Jojo Moyes
Hamburg (Weltexpresso) - Man brauchte bloß die Hand bis zum Gelenk hineinzustecken, um in der Keksdose der Moby One auf mindestens drei verschiedene Sorten Plätzchen zu stoßen. Yoshi sagte, die Besatzungen der anderen Boote seien bei den Keksen geizig und kauften immer nur die billigste Sorte mit Pfeilwurz, die in Großpackungen im Supermarkt erhältlich ist. Sie hingegen war der Meinung, wenn jemand hundertfünfzig Dollar dafür bezahlt, mit einem Boot auf Delphinjagd zu gehen, dann könne er auch einen anständigen Keks als Snack an Bord erwarten.
Aus diesem Grund kaufte sie meistens Double Chocolate Anzacs, fingerförmige Shortbreads oder hauchdünne Pfefferminzplätzchen, in Folie gehüllt, und ab und an sogar selbstgebackene Kekse. Lance, der Skipper, meinte, sie kaufe nur deshalb anständige Kekse, weil das so ziemlich alles sei, was sie überhaupt zu sich nehme. Er sagte auch, wenn ihr Chef jemals dahinterkäme, wie viel Geld sie für Knabberkram ausgab, würde er einen Tobsuchtsanfall bekommen. Ich starrte die Plätzchendose an, als Yoshi den Passagieren Tee und Kaffee anbot, während die Moby One langsam in die Bucht hinausfuhr. Ich hoffte inständig, sie würden nicht alle Anzacs aufessen, bevor ich die Gelegenheit hatte, mir einen zu schnappen. Am Morgen hatte ich mich ohne Frühstück aus dem Haus gestohlen und erst erfahren, dass Yoshi mich mitfahren lassen würde, als wir ins Cockpit gegangen waren.
«Moby One an Suzanne. Sag mal, Greg, wie viele Bierchen hast du gestern eigentlich gezischt? Du hältst Kurs wie ein einbeiniger Besoffener.»
Lance saß am Funkgerät. Während er weiterredete, steckte ich die Hand in die Keksdose und angelte mir den letzten Anzac heraus. Der Bordfunk zwischen den beiden Booten knisterte, und eine Stimme brummelte etwas vor sich hin, das ich nicht verstehen konnte.
Lance versuchte es wieder: «Moby One an Sweet Suzanne. Reiß dich jetzt besser zusammen, Mann. Vier von deinen Fahrgästen hängen schon über der Reling.»
Yoshi trat zu ihm und reichte ihm einen Pott Kaffee. Ich duckte mich hinter ihr. Die Gischttropfen auf ihrer marineblauen Uniform glitzerten wie Pailletten.
«Hast du Greg gesehen?», brummte Lance.
Sie nickte. «Ich durfte ihn bewundern, bevor wir losgefahren sind.»
«Er ist so besoffen, dass er nicht geradeaus lenken kann.» Lance zeigte durch das wasserverspritzte Fenster auf das kleinere Boot vor uns. «Ich sag dir was, Yoshi, die Passagiere werden ihr Geld zurückverlangen. Der mit dem grünen Hut hat kein einziges Mal den Kopf gehoben, seit wir Break Nose Island passiert haben. Was zum Teufel ist denn in ihn gefahren?»
Yoshis Haar war das schönste, das ich jemals gesehen hatte. Es hing wie ein dicker, schwarzer Vorhang rund um ihr Gesicht und war trotz Wind und Meerwasser niemals zerzaust. Ich nahm eine meiner eigenen kümmerlichen Locken zwischen die Finger. Obwohl wir erst eine halbe Stunde auf See waren, fühlte sie sich bereits klebrig an. Meine Freundin Lara sagte, wenn sie erst vierzehn war, also in vier Jahren, würde ihre Mutter ihr Strähnchen erlauben. Genau in diesem Moment fiel Lance’ Blick auf mich. Irgendwann hatte es ja passieren müssen.
«Was machst du denn hier, Mäuschen? Deine Mami macht mir die Hölle heiß, wenn sie das erfährt. Hast du keine Schule?»
«Ferien.» Ich trat ein wenig verlegen hinter Yoshi. «Sie kommt dir schon nicht in die Quere, keine Sorge», sagte Yoshi. «Sie wollte bloß so gerne die Delphine sehen.» Ich schaute Lance an und zog mir die Ärmel bis über die Handgelenke Er erwiderte meinen Blick und zuckte schließlich mit den Schultern. «Dann zieh aber eine Schwimmweste an.» Ich nickte. «Und steh mir nicht im Weg rum.» Ich legte den Kopf auf die Seite. Als würde ich das je tun. «Ach, was soll’s. Hauptsache, deine Mutter gibt nicht hinterher mir die Schuld. Und hör mal, Mäuschen, das nächste Mal steuerst du die Moby Two an, okay – oder besser gleich das Boot von jemand anderem.»
«Jetzt reg dich ab. Sie ist überhaupt gar nicht hier», sagte Yoshi. «Und übrigens, Gregs Steuerkünste sind noch längst nicht das Beste.» Sie grinste. «Warte nur, bis er wendet, dann siehst du, was er mit seinem Bug angestellt hat.»
Während wir langsam die Bucht verließen, sagte Yoshi, es sei ein guter Tag für eine Tour. Die See war ein wenig kabbelig, aber es blies nur ein mäßiger Wind, und die Luft war so klar, dass man die weiße Gischt auf den Brechern meilenweit sehen konnte. Ich folgte Yoshi auf das Haupt- deck, wo sich auch das Restaurant befand, glich mühelos mit den Beinen das Auf und Ab des Katamarans unter mir aus und fühlte mich gleich ein bisschen wohler, weil der Skipper wusste, dass ich an Bord war.
Das hier, hatte Yoshi mir gesagt, war der anstrengendste Teil der heutigen Delphinbeobachtungstour, die Zeit bis zur Ankunft in dem geschützten Gewässer rund um die Bucht, wo man oft ganze Schulen von Großen Tümmlern antreffen konnte. Während die Passagiere auf dem Oberdeck Platz nahmen und, in dicke Schals gehüllt, die frische Juniluft genossen, baute Yoshi das Buffet auf, reichte Getränke herum und bereitete, wenn die See unruhig war, wie meistens in dieser Zeit kurz vor dem Winter, das Desinfektionsmittel und die Eimer für diejenigen vor, die seekrank wurden. Man könne es ihnen so oft sagen, wie man wollte, brummte sie vor sich hin und schaute zu den gut gekleideten Asiaten, die den größten Teil der morgendlichen Kundschaft ausmachten – sie blieben trotzdem unter Deck, sie aßen und tranken trotzdem zu schnell, und sie gingen auch trotzdem auf die Toilette, um sich zu übergeben, und machten sie damit unbenutzbar, anstatt sich einfach über die Reling zu beugen. Und wenn es sich um ihre Landsleute, die Japaner, handelte, fügte sie mit einem Hauch boshaften Vergnügens hinzu, verbrachten sie den Rest der Fahrt in einem Zustand still verzweifelter Demut, versteckt hinter dunklen Sonnenbril- len und hochgeschlagenen Krägen, die aschgrauen Gesichter stoisch aufs Meer gerichtet.
«Tee? Kaffee? Kekse? Tee? Kaffee? Kekse?»
Ich folgte ihr hinaus aufs Vordeck und schloss meine Jacke am Hals. Der Wind hatte sich ein wenig gelegt, aber die eisige Brise war immer noch zu spüren und pfiff um meine Nase und Ohren. Die meisten der Passagiere wollten nichts – sie unterhielten sich laut, um sich über das Motorengeräusch hinweg verständlich zu machen, starrten auf den weit entfernten Horizont hinaus oder machten Fotos voneinander. Ich tauchte dafür meine Hand umso öfter in die Keksdose.
Die Moby One war der größte Katamaran in Silver Bay. Normalerweise arbeiteten zwei Stewards auf einem Kat, doch mit abnehmenden Temperaturen kamen auch weniger Touristen, weshalb Yoshi den Job so lange alleine machte, bis es wieder mehr Buchungen gab. Mir war das nur recht, denn so war es leichter für mich, sie davon zu überzeugen, mich an Bord zu lassen. Ich half ihr dabei, die Tee- und Kaffeekannen in ihre Halterungen zurückzustellen, dann traten wir wieder auf das schmale Seitendeck hinaus, lehnten uns mit dem Rücken fest gegen die Fenster und blickten auf die See hinaus, wo das kleinere Boot vor uns immer noch seinem unsteten Kurs über die Wellen folgte. Selbst auf diese Entfernung war deutlich zu erkennen, dass mittlerweile die meisten der Fahrgäste über der Reling der Suzanne hingen.
«Zehn Minuten Pause sind drin. Da.» Yoshi öffnete eine Dose Cola und reichte sie mir. «Hast du schon mal was von der Chaostheorie gehört?»
«Hmm.» Das sollte so klingen, als wäre es durchaus möglich, dass ich davon gehört hatte.
«Wenn diese Leute da drüben bloß wüssten», sie zeigte mit einem Finger hinüber, während wir spürten, wie das Boot langsamer wurde, «dass ihre lang ersehnte Fahrt zu den wild lebenden Delphinen durch eine Frau ruiniert wird, der sie niemals über den Weg laufen werden, und durch einen Mann, der mittlerweile zweihundertfünfzig Kilometer entfernt von hier in Sydney mit ihr zusammenlebt und der festen Überzeugung ist, lila Radlerhosen seien im Alltag ein akzeptables Kleidungsstück.»
Ich nahm einen Schluck von meiner Cola. Das Prickeln der Kohlensäure im Hals trieb mir Tränen in die Augen, und ich schluckte schwer. «Du meinst, dass die Touristen auf Gregs Boot kotzen müssen, hat etwas mit der Chaostheorie zu tun?» Ich hatte gedacht, der Grund dafür sei die Tatsache, dass er am Abend zuvor zu viel Alkohol getrunken hatte.
Yoshi lächelte. «In etwa, ja.»
Die Maschinen waren gestoppt worden, die Moby One kam zur Ruhe, und rundherum wurde es still bis auf das Geplauder der Touristen und das Klatschen der Wellen am Rumpf. Ich liebte es, hier draußen zu sein, liebte es zuzuschauen, wie mein Zuhause langsam zu einem winzigen weißen Punkt wurde, der sich von dem schmalen Streifen Strand abhob und schließlich ganz hinter den endlosen Buchten verschwand.
Lara besaß eine Jolle, mit der sie ganz alleine hinaussegeln durfte, solange sie sich an die Bojen hielt, die die alten Austernbänke markierten, und darum beneidete ich sie sehr. Meine Mutter erlaubte mir nicht, in der Bucht herumzuschippern, obwohl ich doch schon fast elf war. «Alles zu seiner Zeit», murmelte sie jedes Mal, wenn ich fragte. Wenn es nach ihr ginge, würde ich überhaupt nie raus aufs Wasser kommen.
Lance tauchte neben uns auf: Gerade war er mit zwei kichernden Teenagermädchen abgelichtet worden. Junge Frauen baten ihn oft, für sie zu posieren, und er lehnte nie ab. Aus diesem Grund trug er auch so gerne seine steife Kapitänsmütze, sagte Yoshi, selbst wenn die Sonne so heiß vom Himmel brannte, dass ihm darunter das Hirn wegschmolz....
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Die Autorin
© rowohlt.de
Info:
Jojo Moyes, Nächte in denen Sturm aufzieht, Rowolth-Verlag, Klappenbroschur 480 Seiten, 16,99 Euro (als ebook 14,99 Euro). Verkauf seit 29. Januar 2019
«Moby One an Suzanne. Sag mal, Greg, wie viele Bierchen hast du gestern eigentlich gezischt? Du hältst Kurs wie ein einbeiniger Besoffener.»
Lance saß am Funkgerät. Während er weiterredete, steckte ich die Hand in die Keksdose und angelte mir den letzten Anzac heraus. Der Bordfunk zwischen den beiden Booten knisterte, und eine Stimme brummelte etwas vor sich hin, das ich nicht verstehen konnte.
Lance versuchte es wieder: «Moby One an Sweet Suzanne. Reiß dich jetzt besser zusammen, Mann. Vier von deinen Fahrgästen hängen schon über der Reling.»
Yoshi trat zu ihm und reichte ihm einen Pott Kaffee. Ich duckte mich hinter ihr. Die Gischttropfen auf ihrer marineblauen Uniform glitzerten wie Pailletten.
«Hast du Greg gesehen?», brummte Lance.
Sie nickte. «Ich durfte ihn bewundern, bevor wir losgefahren sind.»
«Er ist so besoffen, dass er nicht geradeaus lenken kann.» Lance zeigte durch das wasserverspritzte Fenster auf das kleinere Boot vor uns. «Ich sag dir was, Yoshi, die Passagiere werden ihr Geld zurückverlangen. Der mit dem grünen Hut hat kein einziges Mal den Kopf gehoben, seit wir Break Nose Island passiert haben. Was zum Teufel ist denn in ihn gefahren?»
Yoshis Haar war das schönste, das ich jemals gesehen hatte. Es hing wie ein dicker, schwarzer Vorhang rund um ihr Gesicht und war trotz Wind und Meerwasser niemals zerzaust. Ich nahm eine meiner eigenen kümmerlichen Locken zwischen die Finger. Obwohl wir erst eine halbe Stunde auf See waren, fühlte sie sich bereits klebrig an. Meine Freundin Lara sagte, wenn sie erst vierzehn war, also in vier Jahren, würde ihre Mutter ihr Strähnchen erlauben. Genau in diesem Moment fiel Lance’ Blick auf mich. Irgendwann hatte es ja passieren müssen.
«Was machst du denn hier, Mäuschen? Deine Mami macht mir die Hölle heiß, wenn sie das erfährt. Hast du keine Schule?»
«Ferien.» Ich trat ein wenig verlegen hinter Yoshi. «Sie kommt dir schon nicht in die Quere, keine Sorge», sagte Yoshi. «Sie wollte bloß so gerne die Delphine sehen.» Ich schaute Lance an und zog mir die Ärmel bis über die Handgelenke Er erwiderte meinen Blick und zuckte schließlich mit den Schultern. «Dann zieh aber eine Schwimmweste an.» Ich nickte. «Und steh mir nicht im Weg rum.» Ich legte den Kopf auf die Seite. Als würde ich das je tun. «Ach, was soll’s. Hauptsache, deine Mutter gibt nicht hinterher mir die Schuld. Und hör mal, Mäuschen, das nächste Mal steuerst du die Moby Two an, okay – oder besser gleich das Boot von jemand anderem.»
«Jetzt reg dich ab. Sie ist überhaupt gar nicht hier», sagte Yoshi. «Und übrigens, Gregs Steuerkünste sind noch längst nicht das Beste.» Sie grinste. «Warte nur, bis er wendet, dann siehst du, was er mit seinem Bug angestellt hat.»
Während wir langsam die Bucht verließen, sagte Yoshi, es sei ein guter Tag für eine Tour. Die See war ein wenig kabbelig, aber es blies nur ein mäßiger Wind, und die Luft war so klar, dass man die weiße Gischt auf den Brechern meilenweit sehen konnte. Ich folgte Yoshi auf das Haupt- deck, wo sich auch das Restaurant befand, glich mühelos mit den Beinen das Auf und Ab des Katamarans unter mir aus und fühlte mich gleich ein bisschen wohler, weil der Skipper wusste, dass ich an Bord war.
Das hier, hatte Yoshi mir gesagt, war der anstrengendste Teil der heutigen Delphinbeobachtungstour, die Zeit bis zur Ankunft in dem geschützten Gewässer rund um die Bucht, wo man oft ganze Schulen von Großen Tümmlern antreffen konnte. Während die Passagiere auf dem Oberdeck Platz nahmen und, in dicke Schals gehüllt, die frische Juniluft genossen, baute Yoshi das Buffet auf, reichte Getränke herum und bereitete, wenn die See unruhig war, wie meistens in dieser Zeit kurz vor dem Winter, das Desinfektionsmittel und die Eimer für diejenigen vor, die seekrank wurden. Man könne es ihnen so oft sagen, wie man wollte, brummte sie vor sich hin und schaute zu den gut gekleideten Asiaten, die den größten Teil der morgendlichen Kundschaft ausmachten – sie blieben trotzdem unter Deck, sie aßen und tranken trotzdem zu schnell, und sie gingen auch trotzdem auf die Toilette, um sich zu übergeben, und machten sie damit unbenutzbar, anstatt sich einfach über die Reling zu beugen. Und wenn es sich um ihre Landsleute, die Japaner, handelte, fügte sie mit einem Hauch boshaften Vergnügens hinzu, verbrachten sie den Rest der Fahrt in einem Zustand still verzweifelter Demut, versteckt hinter dunklen Sonnenbril- len und hochgeschlagenen Krägen, die aschgrauen Gesichter stoisch aufs Meer gerichtet.
«Tee? Kaffee? Kekse? Tee? Kaffee? Kekse?»
Ich folgte ihr hinaus aufs Vordeck und schloss meine Jacke am Hals. Der Wind hatte sich ein wenig gelegt, aber die eisige Brise war immer noch zu spüren und pfiff um meine Nase und Ohren. Die meisten der Passagiere wollten nichts – sie unterhielten sich laut, um sich über das Motorengeräusch hinweg verständlich zu machen, starrten auf den weit entfernten Horizont hinaus oder machten Fotos voneinander. Ich tauchte dafür meine Hand umso öfter in die Keksdose.
Die Moby One war der größte Katamaran in Silver Bay. Normalerweise arbeiteten zwei Stewards auf einem Kat, doch mit abnehmenden Temperaturen kamen auch weniger Touristen, weshalb Yoshi den Job so lange alleine machte, bis es wieder mehr Buchungen gab. Mir war das nur recht, denn so war es leichter für mich, sie davon zu überzeugen, mich an Bord zu lassen. Ich half ihr dabei, die Tee- und Kaffeekannen in ihre Halterungen zurückzustellen, dann traten wir wieder auf das schmale Seitendeck hinaus, lehnten uns mit dem Rücken fest gegen die Fenster und blickten auf die See hinaus, wo das kleinere Boot vor uns immer noch seinem unsteten Kurs über die Wellen folgte. Selbst auf diese Entfernung war deutlich zu erkennen, dass mittlerweile die meisten der Fahrgäste über der Reling der Suzanne hingen.
«Zehn Minuten Pause sind drin. Da.» Yoshi öffnete eine Dose Cola und reichte sie mir. «Hast du schon mal was von der Chaostheorie gehört?»
«Hmm.» Das sollte so klingen, als wäre es durchaus möglich, dass ich davon gehört hatte.
«Wenn diese Leute da drüben bloß wüssten», sie zeigte mit einem Finger hinüber, während wir spürten, wie das Boot langsamer wurde, «dass ihre lang ersehnte Fahrt zu den wild lebenden Delphinen durch eine Frau ruiniert wird, der sie niemals über den Weg laufen werden, und durch einen Mann, der mittlerweile zweihundertfünfzig Kilometer entfernt von hier in Sydney mit ihr zusammenlebt und der festen Überzeugung ist, lila Radlerhosen seien im Alltag ein akzeptables Kleidungsstück.»
Ich nahm einen Schluck von meiner Cola. Das Prickeln der Kohlensäure im Hals trieb mir Tränen in die Augen, und ich schluckte schwer. «Du meinst, dass die Touristen auf Gregs Boot kotzen müssen, hat etwas mit der Chaostheorie zu tun?» Ich hatte gedacht, der Grund dafür sei die Tatsache, dass er am Abend zuvor zu viel Alkohol getrunken hatte.
Yoshi lächelte. «In etwa, ja.»
Die Maschinen waren gestoppt worden, die Moby One kam zur Ruhe, und rundherum wurde es still bis auf das Geplauder der Touristen und das Klatschen der Wellen am Rumpf. Ich liebte es, hier draußen zu sein, liebte es zuzuschauen, wie mein Zuhause langsam zu einem winzigen weißen Punkt wurde, der sich von dem schmalen Streifen Strand abhob und schließlich ganz hinter den endlosen Buchten verschwand.
Lara besaß eine Jolle, mit der sie ganz alleine hinaussegeln durfte, solange sie sich an die Bojen hielt, die die alten Austernbänke markierten, und darum beneidete ich sie sehr. Meine Mutter erlaubte mir nicht, in der Bucht herumzuschippern, obwohl ich doch schon fast elf war. «Alles zu seiner Zeit», murmelte sie jedes Mal, wenn ich fragte. Wenn es nach ihr ginge, würde ich überhaupt nie raus aufs Wasser kommen.
Lance tauchte neben uns auf: Gerade war er mit zwei kichernden Teenagermädchen abgelichtet worden. Junge Frauen baten ihn oft, für sie zu posieren, und er lehnte nie ab. Aus diesem Grund trug er auch so gerne seine steife Kapitänsmütze, sagte Yoshi, selbst wenn die Sonne so heiß vom Himmel brannte, dass ihm darunter das Hirn wegschmolz....
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Die Autorin
© rowohlt.de
Info:
Jojo Moyes, Nächte in denen Sturm aufzieht, Rowolth-Verlag, Klappenbroschur 480 Seiten, 16,99 Euro (als ebook 14,99 Euro). Verkauf seit 29. Januar 2019