Serie:Das laufende Buchprogramm deutschsprachiger Verlage, Teil 3

 

Felicitas Schubert

 

München (Weltexpresso) – Eine rasante Entwicklung hat der Heidelberger Kehrer Verlag genommen, der sich eine Spitzenstellung erarbeitete, was die Fotografie und eine Reihe von Ausstellungskatalogen angeht. Nun hat er auch noch die Auszeichnung HERAUSRAGENDER VERLAG DES JAHRES 2012 durch die PhotoEspana erhalten.

 

 

Korrespondierend zur Ausstellung in Madrid gibt die dortige Fundación Mapfre IMOGEN CUNNINGHAM heraus. Die amerikanische Fotografin (1882-1976) ist uns durch gekonnte Aktfotos, aber auch durch Pflanzenfotografien bekannt geworden, die so fleischlich wie organisch sind. Überhaupt sind das Fließende und Licht und Schatten ein Ausdruck ihrer Kunst. Dazu verwendet sie Doppelbelichtung und verfolgte die Abstraktion als Verfremdung der üppigen Natur.

 

Die Reiss-Engelhorn-Museen haben als jährlichen Schwerpunkt große Fotoausstellungen, benannt als Forum Internationale Photographie. Der diesjährige Deutsch/Englische Katalog gibt die Ausstellung DIE GEBURTSSTUNDE DER FOTOGRAFIE. MEILENSTEINE DER GERNSHEIM-COLLECTION wieder. Damit wird einem Pionier endlich eine Denkmal errichtet von dem viele gar nichts wissen. Helmut Gernsheim (1913-1995) besaß die größte Fotosammlung der Welt, die dann geteilt wurde. Die Mannheimer Ausstellung – und der Katalog folgt dieser – bringt zum ersten Mal nach einem halben Jahrhundert beide Teile zusammen, auch deshalb, weil Mannheim den zeitgenössischen Teil der Sammlung selbst besitzt und nur noch den historischen Teil, den die Universität von Texas in Austin verwahrt, dazu brauchte. Die Sammlungsgeschichte, die der Katalog beschreibt, ist auch eine Geschichte der Fotografie selbst.

 

Geheimnisvoll kommt DER GARTEN von Alessandro Imbriaco daher. Der italienische Fotograf porträtiert eine Familie, aber eigentlich deren Lebensumstände mitten in Rom, das aber als waldiges Sumpfgebiet zum Sammelplatz für Aussteiger und asylsuchende Immigranten geworden ist. Es ist Angelas Familie, die in diesen düsteren Aufnahmen in ihrer Hütte unter den Schnellstraßen lebt. Gleichzeitig ist dies Gebiet ein zufällig zustandegekommenes Reservat für Vögel und spezielle Tiere, die sich hier wohlfühlen. All das verzeichnen die Bilder des Fotografen in diesem Band.

 

Bis zur Seite 40 der Büchervorschau des Verlages kommt ein Fotoband nach dem anderen, der die Riege der bekannten Fotografen so ausweist wie auch ganz neue Künstler zu entdecken sind. Kurz noch ein Blick auf BELLA ITALIA. Fotografien/Gemälde 1815-1900, einer Ausstellung im von der Heydt-Museum Wuppertal, wo erneut der Kehrer Verlag den zugehörigen Katalog herausbrachte. Dabei werden Gemälden Fotografien gegenübergestellt und umgekehrt, die alle unser Italienbild als kanonisch ausweisen, aber auch die Wechselwirkung beider Medien aufeinander offenlegt.

 

Das große Ereignis im Bereich Kunst ist die Publikation zur Ausstellung CAMILLE COROT – NATUR UND TRAUM in Karlsruhe und der Verlag fährt den französisch Schwerpunkt fort mit SEHNSUCHT NACH FARBE – MOREAU; MATISSE UND CO. im Museum in Neuss. Der Corot-Katalog ist deshalb so wichtig, weil es im deutschen Sprachraum sehr wenig über diesen Freilichtmaler gibt, der vor allem ein Maler für Maler war und sehr sorglos mit seiner Signatur umging. Er ist der letzte der Alten und schon der erste der neuen Impressionisten, letzten Endes aber von niemandem zu vereinnahmen, weil er eine ganz eigene Bildsprache fand, die der phantastische Katalog wiedergibt.

 

Die Ausstellung in Neuss dagegen ist dem Vater des Symbolismus gewidmet und wurde zum 100jährigen Jubiläum des Clemens-Sels-Museums Neuss durchgeführt. Daß Matisse wie Roualt oder Marquet Schüler von Moreau waren, wußten wir zuvor auch nicht. Die Ausstellung und der Katalog bringen das in Zusammenhang.

 

Zu wenige wissen, welche kulturhistorisch spannenden Ausstellungen das Münchner Stadtmuseum bringt. Hier bildet der Katalog von Kehrer die TYPOGRAPHIE DES TERRORS ab, in dem „Plakate in München von 1933 bis 1945“ gezeigt werden. Das ist auch richtig, daß München hier einmal offenlegt, was es mit der „Hauptstadt der Bewegung“ auf sich hatte. Denn anders als die aufmüpfigen Berliner waren die obrigkeitshörigen Münchner so untertanenwillig wie die Wiener. Hier geht es also darum, welche politische Funktion Plakate übernahmen, die ja oft nichts anderes waren als Ankündigungen von Veranstaltungen und Ereignissen.

 

Im Kunstpalais Erlangen TÖTEN alles in eins schnüren, was heutzutage Ausdrucksformen des Tötens in der zeitgenössischen Kunst sind. Zwölf internationale Künstler verarbeiten in ihren Werken sowohl Täter- wie Opferperspektiven. Es geht um Wirklichkeit und Wahn, um den physischen Akt und die Gewaltphantasie, die in den Bildern im Katalog ihren erschreckenden Ausdruck finden.

 

Schließen wir mit DIE SAMMLUNG des Museums Tinguely Basel, das in drei Ausgaben – Deutsch, Englisch, Französisch – herauskommt. So umfangreich wie das Werk des Künstlers und so different, ist auch der Katalog, der alle Stücke der meist von Niki de Saint Phalle, Tinguelys Witwe, gestifteten Werke in Bild und Beschreibung vorstellt.