Bildschirmfoto 2018 11 08 um 08.40.52Zum Dritten: Verleihung des Österreichischen Buchpreises 2018 in Wien, Teil 2

Claudia Schulmerich

Wien (Weltexpresso) – Dorothee Hartinger und Philipp Hauß, die unprätentiös und inhaltsreich durch den Abend führten, hatten für alle fünf Romane, die es in die Endauswahl geschafft hatten – die große Überraschung, daß weder Robert Seethaler mit DAS FELD, noch Arno Geiger mit UNTER DER DRACHENWAND dabei waren, unter den thematischen Zusammenhang von Krankheit und Heimat gestellt.

Das muß man erst einmal verdauen. 'Heimat und Krankheit' gab dann auch den besonderen Bezug zum meistzitierten Dichter des Abends: Thomas Bernhard. Bei den letzten Fünf  handelt sich um folgende Werke:

Milena Michiko Flašar: Herr Katō spielt Familie (Verlag Klaus Wagenbach)
Gerhard Jäger: All die Nacht über uns (Picus Verlag)
Heinrich Steinfest: Die Büglerin (Piper Verlag)
Josef Winkler: Laß dich heimgeigen, Vater, oder Den Tod ins Herz mir schreibe (Suhrkamp)
Daniel Wisser: Königin der Berge (Jung und Jung)

Die Juryvorsitzende Konstanze Fliedl gab Antwort, was im besten Sinne österreichische Literatur sei. Sie nannte als Parameter das multinationale Konglomerat des Kaiserreichs, das zu hohem Sprachbewußtsein geführt habe, zu Sprachexperimenten, ja zum Bissigen, und Satiriker und Aufbegehrende habe wachsen lassen, literarische Qualitäten, die auch auf der diesjährigen Auswahlliste zu finden seien. Nein, Nationen gäbe es in der Literatur nicht, aber eine unglaubliche Vielfalt.


Österreichischer Buchpreis 2018 – Debüt

Vor dem Österreichischen Staatspreis wird der Debütpreis verhandelt. Dieser Preis in Höhe von 10 000 Euro wird von der Arbeiterkammer Wien gestiftet, weshalb deren Vertreterin Auskunft gab über ihre Leseerwartungen. Auch Minister Gernot Blümel, zuständig für Kultur, antwortete flott und verwies auf beide Lesearten, die herkömmliche und die digitale, wo jeder seine Präferenz finden müsse. Die Frage nach der für ihn, für den Präsidenten des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, Benedikt Föger, angesagten Literatur, fand eine so überraschende Antwort, daß man das Aufmerken und andachtsvolle Staunen im Publikum auf der Haut spüren konnte: „Um die Gegenwart zu begreifen, die vier Evangelisten, Winston Churchill, Thomas Bernhard!“

Dann wurden die drei im Auswahlverfahren übriggebliebenen Autoren vorgestellt, Auszüge aus den Romanen gelesen und die Siegerin geehrt. Diese wurde Marie Gamillscheg mit dem Roman: „ Alles was glänzt „ aus dem Luchterhand Verlag.


Die Begründung der Jury lautete:

„Marie Gamillschegs Roman Alles was glänzt ist die Fallstudie eines sterbenden Dorfes. Wer noch in dieser abgelegenen Bergbausiedlung lebt, wird eines Tages vielleicht vom in sich zusammenstürzenden Berg verschlungen. Ein tödlicher Autounfall zu Beginn wird zum Bild für das nahende Ende des Ortes. Dass ausgerechnet hier ein Regionalmanager einen Neustart versuchen soll, zeigt sarkastisch das Illusionäre eines Kommunalentwicklungsgedankens, der sich um die reale Misere nicht kümmert. Marie Gamillscheg wählt eine Handvoll Figuren, deren Schicksal sie abwechselnd erzählt. Die Figuren sind aber auch ihrerseits wache Beobachter, die schon aus der Art, wie Menschen sich bewegen oder sprechen, vieles herauslesen. Besonders begeistert hat sich die Jury an der Fähigkeit der Autorin, allein schon durch kleine sprachliche Schräglagen ihre Figuren zu charakterisieren.“

Für die Endauswahl waren außerdem nominiert worden:  Ljuba Arnautović: Im Verborgenen (Picus Verlag) und David Fuchs: Bevor wir verschwinden (Haymon Verlag). Insbesondere die vorgelesene Passage von Ljuba Arnautović, die hohe Sprachkompetenz atmete, machte neugierig auf deren Werk. Übrigens erhalten auch die Nichtgewinner jeweils 2 500 Euro.

FORSETZUNG FOLGT

Foto:
Marie Gamillscheg
(c) BKA Andreas Wenzel

Info:
Österreichischer Buchpreis 2018

Die Jury
Die Jury 2018 setzt sich aus Bernhard Fetz (Österreichisches Literaturarchiv), Konstanze Fliedl (Universität Wien), Jens Jessen (ZEIT), Evelyne Polt-Heinzl (Literaturhaus Wien) und Bettina Wagner (Buchhandlung Seeseiten) zusammen.