c daruber spricht manAuf der Buchmesse die Buchbesprechung: DARÜBER SPRICHT MAN NICHT, Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Geheimratsecken, Schuppen, Mundgeruch, Ohrenschmalz, Pickel, Schweiß, Reibeisenhaut, Ausfluß, Darmwinde, Stielwarze, Fußpilz, Fußkäse, so geht es schon mal los, wenn auf der Umschlaginnenseite ein Mann auf einer Matte postiert, wie es sonst die Alten Meister den Frauen zugestanden. Dort allerdings mit erotischer Konnotation und natürlich ohne Beschriftung.

Denn dieser nackte Mann, von dem wir hoffen, daß ihn die Verfasserin selbst gezeichnet hat, dann nämlich offenbarte sie einen sehr menschlichen Zug, daß wie bei kleinen Kindern zwar kein richtiger Kopffüßler vor uns liegt, aber doch ein junger Mann, der nach unten immer kleiner wird. (Aber nein, auf der Folgeseite steht: Illustrationen von Katja Spitzer). Aber diese Begriffe, die von oben, die sind ihm beigegeben und machen uns zu schaffen, nämlich die Geheimratsecken. Aber klar, genauso wie es Epilieren gibt und das Haarentfernen auf der Haut, macht der umgekehrte Prozeß: das massive Ausfallen von Haaren vor allem den Männern große Pein. Auch das gehört in das Gebiet einer Hautärztin und wann immer wir diese pfiffige und souveräne Hautärztin aus Berlin wieder erleben, wollen wir endlich wissen, warum nur die Männer zur Glatze neigen, wozu sich Geheimratsecken ja auswachsen können.

Ob im Buch dazu mehr steht? Rasch das Inhaltsverzeichnis mal durchstöbern. Auf Seite 225 beginnt: HAARIGE ANGELEGENHEITEN. Das müßte doch passen. Und richtig, da wird auf die Geschlechtsunterschiede, was Haare am Körper angeht, eingegangen. Rund 70 Prozent der Männer, aber immerhin auch 40 Prozent der Frauen haben mit Haarausfall zu tun. Gottseidank manchmal nur vorübergehend. Ach ja, der Haaraufbau, den kenne ich noch aus dem ersten Buch. Eine Auffrischung tut gut. Wie schützend der Talg ist, weshalb man nicht dauernd die Haare waschen soll, was aber mit mildem Shampoo nichts ausmacht, was aber jemand wie ich mit total trockenem Haar eh nicht macht. Aber dann riecht man wenigstens nicht am Kopf, wie so viele in der U-Bahn, deren fettige Haare einfach stinken, selbst dann, wenn sie das Kopfhaar dauernd waschen. Das regt nämlich die Talgproduktion dann auch noch an. Daß Haare die Überreste des Fells beim Menschen sind, hatte ich schon mal gehört, aber längst vergessen und beim Durchlesen empfinde ich wieder, daß ein solches Buch eigentlich nicht nur unter Gesundheit, Körperpflege, Medizin einzusortieren ist, sondern eben auch unter Kulturgeschichte.

Das, was Yael Adler hinreißend rüberbringt, ist unser geschichtliches Gewordensein, einschließlich all der Fehlinformationen, die seit Jahrhunderten die Menschheit mit sich weiterschleppt – was auf der anderen Seite volle Arztpraxen garantiert. Denn oft führt die falsche Behandlung, die wir uns selbst angedeihen lassen, erst zu Wehwehchen, deretwegen wir zum Doktor müssen – oder zur Frau Doktor. Beim Lesen behagen mir die Informationen, die ich sicher wieder vergessen werde, aber weiß, wo ich sie finde: Jeder Mensch hat zwischen 75 000 und 150 000 Haare auf dem Kopf und 5 Millionen auf dem ganzen Körper. Ja, lesen Sie sich diese Zahlen noch einmal durch. Wenigstens auf einem Gebiet sind Sie auch ein Millionär! Haarlos sind – wie auch bei Tieren - überhaupt nur Handflächen, Fußsohlen, Lippen und Brustwarzen. Ha, da kenne ich doch Frauen....aber stimmt, diese Haare, die diejenigen nicht wollen, sind dann auf der Brust, ganz dicht an den Brustwarzen, aber nicht auf ihnen. Aber noch mal zum Fellwechsel. Bei unseren Katzen kennen wir das als selbstverständlich, wenn die dichte Winterbehaarung im Sommer ausdünnt und überall herumliegt. Aber da auch der Mensch....wirklich sehr interessant, was man alles zum Haarausfall von Mann und Frau und entsprechenden Therapien lesen kann, aber was ist mit den Schuppen?

Das kommt dann ausführlich ab Seite 259. Aber zuvor interessieren uns auf einmal brennend die Nasenhaare. Da fällt uns nämlich unser Besuch in einem Fünfsternehotel in Chile ein, wo ein luxuriöses SPA, das mit lauter Männern bevölkert war – klar, das sind alles betuchte Geschäftsreisende und das sind nunmal in Chile immer noch die Männer – einfach herausforderte, nachzufragen, was die Männer da alles machen. Denn hierzulande werden Sie dort immer sehr viel mehr Frauen sehen. Also fragten wir nach, welche Anliegen denn die Männer haben. Die allermeisten, meist nicht mehr ganz jungen Männer, wollten die Haare in der Nase beschnitten haben, genauso wie die Haare, die aus den Ohren sprießen. Aber eben auch die gesamte Körperepilation. Und damals hatte ich in langen Gesprächen mit den Damen des SPA, es waren nur Frauen, über die Körperhaarentfernung gesprochen und erfahren, daß eigentlich nur lateinamerikanische, spanische, italienische Männer dies machen, während Engländer, Holländer, Dänen und Deutsche dies nicht mögen.

Das brachte mich damals darauf, wie lange das kulturelle Erbe unserer Ahnen in uns nachwirkt, denn tatsächlich konnte man die Grenze ziehen zwischen dem germanischen Typ, der seine Haare behält und dem romanischen Typ, der sie entfernen läßt.

Sicher, dann kam das auch hierzulande in Mode, aber ich vermute, daß der Trend zum haarlosen Mann wieder vorbei ist. Er verträgt sich ja auch nicht mit Vollbart und auch nicht mit dem Drei-Tage-Bart, der sehr beliebt ist.

Meine Güte, wir haben nur über ein paar Themen und ein paar Seiten referiert. Deshalb zum Abschluß zumindest die Übersicht, was Sie an Systematik erwartet:

Vier Teile

Tausendundein Duft: KörperGERÜCHE
Wenn Sex und Liebe uns wirklich jucken: gemischte GEFÜHLE untenherum
Menschliche Makel: Wo wir lieber nicht so genau HINGUCKEN
Melodien für Millionen oder warum wir auf unseren Körper HÖREN sollten

Sie werden überall etwas Interessantes finden. Natürlich liest man so ein Buch, selbst wenn es professionell zum Rezensieren geschieht, immer mit dem persönlichen Auge mit. Alles, was den Menschen angeht, ist eben beim Lesen nicht zu trennen von eigener Person und neutralem Sachwalter des Textes. Darum lese ich erst einmal alles das, was an Problemen der Körperhaut mich selber betrifft und dann von vorne das Buch als angeblich neutrale Leserin. Es lohnt so und anders auch.

Ehrlich gesagt, fragen wir uns sofort, was Yael Adler ihren zwei Büchern folgen läßt. Denn sie hat sich zu einer quasi öffentlichen Ärztin entwickelt, der man auch in den Talkshows gerne zuhört, wo sie manche Runden durch ihre direkte, lebhafte Art befeuert, eine weibliche von Hirschhausen schon heute. Und irgendwann wird dieser zu einer männlichen Adler. Darauf wetten wir.

Foto:
Cover © 

Info:
Yael Adler erklärt fast alles, was uns peinlich ist, Darüber spricht man nicht. Weg mit den Körpertabus, Droemer Verlag 2018