c graySerie: Alte und neue Krimis als Buch oder Hörbuch 2019, Teil 5: der Hörverlag

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – „Dieses Hörbuch hat einen Vogel!“ steht auf der Rückseite der CD. Das stimmt und der kleine Graupapagei, um den es geht, mit dem Namen GRAY - nomen est omen – ist der größte Glücksgriff, den die deutsche Krimiautorin Leonie Swann (Pseudonym) tat.

Leonie Swann ist vor allem mit dem Schaftskrimi GLENNKILL bekannt geworden, der schon 2005 als Stimme einer Schafsherde erschien und bis heute mit über 30 Übersetzungen ein Welterfolg ist, dem GAROU folgte, ein Schaf-Thriller, der an den gewaltigen Erfolg nicht ganz anknüpfen konnte, aber für einen deutschen Krimi eben auch überaus erfolgreich war. Mit GRAY bleibt sie also bei den Tieren und sie bleibt auch beim englischen Ambiente, diesmal in Cambridge, von dem es heißt, daß sie dies auch privat genießt, aber inzwischen Berlin zum Hauptwohnort erkor.

Uns leitete beim Hören tatsächlich die Einwürfe des Papageien, der aber, das ist ganz wichtig, in diesem Roman nicht der Aufklärer ist an dem Mord, den er miterlebt und dem sein Herrchen zum Opfer fällt. Der Ermittler ist nämlich Dr. Augustus Huff, der in Cambridge Dozent ist und dessen geregeltes Leben völlig durcheinandergerät, als sich einer seiner Studenten durch Sturz vom Turm des King's College das Leben nimmt. Das auf jeden Fall muß jeder erst einmal glauben, als man den Zerschmetterten früh morgens tot auffand.

Doch mit dem angenommenen Selbstmord können sich so manche nicht anfreunden, erst recht nicht die schöne Mama, in die sich der Dozent sofort verguckt, mit dem Wissen, an so eine schöne Adlige nie herantreten zu dürfen. Also muß sein Student, dieser Elliott Fairbanks, abgestürzt sein, das ist die nächste Vermutung, was naheliegt, denn er war ein Fassadenkletterer. Allerdings ein so geübter, daß sich für Augustus nach und nach die Gewißheit ergibt, daß es da nicht mit rechten Dingen zugegangen ist und es sich um MORD!! handeln muß.

Doch wir sind der Zeit voraus, denn beim Hören stellt sich erst einmal die Lust am Hören mit dem Auftreten des Papageis ein, den Bjarne Mädel köstlich intoniert, was eine Kunst ist, denn der Vogel wiederum ahmt ja die Sprüche und Sprechweise seines Herrchens nach, das nun tot ist. Wir lernen aber mit dem Vogel und seinen Aussprüchen erst einmal die arrogante schnöselige Art des toten Studenten kennen, den Gray so stilsicher imitiert, wenn er von Dummheit spricht und immer wieder betont: „Knapp daneben ist auch vorbei“.

Das fruchtet bei Augustus und gibt ihm sofort die Unterlegenheitsgefühle, deretwegen er uns als Zwangscharakter vorgestellt wird, der mit seinem ewigen Reinlichkeits- und Waschzwang, vom ständigen Aufräumen gar nicht zu sprechen, sozusagen eine arme Sau ist, denn er, der aus einfachen Verhältnissen stammt und sich regelrecht hochgearbeitet hat, ist das Gegenteil von selbstbewußt und leider leider immer abhängig, was andere von ihm denken. Schlimmer, er stellt sich dauernd vor, was andere von ihm denken könnten, müßten, sollten. Armer Kerl, dem aber die Verfasserin Leonie Swann eine Chance nach der anderen gibt, wozu sie den Papagei braucht.

Und den Papageien GRAY brauchen wir. Nicht auszudenken, diese Geschichte ohne ihn. Es würde das Entscheidende fehlen. Das wäre langweilig, unerheblich, wäre nie geschrieben und auch nicht gehört worden. Aber so finden wir es jetzt gerade schade, daß wir nicht im Buch blättern können und die ganzen Aussprüche abschreiben können, damit die Leser wissen, weshalb wir so vom Vogel schwärmen.

Es ist die Vielzahl der völlig unterschiedlichen Ansprachen, die entzückt, wobei nach den einfachen und leicht erklärbaren Worten wie "Nimm 'ne Nuß", Keks oder Traube, also das, was der Papagei essen möchte, solche Ungetüme wie „Psychologische Probleme“ oder 'bad woman' einen wundern und 'total zermatscht' auch nicht gerade leicht zu verstehen ist, nämlich im Kontext einer Traube, oder eines zerschmetterten Körpers. Was aber uns von Anfang an einsichtig ist und was der Dozent dann endlich auch einmal kapiert, ist, daß Gray nicht nur sein Herrchen imitiert, sondern auch von anderen etwas aufgeschnappt hat, was er wiederholt, auch in der Stimmlage wiederholt, so daß der Mörder sich gefährdet sieht und Gray nach dem Leben trachtet. Erst Gray, dann Augustus, dann beiden.

Wir geben zu, daß wir auch beim hundertsten Mal – oder sogar je öfter, desto doller – herzlich über die doch eigentlich harmlose 'Nuß' gelacht haben, weil es Leonie Swann gelingt, eine Situationskomik herzustellen, in der der Vogel immer die Oberhand behält.

Die Handlung braucht man gar nicht zu erzählen. Nachdem der Verdacht da ist, macht sich der Dozent auf die Suche, er lernt Freundin und Studienkollegen kennen und eben auch eine andere Seite des elitären Studenten, der zudem auf einmal gar nicht mehr so vornehmer Herkunft ist. Es ist die Suche nach dem Mörder, die das Ermittlerpaar Augustus & Gray aufnehmen und wo beide in Todesgefahr geraten. Darunter ist es im nicht so ernst zu nehmenden Krimi nicht zu haben, der einem zusätzlich viele interessante Theorien über das Bezugspaar Mensch und Vogel auf den Weg gibt.

So ist eine der Thesen, daß ein Mensch mit einem Vogel auf der Schulter nicht wahrgenommen wird. Interessant. Nur leider haben wir gerade keinen Vogel da, mit dem wir das überprüfen könnten. Hintergrund ist, daß ein sprechender Graupagagei so attraktiv ist, daß die Menschen nur den Vogel anschauen und nicht die Schulter, auf dem er sitzt, geschweige denn die Person zur Schulter. Hier auf jeden Fall war das dadurch Unsichtbarsein ein Ausgangspunkt für den Mord, und – leider leider – bleibt es nicht bei dem einen.

Aber sowohl Augustus wie auch Gray kommen davon, so daß einem Weiterleben nichts im Wege steht und beim nächsten Mord sind die beiden schon viel erfahrener im Aufklären, denkt sich der Hörer, denn wir haben das Buch nicht gelesen, sondern mit großer Lust und immer wieder Lachen gehört.
 
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Info:
Swann, Gray, gelesen von Bjarne Mädel und Christopher Heisler, Laufzeit ca. 8 h 44 min, gekürzte Lesung, mp3, Hörverlag 2017