay, der von Radio Bremen 1978 ausgestrahlt und anschließend auch von der Zeitung „Luftsport“, dem Verbandsorgan des Deutschen Aero-Clubs,  veröffentlicht wurde. Der Chefredakteur des Blattes, Hans Gräwe, schrieb in einem Vorspann: „Noch niemals ist bisher – so weit meine Erinnerung reicht – über den Modellsegelflug so geschrieben worden, wie das auf dieser Seite geschieht. Nach der Lektüre dieses Beitrages wird auch mancher Experte die Modellfliegerei mit neuen Augen sehen. Für meine Person möchte ich sagen: Dieser Aufsatz ist das Schönste, was ich bisher über den Modellsegelflug gelesen habe.“

Der Titel des Beitrages lautete: „Von der Freunde am lautlosen Fliegen – Gedanken beim Modellsegeln an der Wasserkuppe“. Mit Erlaubnis des Verfassers druckt „Weltexpresso“ ihn in mehreren Fortsetzungen ab.