cä mitfordmanorDer Bücherzettel für den Sommer 2019 bietet auch interessanten älteren Lesestoff, Teil 4

Roswitha Cousin

München (Weltexpresso) - Eigentlich ist die Serie Downtown Abby schuld. Denn deren Beliebtheit brachten die englische Journalistin Jessica Fellowes – klingt wie ein Pseudonym - dazu, Begleitbücher zur Serie zu verfassen. Das ist doch interessant. Bisher kannte man nur Bücher, die verfilmt wurden, oder – als Buch zum Film – dann Bücher, die Filmvorlagen waren und mit den Fotos aus den Filmen nun – da sie bekannter geworden sind, nochmal als Buch neu aufgelegt werden. Daß aber eine Fernsehserie so einschlägt, daß die Leute nun das Filmpersonal auch literarisch weiterverfolgen wollen, ist neu.

Allerdings, wenn man sich die Zustände in England anschaut, die rund um den BREXIT ja ein ganz neues Englandbild brachten, muß einen das gar nicht mehr wundern. Lesen wir also rasch, schon deshalb rasch, weil der 2. Band der Schwestern von MITFORD MANOR schon angekündigt ist. ER wird GEFÄHRLICHES SPIEL heißen und soll am 2. September erscheinen.

UNTER VERDACHT bezieht sich auf den Mord an Florence Nightingale Shore, die eine Freundin der Familie Mitford Manor ist und am hellichten Tag ermordet wird. Dies spielt 1920, was heißt, daß der Zweite Weltkrieg vorbei das bürgerliche Leben erst gerade wieder einspielen läßt. Uns begleitet Louisa, sie ist neunzehn und proletarischer Herkunft, ohne Zukunftschancen, aber wird - der Traum ihres Lebens – das neue Mädchen für alles bei der skandalumwitterten Familie MITFORD MANOR, die draußen in Exfordshire auf ihrem Anwesen residieren. Diese Familie braucht Personal! Schließlich gibt es sechs Töchter des Hauses, bei dessen Begriff Töchter man unwillkürlich auf den Begriff töricht kommt, was doch nichts miteinander zu tun hat, nur so ähnliche Buchstaben!

An Louisa schließt sich vor allem die zwei Jahr jüngere Nancy an, die aufgeweckt und am Leben und seinen Sonderbarkeiten interessiert einfach neugierig ist, auf alles, was kommen könnte. Und nun der Mord. Dies ist der Ausgangspunkt für diesen Roman, der genau hält, was er verspricht. Gefühle, Gefühle, Liebe, Haß. Eine flott geschriebene, dennoch mit 492 Seiten etwas lang geratene Mordaufklärung, die so nebenbei das Leben der Zwanziger Jahre in England wiedergibt. Jahr, die ja deshalb so interessant sind, weil sie mit den Schlacken des Krieges noch behaftet, gleichzeitig so unterhaltsam und gesellschaftlich nach vorne blickend sind, was spätere Zeiten, die in einen neuen Krieg gehen, wieder gerade rücken wollen.

Die Aussage, man erhält das, was man sich verspricht, gilt auch für DIE SILBERNE KÖNIGIN von Katharina Seck. Da sieht man schon den verwunschenen Umschlag, mit einer bläulichen Schneelandschaft mit hohen Bergen und einer jungen Frau, deren Gesicht vom Schleier halb verhüllt ist, an, daß es hier gleich übersinnlich zugehen wird. Diese Gattung firmiert ja unter Fantasy, womit wir unsere Schwierigkeiten haben, weil sie das Märchenhafte genauso einheimst, wie das, was als Phantastik ja ganz andere Bereiche umfaßt, nämlich Zwischenwelten, die es in sich haben.

Nein, nein, hier bleibt es harmlos, was solche Orte wie Silberglanz deutlich machen. Silberglanz ist sogar eine Stadt, was doch so nett klingt, aber kalt, kalt, kalt ist, denn der Zustand der Winterwelt hält nun schon über mehrere Jahre an. Der Trick an der Geschichte ist nun, daß in die doch eigentlich schon unwirkliche Welt, in der wir mit Emma die 24jährige Hauptperson haben, nun eine zweite Welt hineingezogen wird, in der sich Emma dann verliert, um sich zu finden. Verständlicher: sie betritt die Chocolaterie von Madame Weltfremd, die ihr ein Märchen erzählt, das Märchen von der Silbernen Königin, die uns einwickelt und wo wir alles erfahren, vom Fluch nämlich, wie es so kalt gekommen ist, wie es ist und was zu tun ist - ganz deutliche für Emma selbst – was zu tun ist, damit das Leben weitergehen kann.

Kalt ist es auch in LETZTE Welten von Steven Heighton, wo es um den Überlebenskampf in Eis und Finsternis am Nordpol geht und das im Jahr 1872! Solche Szenen, wie wir sie zu lesen bekommen, kennen wir alle aus Filmen, das fiel mir beim Lesen als Erstes auf. Denn meist ist es ja umgekehrt, daß man beim Lesen etwas bildlich vor Augen sieht, was die Phantasie einem eingibt. Doch gab es in den letzten Jahren mehrere Filme von Forschern, die mit Kind und Kegel zum Nordpol zogen und nur in den Filmen überleben sie, denn in Wirklichkeit sind die menschlichen Opfer – aus Forscherdrang, aus Überheblichkeit, aus Geldgier, aus Dummheit – enorm. Deshalb verläßt einen bei diesem Buch auch das Interesse an den Personen nicht, die hier einen Kampf aufnehmen müssen, der sich gewaschen hat: einen Kampf gegen die Natur.

Es geht um das Expeditionsschiff POLARIS, das am Nordpol in schweres Packeis gerät und von zwei Seiten erst eingekesselt und dann zerteilt wird, so daß ein Teil der Besatzung auf einer Eisscholle Richtung Süden davontreibt. Der Autor Steven Heighton aus Ontario hat dem Roman Motti vorangestellt, deren Urheber Joseph Conrad und Herman Melville heißen, was ausdrückt, an welchen Ansprüchen er sich messen lassen muß. Aber tatsächlich ist das kein falscher Pfad, weil er sehr ehrenwert die fast ausweglose Situation auf der Eisscholle nutzt, um in den bisher Überlebenden den Kampf ums Dasein bis aufs Blut hervorzukitzeln und deutlich aufzuzeigen, zu welchem Irrsinn Menschen fähig sind, wenn sie unter Druck geraten und wie leichtfertig sie Versprechungen von anderen folgen.

Info:
Jessica Fellowes, Die Schwestern von Mitford Manor. Unter Verdacht, Pendo Verlag
Katharina Seck, Die silberne Königin, Bastei Lübbe 2016
Steven Heighton, Letzte Welten, rororo 2009