a yael adlerAuf der Buchmesse am Stand von Droemer: DARÜBER SPRICHT MAN NICHT, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wissen Sie, was Energieübertragung ist? Wenn nicht, hätten Sie es am Samstagnachmittag auf der Buchmesse erleben können, als Yael Adler über ihr neues Buch hätte sprechen sollen, aber lieber gleich das Thema „Körpertabus“ mit den Anwesenden klärte, die übrigens kaum Platz fanden, dicht gedrängt bis in die Gänge standen, so daß wir bei uns dachten, aha, auch das ist ein Tabu, daß ich den Schweiß eines anderen rieche, aber mich nicht traue, etwas zu sagen, denn gleichzeitig versteht man ja auch, weshalb in diesen dichtgedrängten Hallen Gerüche entstehen und in die Nase steigen.

Also die Energieübertragung. Auf mich wirkte sie sofort. Wenn da eine junge Frau mit geballtem Wissen und auch dem Wunsch, ihr Thema als Hautärztin sinnvoll unter die Leute zu bringen, loslegt und eine gute halbe Stunde alle Anwesenden – es ist überhaupt niemand abgewandert – in Bann schlägt, dann kann man nur hoffen, daß auch die Zuhörer durch ihre Aufnahmebereitschaft Yael Adler etwas zurückgaben, eben an Energie. Es muß was dran sein an meiner Selbstbeobachtung, denn als ich Yael Adler über eine Stunde später noch mal im Gang, übrigens mit dem Frankfurter Bürgermeister und Sportdezernenten Becker, traf, war sie noch/wieder dasselbe Energiebündel.

Aber das ist ja nur das eine, man muß auch inhaltlich etwas zu sagen haben, und das ging, hervorgelockt durch den Moderator, ach was, dessen hätte es gar nicht bedurft, denn Yael Adler wußte genau, was sie sagen wollte, aber er paßte sich dem geschickt hat und gab manchmal sogar einen Widerpart, was für ein lebendiges Gespräch sorgte. Er führte sie erst einmal als Hautärztin ein, wobei nicht alle Leute wissen, daß das Geschlechtskrankheiten miteinschließt. Aber man muß gar nicht sofort von Krankheiten sprechen, es geht auch in den Geschlechtsregionen um Haut. Und als sie gleich über die Vorhaut sprach und was sich unter der alles ansammelt und ihren Moderator ihrerseits ins Gespräch zog, konterte er, er sei beschnitten, wie 80 Prozent der männlichen Bevölkerung. Während wir noch stutzten, weil wir uns das nicht vorstellen konnten, gab sie das richtige Maß mit einem Drittel an. Haut also, das größte Körperorgan des Menschen – das wissen wir noch aus dem letzten Buch - Haut, die gereizt ist, gerötet und was da alles über dieses kleine rosa Loch – culus im Lateinischen, anus, aber auch podex für die gesamte Region – zur Sprache kam, das für sexuelle Stimulation aber echt mißbraucht wird und dann der Hautarzt oder der Notarzt zu Hilfe kommen muß und alles mögliche entfernen muß, da kam man schon ins Schlucken. Aber, so die Medizinerin, einem Arzt ist nichts Menschliches fremd, sonst kann man diese Arbeit nicht verrichten.

Das träfe für uns zu. Wir können nur darüber schreiben. Dabei schwärmte Yael – der israelische Vorname sei dort so häufig wie in Ostberlin Mandy – Adler erst einmal von ihrer sinnlichen Arbeit, vom Gucken, Fühlen, Riechen, Betasten und von dem Wühlen in Ritzen und Winkeln des Körpers. Also echt, eine Literatin ist diese Ärztin auch noch. Und darum steht sie ja auch da und spricht über Inhalte ihres neuen Buches DARÜBER SPRICHT MAN NICHT, was dem Erfolg vom letzten Jahr HAUT NAH folgt, das übrigens nicht nur hierzulande ein großer Erfolg wurde, sondern schon gleich nach der letzten Buchmesse in 20 Ländern übersetzt wurde. Wo sie studiert hat? In Frankfurt! Aber Dermatologie setzte sie erst in Berlin drauf, wo sie seitdem lebt und arbeitet. Und warum sie überhaupt Hautärztin geworden ist? Mindestens drei Gründe fielen ihr spontan ein: sie zeichnet gerne und hat in den Unterlagen ihres Großvaters, der Dermatologe war!, viele kleine detaillierte Zeichnungen gefunden, die zu Zeiten, als die Fotografie die Haut noch nicht so perfekt wie heute – noch dazu digital – wiedergeben konnte, die einzigen Hilfsmittel waren, um Pickel von Pusteln, diese von Furunkeln etc. unterscheiden zu können. Der tiefere Grund aber sei, daß sie ein ausgesprochener Hypochonder sei, also so jemand, der sofort alle möglichen Krankheiten zu erleiden glaubt, weshalb es sinnvoll ist, dann schon gleich selber Bescheid zu wissen. Ob das Publikum nicht wüßte, daß Toxikologen die ganze Welt für vergiftet hielten, na und daß Psychologen und Psychiater eine Macke hätten, davon geht sowieso jeder aus. Von den brutalen Chirurgen ganz zu schweigen. Mucksmäuschenstill war es, obwohl doch die Buchmesse im Hintergrund dröhnt, anschwillt und abschwillt wie ein Vergnügungsdampfer auf hoher See.

Yael Adler ist eine routinierte Vermittlerin. Denn sie hatte eine Kiste mit Gegenständen mitgebracht, wo einzelne aus dem Publikum Dinge herausnehmen durften, über die dann gesprochen wurde. Das Haptische, aber auch das Visuelle, einen solchen Gegenstand vor Augen zu haben, erneuert das Interesse der Zuhörer sofort. Es geht um Blähungen, von denen nicht wenige glauben, daß dies auf eine ernsthafte Darmerkrankung schließen ließe, oder daß sie Lebensmittelunverträglichkeiten hätten, dabei sind dies natürliche Prozesse, weil wir zu nährstoffreich essen und zu wenig Ballaststoffe mit auf den Weg nehmen, die den Verdauungsprozeß friedlicher gestalten. Der Reizdarm, zu dem es nicht wenige schon geschafft haben, ist aus diesen Gründen eine der Zivilisationskrankheiten. Denn bei aller Digitalisierung und den Flausen im Kopf, sind wir körperlich noch Steinzeitmenschen: Gräser, Körner...und eben nicht fast food, Salz, Kuhmilch, Zucker, was den Bauch aufbläht.

Das mit den Vaginalbakterien und der Milchsäure und dem pH-Wert 4 ist einer eigenen Darstellung wert. Aber man kann einfach nicht alles berichten, das merkt man erst im Nachhinein, mit welchem Schwung wir eine Menge Wissen vermittelt bekamen. Oft in konzentrischen Kreisen. z.B. der Po, der ja schon mal daran war, aber jetzt vertieft mit seinem Wesen als Diva oder auch Sensibelchen erneut drankam. Echt witzig, das „Klo als Arbeitsplatz“, was man sich dort alles einfangen, aber auch von sich geben kann. Wo sich Seifenrückstände alles verkriechen können, wäre ein neues Thema, wo aber eine gewissen Rosette weiterhin Thema bleibt, wie auch Vaginalspülungen, die erstens besser sowieso unterbleiben, nicht einmal Seife soll in diese Gegend kommen. Die Organe reinigen sich selbst und sonst tut es Wasser.

Wie, was - die halbe Stunde ist schon längst rum. Das merkte keiner und da Yael Adlers neues Buch 364 Seiten lang ist, weiß man, daß es sinnvoll ist, sich dieses zu kaufen, denn dort steht nicht nur sehr viel mehr drinnen, sondern man kann in Ruhe alles nachlesen. Was wir getan haben.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
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Info:
Yael Adler erklärt fast alles, was uns peinlich ist, Darüber spricht man nicht. Weg mit den Körpertabus, Droemer Verlag 2018