Bildschirmfoto 2019 08 07 um 11.21.54Sebastião Salgado erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2019, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) –Aber die Beschäftigung mit Salgados Gesamtwerk soll ja erst noch kommen, jetzt geht es um GOLD, den neuen Band, der wie die übrigen in der Größe 24,8 cm x 33 cm ein Schwergewicht ist, was das Titelbild dann als Schwerarbeit zeigt.

Wir sehen die Leitern, die an die Sandhügel angelehnt, von den Bergen ins Flußbett hinunter führen, Sprossen, auf denen rechts wie Ameisen die Menschen nach oben klettern, schwer bepackt mit Säcken über der Schulter, auf denen sie das vermeintliche Gold im Glücksrausch – nur mit entsprechendem Adrenalin lassen sich die Strapazen überhaupt aushalten – nach oben bringen, während wir auf der linken Seite den Zusammenbruch des Systems miterleben, denn die Holzsprossen brechen immer wieder, die Kletterer stürzen in den Sand, der Sand überrieselt sie, das Foto ist gerade gemacht, als diese Leiter brach und man die Verschütteten oben herauskraxeln sieht.

Wie das passieren kann, passieren muß, erkennt man gleich links, denn da ist eine solche Trittleiter neu angelegt, oben findet sie am Sandberg Halt, unten steht sie auf Sand, aber gleich daneben sieht man das ausgehöhlte Tunnelsystem und weiß sofort, auch diese Leiter wird brechen oder abgleiten, aber alles egal, das Streben nach Gold, das ein Streben nach Glück ist, geht vor. Und dann noch auf dem leicht vergilbten Umschlagfoto – das uns automatisch denken läßt, wir sähen eine alte Aufnahmen, eine aus dem 19. Jahrhundert – in dicken goldenen Buchstaben GOLD und darüber in lichtem Weiß SEBASTIAO SALGADO, was sich in viel kleineren Buchstaben unten mit TASCHEN wiederfindet.

Schon diese Gestaltung ist Kunst, aber richtig spannend wird die Abbildung, wenn man die Rückseite dazunimmt. Dann erkennt man nämlich das System der Schürfung, der Goldgewinnung. Auf den Leitern soll es nur hoch mit dem gewonnenen Gold, bzw. dem Gold in den Schlacken gehen, diejenigen, die nach unten streben und auch Goldgräber und Goldwäscher sein wollen, die sieht man links beim Abstieg in die Hölle – tatsächlich stellen sich auf einmal Gedanken an Dante und Vergils Abstieg in die Hölle ein – brav hintereinander, aber so dicht wie auf einer U-Bahntreppe in der Rush-Hour, alles junge dünne, ja dürre Männer, alle in kurzen Hosen, manche mit nacktem Oberkörper,viele mit Sonnenhut oder Kappe, die Gier und die Hoffnung im Blick.

Jetzt sind wir neugierig geworden, wie denn diese Goldgewinnung vor sich geht. Aber da auf der Rückseite links unten die Verlagsangaben in kleinem Kasten zum elektronischen Ablesen stehen, auf denen auch steht: ‚English/Deutsch/ Français‘, lesen wir erst den Text, denn wir wissen, der Salgado ist nicht nur ein Künstler mit der Kamera, sondern auch einer mit Worten. Dennoch schauen wir rasch, wieviel Text vor uns liegt, denn tatsächlich sind wir neugierig geworden auf diesen Ab und Auf der Goldsüchtigen. Das Vorwort auf Deutsch beginnt auf Seite 10, endet auf Seite 15, gut, das Lesen ist also überschaubar und gleich lesen wir auch ‚Paris, 2019‘, was uns sagt, daß wir wirklich ein ganz aktuelles Buch vor uns liegen haben.

GOLDFIEBER AM AMAZONAS hat Salgado seine Einleitung überschrieben. Wir sagten ja schon, allein der Begriff GOLD hat ja in uns sofort Assoziationen an Filme – von Charie Chaplins GOLDRAUSCH (Gold Rush) von 1925 angefangen – oder auch Ausstellungen, Fotos wie auch Literatur hervorgerufen. Im Regal haben wir ein ganzes Brett voll von Katalogen von Kunstausstellungen um Gold, vom Gold der Hethiter bis Gold der Helvetier, das waren alles die erfolgreichsten Ausstellungen, weil der Begriff GOLD bei Kunstausstellungen mehr Besucher bringt als bei anderen Themen. Das hat natürlich nichts mit dem oben erwähnten Goldpreis zu tun, sondern mit der Kunstfertigkeit, mit der vergangene Völker dieses Gold bearbeitet haben. Insbesondere das Steppengold der Skythen, in Grabfunden entdeckt, hat die Nachwelt staunen lassen, wie dieses, für uns doch harte Material, bearbeitet worden ist. Aber man muß gar nicht auf Nomaden zurückgreifen, erst vor gut zehn Jahren hat eine Ausstellung GOLD. SCHATZKUNST ZWISCHEN BODENSEE UND CHUR im Vorarlberger Landesmuseum in Bregenz mittelalterliche Goldkunst gezeigt, Reliquienkästchen und Kreuze von tiefer Schönheit.

FORTSETZUNG FOLGT

Fotos:
Gold mine of Serra Pelada, State of Pará, Brazil, 1986
© Sebastião SALGADO

Info:
Sebastião Salgado. Gold
Sebastião Salgado, Lélia Wanick Salgado, Alan Riding
Hardcover, 24,8 x 33 cm, 208 Seiten
Verlag Taschen
€ 50
ISBN 978-3-8365-7508-9 (Deutsch, Englisch, Französisch)