KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für April 2013, Teil 1



Elisabeth Römer



Hamburg (Weltexpresso) – Die heute ersten beiden Spitzenplätze sind eins nach oben gerückt An der Spitze der KrimiZEIT-Bestenliste April 2013 finden Sie Dunkle Gewässer von Joe R. Lansdale, erschienen im Tropen Verlag. Joe R. Lansdale, geb. 1951, ist einer der vielseitigsten und produktivsten Erzähler der USA, ein Autor des Genre-Crossing und –Mixing par excellence zwischen Horror, Krimi, Western und den Jugendversionen dieser Genres.

 

In Dunkle Gewässer erzählt er die Flucht dreier Jugendlicher und einer Frau, die vor ihrem Ehemann abhaut, den Sabine River hinunter. May Linn ist ermordet worden. Die Helden wollen ihre Asche nach Hollywood und die Beute eines Raubüberfalls, die sie in ihrem Nachlass gefunden haben, in Sicherheit bringen. Wie oft bei Lansdale zwingen bösartige Verfolger, Hunger und die Gefahren der Natur die vier Flüchtlinge, ihre Standpunkte zu überprüfen und dabei zu reifen oder unterzugehen. Die moderne Huck-Finn-Erzählung spielt in Ost-Texas zur Zeit der großen Depression und wir haben schon das letzte Mal begeistert – bitte Vormonat lesen - von diesem Roman gesprochen, der auch zeigt, was man heute alles unter einem Kriminalroman versteht.

 

Leider kennen wir den Zweiten Raylan von Elmore Leonhard aus dem Suhrkamp Verlag noch immer nicht und können nur auf den Apriltext der KrimiZEIT unten verweisen. .Auf  Platz 3 nun ganz neu Das Ende der Welt von Sara Gran, herausgegeben vom Droemer Verlag. Auf dieses Buch haben wir uns gestürzt, denn Sara Gran, Jahrgang 1971, faszinierte die deutsche Kritik vor gut einem Jahr mit dem ersten Band über ihre koksende, gewaltbereite Heldin Claire de Witt, die sie in mythologisierender Überhöhung als „beste Detektivin der Welt“ vorstellt. Die Stadt der Toten gewann nicht nur den Deutschen Krimipreis, sondern war auch zu Recht einer der zehn besten Krimis des Jahres 2012 der KrimiZEIT-Bestenliste.

 

Leider waren wir enttäuscht. Das Ende der Welt  spielt in San Francisco. Claire erforscht den Mord an ihrem Exgeliebten Paul, und zerbricht beinahe an der Wahrheitssuche. Denn: „Der Detektiv glaubt, einen Mord aufzuklären (..), aber in Wahrheit ist er einer vollkommen anderen Sache auf der Spur, einer Sache, die er selbst nicht versteht.“ (Original 2013: Claire de Witt and the Bohemian Highway). Das Selbstreferentielle in den Büchern der Sara Gran gefällt uns unbedingt, wie ihre Heldin Claire de Witt den Schriften ihres Heros nacheifert, der alles schon in Worten vorhergesehen hatte, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten sie als Aufklärerin von Mord und Totschlag braucht, ihr Detektivwissen der ganz besonderen Art. Nein, das bleibt etwas Faszinierendes und wird uns nie zu viel.

 

Der Fall selbst ist eigentlich auch spannend, denn die neue Frau von Paul, der einmal ihr Geliebter war, ist eine rare Pflanze und fast zu schön um wahr zu sein. Aber nicht ehrlich genug, um wahr zu sein. Auf jeden Fall bringen alle diese Personen aus dem Showmilieu genug Glamour ins Buch und man lernt auch eine Menge über Gitarren, was nie von übel ist, wer weiß, wann man das braucht. Was uns dann stört? Uns wird einfach ihr, Claires, Rauschgiftkonsum zu viel. Und das nicht aus moralischen Gründen, na ja vielleicht auch. Aber man muß sich einfach zu viele Sorgen um die Hauptperson machen beim Lesen. Denn das wird dem Leser ja geradezu aufgedrückt, daß diese Claire gerade mal wieder am Abkratzen ist und sich nur so millimeterweit vom Exitus befindet. Einmal mag das ja noch anrührend sein, aber zweimal, dreimal..

 

 

Auf  Platz 4: Der König von Rom von Giancarlo de Cataldo ist auch für uns ganz neu und wir kennen nur den Zusammenhang mit den drei Romanen zu Verbrechen und Zeitgeschichte, worauf de Cataldo, Richter in Rom, an die Ursprünge zurückkehrt. El Libano, junger Vorstadtrebell und Gangster, der später die Maglianabande gründen wird (beschrieben im Romanzo Criminale von 2002) muss sich am Anfang seiner Karriere zwischen Liebe und Verbrecherzukunft entscheiden und König von Rom werden.Das nächste Mal also mehr. Fortsetzung folgt.

 

 

 

KrimiBestenListe April

 

 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(2)

Joe R. Lansdale: Dunkle Gewässer

Aus dem Englischen von Hannes Riffel

Tropen, 320 S., 19,95 €

Ost-Texas, während der Großen Depression. Nachdem May Linns Leiche im Sabine River gefunden wurde, verbrennen ihre Freunde sie und transportieren die Asche den Fluss hinab. Fernziel: Hollywood. Die wilde Flucht der Jugendlichen erinnert an die von Huck Finn und Tom Sawyer, verläuft aber grotesker und brutaler als bei Mark Twain. Lansdale eben.

2

2

(3)

Elmore Leonard: Raylan

Aus dem Englischen von Kirsten Risselmann

Suhrkamp, 308 S., 19,95 €

Kentucky. Ob Nierenhandel, Umweltverbrechen oder Schusswechsel mit einer einarmigen Transe - US-Marshal Raylan Givens bleibt stets gelassen. Mit Gleichmut und schnellem Finger sorgt er für das, was er persönlich für Gerechtigkeit hält. Wie schon in der TV-Serie Justified, jedoch im Buch viel, viel abgefahrener.

3

3

(-)

Sara Gran: Das Ende der Welt

Aus dem Englischen von Eva Bonné

Droemer, 368 S., 14,99 €

San Francisco/Brooklyn. Fünf Gitarren, ein Pokerchip, Schlüssel – schwache Hinweise auf den Mörder von Paul, Claire de Witts Exgeliebtem. Prekäre Autonomie der Detektivin: Claire zerstört sich fast auf der Suche nach Wahrheit, nach dem Kindertraum geliebt zu werden. Kaliforniens Norden: kalt und hip. Gran fasziniert.

4

4

(-)

Giancarlo de Cataldo: Der König von Rom

Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl

Folio, 176 S., 19,90 €

Rom 1976. Machtvakuum in der Hauptstadt. Nicht die Camorra, nicht die Marseiller, keiner hat die volle Kontrolle. Junggangster Libano am Scheideweg: Mit Giada, der bourgeoisen Revoluzzerin, in die Boheme oder mit Gewalt ans große Geld? Libano lernt Verbrechen. Ruppiges Vorspiel zu Romanzo Criminale.

5

5

(-)

Derek Nikitas: Brüche

Aus dem Englischen von Manfred Roth

Seeling, 328 S., 15,00 €

Cassadaga County, New York. Für 500 Dollar in den Klingelbeutel seiner Kirche rückt Deputy Hartwick eine Adresse heraus. Zwei Tage später sind sechs Menschen ermordet. Nikitas’ Welt: Hier wird schuldig, wer auch nur den Finger rührt. Familienzusammenführung bis zur Katastrophe. Düstere Wucht.

6

6

(-)

Cathi Unsworth: Opfer

Aus dem Englischen von Hannes Meyer

Suhrkamp, 384 S., 14,99 €

Ernemouth, Norfolk. Privatdetektiv Sean Ward, im Polizeidienst verkrüppelt, rollt den Fall der „Hexe des Ostens“ erneut auf. 1983: Teenie-Rivalitäten eskalieren im Ritualmord. 2003: Alte Säcke verteidigen die die liebe Macht. Tolles Brit-Stück. Perfekt reanimierte Gothic-Atmo. Unsworth wiederentdeckt.

7

7

(-)

Ian Rankin: Mädchengrab

Aus dem Englischen von Conny Lösch

Manhattan, 512 S., 19,99 €

Edinburgh/Rosemarkie. John Rebus kann es nicht lassen. Der Pensionär wühlt in ungelösten Altfällen. Vier Mädchen sind verschwunden, alle an der A 9. DI Siobhan Clarke assistiert halb widerwillig, der Verdächtige will nicht reden, da nimmt Rebus Gangster zu Hilfe. Rankin und Rebus – kommt gut.

8

8

(5)

Madison Smartt Bell: Die Farbe der Nacht

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Liebeskind, 238 S., 18,90 €

Los Angeles/Las Vegas/New York. Manson-Mythos trifft Elften September. Die sexy blutigen Zeiten liegen 30 Jahre zurück. Mae, einzig Überlebende der Family, gibt Karten in Vegas. Als die Türme fallen, gleitet die Todesgöttin zurück in antike Blutträume und Rachemuster. US-Gewalt-Metaphysik.

9

9

(9)

Paolo Roversi: Milano Criminale

Aus dem Italienischen von Esther Hansen

Ullstein, 464 S., 19,99 €

Mailand 1958 – 1971. Vandelli (10) und Santi (14) sind zufällig Zeugen des sensationellen Überfalls an der Via Osoppo. Der eine wird daraufhin Räuber, der andere Polizist. Nach dem Vorbild von Romanzo Criminale: die Geschichte Mailands als Kampf zwischen Staat und Verbrechern.

10

10

(-)

 

P.D.James: Der Tod kommt nach Pemberley

Aus dem Englischen von Michaela Grabinger

Droemer, 384 S., 19,99 €

Stolz und Vorurteil zum Zweiten. P.D. James’ Fortschreibung des Romans von Jane Austen als mystery novel entfaltet stilgenau präviktorianische Wirrnisse. Ein Mord am Vorabend des großen Balls auf Pemberley folgt aus Gentry-Zwängen um 1800: ein illegitimes Kind darf einfach nicht die Standesehre beschmutzen.

 

 

INFO:

 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.



Vorgestellt wird die KrimiZeit-JahresBestenliste

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 4.4. 2013 mit Tobias Gohlis gegen 8.50 Uhr im Nordwestradio Journal und in den Sendungen der Literaturzeit, nachzuhören unter http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html

  • in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 4.4.2013 und unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste

  •  

Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 1200 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.



 Die Jury setzt sich zusammen aus: 

Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt

Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR

Gunter Blank, Sonntagszeitung

Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau

Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist, Plärrer , culturmag, DradioKultur

 

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur. Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Viermal inzwischen darf ein Buch einen Platz bekommen, dann scheidet es aus und hat nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die Ende Dezember herauskommt. und die wir für 2012 ebenfalls kommentierten. 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/1208-der-beste-krimi-2012-bleibt-von-fred-vargas-die-nacht-des-zorns-aus-dem-aufbau-verlag



http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/1208-der-beste-krimi-2012-bleibt-von-fred-vargas-die-nacht-des-zorns-aus-dem-aufbau-verlag