c falle raabeAlte und neue Krimis als Buch oder Hörbuch 2019, Teil 4: der Hörverlag

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Drei starke, von Frauen geschriebene Krimis, die in der Hörversion perfekt die in den Handlungen immanenten Spannungen wiedergeben, zudem süffisant komisch sind wie Swann, unheimlich und verstörend wie Marsons und einfach nur aufregend spannend wie Melanie Raabe mit DIE FALLE.

Es geht nämlich um drei Hörbücher, von denen zwei einfach durch die Namen ihrer Autorinnen die Assoziation an bestimmt Tiere hervorrufen und der dritte nicht nur in England spielt, sondern auch eine englische Autorin hat. Wir aber haben alle drei, die wir schon kannten, noch einmal hintereinander gelesen, denn das ist der Härtetest: wenn man dann alles noch mal anhört, auch wenn man Lösungen kennt, dann ist das ein wirklich gutes Hörbuch. Und das gilt für alle drei.

Weil wir uns am ausführlichsten mit Leonie Swanns GRAY beschäftigt haben, wurde das darüber Schreiben so umfangreich, daß wir es in einen Teil 5 verfrachten und jetzt über Melanie Raabes DIE FALLE und SILENT SCREAM von Angela Marsons berichten wollen, die zudem alle drei nun wirklich perfekte, aufeinander eingespielte Sprecher haben. Wirklich ein Genuß!

Das sind zwei völlig unterschiedliche Kriminalromane. Der eine ist eine Rachegeschichte im persönlichen Umfeld – und vom Leser voll unterstützt. Das andere ist eine historische Begebenheit, die so grauenvoll ist, daß die Dimension eines normalen Krimis immer wieder überschritten werden, weil ein Ernst einzieht, der einen nicht kalt läßt und man mit Detective Inspector Kim Stone, West Midlands Police, hofft, daß sie den geschichtlichen Hintergrund, der die Gegenwart vergiftet, aufklären kann.

Bei Melanie Raabes DIE FALLE weiß ich gar nicht, ob ich das hätte lesen wollen. Gehört ist es ein einziger Sog. Und das, obwohl die Handlung nicht vor sich hin plätschert und auch nicht linear erzählt wird, sondern der Hörer schon mitdenken muß, wo er sich gerade befindet und wer zu ihm spricht. Erst einmal geht es um Linda Conrads, die einerseits einen Bestseller nach dem anderen schreibt, andererseits aber seit fast zwölf Jahren abgeschottet von der Außenwelt in ihrem Haus versteckt lebt, das sie wirklich nicht verläßt, worüber aber nicht berichtet werden soll. Denn sie hat ja Gründe, die in nackter Angst liegen. Vor zwölf Jahren nämlich ist ihre jüngere Schwester Anna ermordet worden – und sie hat den Mörder noch fliehen sehen. Sie kennt sein Gesicht – aber er ihres auch!

Das ist erst einmal die Grundkonstellation, die aber gebrochen wird durch den Schreibprozeß der Autorin Conrads, die einen weiteren Bestseller in der Mache hat, den sie BLUTSSCHWESTER nennt. Wir erfahren vom Inhalt und das ist dann schon eine intellektuelle und hörensmäßige Herausforderung, immer zu wissen, wo wir uns gerade befinden und ob und was das eine mit dem anderen zu tun hat.

Und dann sieht sie das Gesicht des Mörders. Im Fernsehen. Es ist der neue Nachrichtensprecher Victor Lenzen. Wie kann sie ihn stellen. Wie heißt das Buch? Die Falle!. Eben. Sie denkt sich eine Falle aus. Sie ist schließlich Schriftstellerin, also wird ihre Falle eine literarische sein. Doch, wir haben gebannt gelauscht und die Spannung wird auch nicht dadurch weniger, daß wir aus Erfahrung wissen, daß Linda Conrads überleben wird und daß sie in Zukunft nicht mehr Angst haben muß.

Die Handlung von Angela Marsons SILENT SCREAM ist sehr viel komplizierter zu beschreiben. Eigentlich geht es gar nicht. Versuchen wir es: Inmitten einer todtraurigen und schwarzen Landschaft – wir befinden uns in den Midlands, im Black Country, das so heißt, weil die oberirdischen Kohleschichten nördlich und westlich von Birmingham die Erde schwarz färben. Es stirbt Teresa Wyatt, dann stirbt noch jemand und noch jemand obwohl erst einmal keine Gemeinsamkeiten zwischen den Ermordeten festzustellen ist, kommt Detective Kim Stone von der Est Midlands Police mit ihrem Team durch sensible Recherche der Sache auf die Spur, erst einmal, daß die Ermordeten alle mit dem ehemaligen Kinderheim Crestwood zu tun haben, wo sie beschäftigt waren.

Und als sie dieses aufgelassene Kinderheim be-und untersuchen will, das nach einem Brand geschlossen wurde, wird dort in der Nähe eine schon lange vergrabene Kinderleiche gefunden. Der Fall geht ihr auch deshalb so an die Nieren – und uns dann auch – weil Kim selbst in staatlichen Heimen aufwuchs, also weiß, wovon die Rede ist. Sie ist keine Ermittlerin, der die Herzen zufliegen, auch nicht die der Leser, aber eine, die man voll Respekt ihr Handwerk verrichten läßt. Und noch mehr. Man hofft, daß man selbst, wenn man je in eine so lebensgefährliche Situation geriete, wie die Menschen in diesem Krimi, daß dann eine Kim Stone zur Stelle wäre, die die Schuldigen eruiert und bestrafen läßt.
 
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Info:
Leonie Swann, Gray, gelesen von Bjarne Mädel und Christopher Heisler, Laufzeit ca. 8 h 44 min, gekürzte Lesung, mp3, Hörverlag 2017

Melanie Raabe, Die Falle, gelesen von Birgit Minichmayr und Devid Strisow, Laufzeit ca 10 h 24 min, vollständige Lesung, mp3, Hörverlag 2015

Angela Marsons, Silent Cream. Wie lange kannst du schweigen?, gelesen von Andrea Sawatzki und Christian Berkel, Laufzeit 9 h 18 min, gekürzte Lesung, Hörverlag 2015