F Sabine Homilius 2 copyright Stadt Frankfurt Stefan MaurerTag der Bibliotheken II: Schüler und Medien zusammenbringen: Sabine Homilius und Hanke Sühl über das Konzept der preisgekrönten Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle

Anja Prechel

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -  „Viele beklagen heute auch eine Verkümmerung unserer Sprache. Wen aber darf das wundern, wenn das Schulbibliothekswesen in der Bundesrepublik noch in den Kinderschuhen steckt? Die Frankfurter Stadtbücherei hat hier Pionierarbeit geleistet“, schreibt Hilmar Hoffmann, der damalige Kulturdezernent, 1985 in seinem Vorwort für eine Publikation der Stadtbücherei. 33 Jahre später, am 24. Oktober, ist diese Pionierin von Deutschem Bibliotheksverband und Deutsche Telekom Stiftung als „Bibliothek des Jahres“ ausgezeichnet worden – für das Angebot ihrer Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle, kurz sba.

Was das Besondere an der sba ist, was sie bietet und warum sie so erfolgreich ist, erklären Sabine Homilius, Leiterin der Stadtbücherei Frankfurt, und Hanke Sühl, Leiterin der sba.


Was bedeutet es Ihnen, Bibliothek des Jahres zu sein?

Sabine Homilius: „Es erfüllt mich mit einer tiefen Zufriedenheit. Und es macht mich auch stolz. Nach so langer, so guter Arbeit diesen Preis zu bekommen, ist eine Genugtuung. Uns jetzt zum ersten Mal um den Preis zu bewerben, war eine ganz bewusste Entscheidung. Wir wollten erst gute Ergebnisse liefern.“



Mit welchem Projekt aus der sba sind Sie ins Rennen um den Bibliothekspreis gegangen?

Sabine Homilius: „Wir haben uns mit der Schulbibliotheksarbeit insgesamt beworben, und zwar mit externen Angeboten genauso, wie mit der Schilderung unserer internen Arbeit. In jeder Hinsicht sind wir nämlich innovativ. Aus den Projekten greife ich das Angebot #iPÄD heraus, das digitale mit klassischen Medien verknüpft und sich an Kinder und Jugendliche von 2 bis 16 Jahren richtet. Die jungen Nutzer gehen mit #iPÄD auf Schatzsuche durch die Bibliothek, reisen damit um die Welt, erweitern ihren Wortschatz oder treten in einen Erzählwettbewerb. Gedrucktes Buch und digitales Medium ergänzen sich, das iPad wird zum Werkzeug für kreative Ideen. Dieser Weg ins Digitale ist eine Gemeinschaftsentwicklung der Bibliothekspädagogen der Stadtbücherei. Sie und auch die Lehrkräfte in den Schulen zeigten riesiges Interesse daran, das Projekt in die Praxis umzusetzen. Sie haben die Anwendungen gemeinsam mit den Schülern erprobt und #iPÄD dann schließlich in die gesamte Stadtbücherei gebracht.“


Die sba wurde 1974 gegründet, die erste Bibliothek dieser Art in der Heinrich-Kleyer-Schule eingerichtet. Inzwischen gehören 111 Schulen zum Verbund. Allein in den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil an sba-Schulbibliotheken um 66 Prozent gewachsen. Es herrscht stetige Nachfrage, in den Verbund aufgenommen zu werden. Rund zwei bis drei Jahre beträgt die Wartezeit. Warum wurde die sba gegründet?

F Sabine Homilius 3 copyright Stadt Frankfurt Stefan MaurerSabine Homilius: „Hilmar Hoffmann war damals schon so weitblickend zu sagen, es müsse eine maßgebliche Berührung zwischen Bibliothek und Kind geben. So wurde die sba gemeinsam von Stadtschulamt und Stadtbücherei gegründet. Auch heute gilt: Je früher man direkt ans Kind adressiert, desto besser. Also müssen wir unsere Angebote direkt in den Schulen machen.“


Was für ein Ort ist eine sba-Schulbibliothek heute?

Sabine Homilius: „Sie ist ein Ort für Medienbildung. Doch nicht nur das: Sie ist ein Treffpunkt, an dem mehr als Schule stattfindet. Kinder und Jugendliche verbringen heute viel mehr Zeit in der Schule als früher. Entsprechend haben sich auch die Bibliotheken verändert: Sie liegen meist sehr zentral, haben großzügige Öffnungszeiten, sind unglaublich gut gestaltet. Schülerinnen und Schüler finden hier Bücher, Games, DVDs, PC-Arbeitsplätze und Fatboy-Sessel, auf denen sie chillen können. Eine Schulbibliothek ist ein Ort, an dem man sich gerne aufhält. Es kommt vor, dass sich in einer Pause 150 Kinder in einer Bibliothek tummeln – auch wenn es nicht regnet. Und auch die Lehrer schätzen es, die Räume als Lernort zu nutzen.“


Dafür, dass die Schulbibliotheken solche Orte sind oder werden, sorgen die 25 Mitarbeiter der sba und rund 450 Ehrenamtliche. Wie genau funktioniert die Arbeit?

Hanke Sühl: „Für die Möblierung der Schulbibliothek, sind Anträge zur Kostenübernahme beim Stadtschulamt zu stellen. Wir von der sba beschaffen die Medien. Wir schlagen den Schulen zweimal jährlich eine Auswahl an geeigneten Titeln vor, außerdem stellen wir ihnen zweimal pro Jahr ein Budget zur Verfügung, um diese Medien zu erwerben. Wir bestellen die Medien, erschließen sie nach den Standards der Stadtbücherei, verzeichnen sie im sba-Onlinekatalog und liefern sie dann ausleihfertig an die Schulen. So können die Teams vor Ort ihre begrenzte Zeit in die Medienvermittlung investieren. 13 Bibliotheken aus dem Verbund haben hauptamtliche Bibliothekare, in den anderen sichern 450 Ehrenamtliche die Öffnungszeiten und sind für die Schülerinnen und Schüler da. Für sie und das Lehrerkollegium bieten wir qualifizierende Fortbildungen an, die unter anderem das Basiswissen für die Arbeit in der Schulbibliothek vermitteln. Sobald eine Schule Beratung braucht – sei es bei der Bestandspflege, Re-Organisation oder wenn ein Veränderungsprozess ansteht – unterstützt eine Schulbibliothekarin von unserem Vor-Ort-Service temporär.“

Sabine Homilius: „Wir geben den Schulen ein Qualitätsversprechen: Worauf Schulbibliothekarische Arbeitsstelle steht, ist Stadtbücherei Frankfurt drin. Die Nutzer unserer Schulbibliotheken erhalten bei Ausstattung, Raum, medienpädagogischem Angebot, mit festen Ansprechpartnern die von uns gewohnte Qualität.“


Nicht jede Frankfurter Schule mit einer Bibliothek ist Mitglied im sba-Verbund. Es ist keine Pflicht, sondern ein Angebot. Wenn eine Schule Mitglied werden will – was sind die ersten Schritte?

Hanke Sühl: „Die Schule wendet sich an uns und gibt eine Willenserklärung ab. Manchmal gehen wir auch auf die Schulen zu. Der nächste Schritt ist ein Beratungstermin vor Ort, gemeinsam mit dem Schulkollegium erarbeiten wir Konzeption, Medienbestand, Aktivitäten, die Möblierung und Ausstattung. Dabei gehen wir gezielt auf die Wünsche der jeweiligen Schule ein. Jede Schule hat ein anderes Profil, das soll sich auch in der Bibliothek widerspiegeln.“


Gibt es auch Angebote für Schulen außerhalb des Verbunds?

Hanke Sühl: „Ja, wir beraten alle Frankfurter Schulen bei allen Fragen rund um Schulbibliotheken, bilden fort, bieten Aktionen zur Leseförderung und ausleihbare Medienangebote wie den Frankfurter Bücher-Rucksack oder Bilderbuchkino an.“


Können die Schüler das Angebot in ihrer Bibliothek beeinflussen?

Sabine Homilius: „Ja. Es gibt zum Beispiel das Modul ‚Liest du schon oder suchst du noch aus?‘. Dabei besuchen die Schüler eine Buchhandlung und erfahren dort unter anderem, nach welchen Kriterien ein Medium bewertet wird. Jeder Schüler bekommt zehn Euro Budget, um genau das Medium in den Warenkorb zu legen, das ihm in seiner Schulbibliothek fehlt. Kostet es mehr als zehn Euro, kann er sich mit einem anderen Kind einigen, dessen Medium vielleicht weniger als zehn Euro kostet.“


Der Preis „Bibliothek des Jahres“ ist mit 20.000 Euro dotiert. Wofür verwenden Sie das Preisgeld?

Sabine Homilius: „Wir schicken Roboter auf Bildungsmission. Dafür schaffen wir Lernroboter an, mit denen Schüler von der Grundschule bis zum Gymnasium Programmierung und Robotertechnik kennen- und erlernen können. Ich kam 2004 in die Stadtbücherei Frankfurt, seitdem beobachte ich die unglaubliche Dynamik des Medienangebots. In der Stadtbücherei fördern wir das Vorlesen mit dem klassischen Buch genauso wie das digitale Angebot und suchen dabei immer das Verbindende und nicht das Trennende.“

Fotos:
Sabine Homilius
© Stadt Frankfurt, Stefan Maurer