Bildschirmfoto 2019 10 14 um 16.13.19Der Deutscher Buchpreis 2019,  Teil 18

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wenn das Uli Hoeneß zu Augen kommt: „Manuel Neuer ist die Protomöwe, momentan sicher der beste Torwart der Welt, aber wenn man ihm was anderes aufgetragen hätte, würde er es genauso gut machen; er wäre dann die beste Möwe, der beste Ellenbogen, der beste, schlimmste Deutsche.“ Wie gut, daß Uli Hoeneß keine Bücher liest, nein, das wollen wir nicht unterstellen, aber sicher nicht die Finalisten des Deutschen Buchpreises, vermuten wir mal, sonst käme jetzt auch noch die gegenwärtige sinnlose Diskussion um Ersatzkeeper Marc-André ter Stegen mit in die Diskussion um NICHT WIE IHR, wo auf jeden Fall der Titel sagt, daß sich Ivo von den anderen, insbesondere den Möwen geschieden sieht, einfach anders ist.

Aber wie ist er? Das wüßte er auch gerne.

Bei Fußball liegt es noch auf der Hand, daß es hauptsächlich um Männer geht. Natürlich kommen Fußballerinnen beispielsweise im Kosmos des Ivo gar nicht vor. Frauen, das sind die zum Ficken, die zum Heiraten und die anderen. Wenn volksnah und darüber hinaus geschrieben wird und das nicht als ordinär abgestempelt oder verdammt, dann liegt das auch an der Ware Fußball, die heute ein weltöffentliches Event ist, zu dem man gerne dazugehören möchte. Ich kenne allerdings genug Fußballer, die sich gegen eine solche Darstellung verwehren täten. Darum noch einmal. Es geht gar nicht um Fußball, sondern um die Ware Fußball, um diese Welt, in der mit den Beinen Millionen gescheffelt werden, wenn der Kopf schlau mitmacht. Es geht um junge Männer, die heute oben und morgen ganz unten sein können.


Das Mißverständnis

Genau so interessant, wie den Roman zu lesen, ist es, die Besprechungen zu verfolgen. Meine Güte! Die einen labern, die anderen biedern sich an, feiern diese Fußballersprache, die überhaupt keine Fußballersprache, sondern die des noch immer etwas pubertären Ivos ist, der mit dem schnellen Erfolgen, dem vielen Geld innerlich nicht mitgewachsen ist. Wie auch? Dazu gehört schon einiges, eine richtige Fußballerfamilie, die es auch gibt. Doch Ivo ist seltsamerweise ein fußballerisches Einzelkind.


Fragwürdiges

Wann spielt der Roman? Das nächste Mal frage ich. Punktum. Denn daß mit diesem Ivo der andere Ivo, nämlich Ivo Vastic gemeint sei, wie manche Rezensionen behaupten, ist unglaublich. Der ist ein österreichischer Held geworden, als er 1998 bei der WM in Frankreich im Spiel gegen Chile den Ausgleich erzielte, ein Punktvorteil, der nicht lange hielt. Der Roman-Ivo dagegen ist einer von heute, denn erst heute ist das Menschenfleisch im Fußball so teuer geworden, sind die Verkaufsverhältnisse von Menschen bei derartigen Millionenbeträgen angekommen und das Jahreseinkommen des einzelnen Spitzenfußballers auch. Diese Fragen werden im Roman gestreift, so richtig nachdenklich wird Ivo aber nicht.

Und was uns am meisten wundert ist sein Lebenswandel. Und damit meinen wir nicht seinen Seitensprung. Wir sprechen seinen Ernährungsplan an. Er hat keinen. Dann ist er kein Spitzenfußballer. Hat denn Autor Schachinger und sein Ivo noch nie vom Kroaten Niko Kovac gehört, dem früheren Trainer der Frankfurter Eintracht, der seltsamerweise im Roman nicht vorkommt. Den lieben die Frankfurter noch heute, obwohl er als Trainer zu Bayern München ging und berühmt dafür ist, wie er seine Spieler mit dem Trinken von warmem Wasser quälte. Und einen genauen Trainings- und Speiseplan verordnete. Die Jungs müssen was tun für ihr Geld. Gesund leben ist das Mindeste. Dieser Ivo dagegen trinkt pausenlos Fanta – was er übrigens mit dem Onkel von Saša Stanišićin in HERKUNFT und ihm selbst gemein hat – und ißt Fastfood. Ständig.

Also, da ist einiges faul im Staate Fußball. Denn die Spitzenfußballer bringen tatsächlich mehr Überlegungen auf zur Strategie und Taktik ihrer eigenen Spielerpersönlichkeit. Die sind doch mehr mit dem Platz beschäftigt und auch mit dem Rest der Mannschaft. Denn Fußball ist ein Mannschaftssport. Das geht im Roman, in dem sich Ivo um sich selber dreht, doch unter.

Schließlich fragen wir uns, was er überhaupt hat – Lebensmittekrise hin und her – dieser Ivo. Ist sein Durchhänger zwischen erotischem Abenteuer und bravem Familienvater nicht das, was jeder mal hat, oder hat es besondere Qualitäten durch seinen Status als Spitzenfußballer mit Spitzenfußballerbeinen? 

Denn immerhin heißt der Titel ja NICHT WIE IHR. Meint er damit seine Teamkollegen, also andere Fußballer, meint er damit die ganzen Profifußballer mit hohem Einkommen gegen den Rest der Welt? Das wird nicht klar, weil irgendwo dieser Ivo doch in der Luft hängt, dabei braucht er den Boden zum Fußballspielen. Lassen wir ihn also besser spielen.

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Info:
Tonio Schachinger, NICHT WIE IHR, Verlag Kremayr & Scheriau