bbauschbuchSerie: Joe Bausch - alias Dr. Joseph Roth, Rechtsmediziner im Kölner Tatort - aus seiner Praxis als Gefängnisarzt , Teil 1/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Anlaß, die beiden Bücher KNAST und GANGSTERBLUES (beide im Ullsteinverlag) von Joe Bausch sofort zu lesen und dazu das von ihm selbst gesprochene Hörbuch von Hörbuch Hamburg von A bis Z durchzuhören, war sein umjubelter Auftritt in der Frankfurter Universität, im Campus Niederrad, wohin ihn der Leiter der Rechtsmedizin am Universitätsklinikum, Prof. Dr. Marcel A. Verhoff eingeladen hatte.

Alle Achtung. Nach den HARTEN GESCHICHTEN, wie der Untertitel von GANGSTERBLUES lautet, kam mir als erstes in den Sinn, daß wir Normalbürger vom Innenleben in Gefängnissen und von den Gefangenen keine Ahnung haben, auch eigentlich nicht mehr wissen wollen, gehen wir doch in der Regel davon aus, daß Gefangene zu Recht verurteilt wurden, also so etwas wie Gerechtigkeit waltet, wenn sie eingesperrt sind. Das ist das eine. Das andere dann, daß wir schon eine Ahnung haben, aber nur die aus Filmen und dem Fernsehen, sehr selten aus Romanen vermittelte. Denn der klassische amerikanische harte Thriller hatte gerne HARTE KERLE, die oft WEICHE HERZEN hatten, auf jeden Fall ausbrachen und irgendwas und irgendwen rächten. Lauter sentimentales Zeug, wenn man Joe Bausch gut zuhört. Daß auch er die HARTE REALITÄT etwas schönt, hat mit seiner Funktion als Anstaltsarzt zu tun. Von 1986 bis zu seiner Pensionierung im November 2018 war er zuständiger Arzt in der Justizvollzugsanstalt Werl, wie es heißt als Leitender Regierungsmedizinaldirektor.

Erneut alle Achtung, solche Arbeit 33 Jahre durchzuführen, auszuhalten. Wie sich das mit den Filmaufnahmen für die Tatorte aus Köln vereinbart, wollen wir überhaupt nicht wissen. Dort wird man zudem auch nicht pensioniert, so daß Bausch als Rechtsmediziner im Fernsehen überlebt und länger weitermachen kann. Wir können auch nicht ermessen, wie wir in GANSTERBLUES seinen „mit Bertram Job“ gezeichneten Mitautor würdigen sollen, da der Icherzähler Joe Bausch – vollständig: Hermann Joseph Bausch-Hölterhoff – von seinem beruflichen Alltag erzählt, was dann die Erzählerstimme Bausch erst recht suggeriert, daß er nämlich hier selbst von verschiedenen Gefangenen berichtet, die ihm im Laufe seines Gefängnisalltags eben besonders berichtenswert erschienen.

Sie sind es! In den 12 Geschichten auf 237 Seiten ist keine einzige, die einem überflüssig erscheint oder wo einem die Geschichte und die Person des Gefangenen nicht naheginge, sei es, daß man Verständnis, ja sogar Mitgefühl entwickelt, sei es, daß man den Verurteilten gleich noch mal selbst verurteilen möchte und ihm einen lange Gefangenschaft wünscht. Diese Gefühle entwickelt der Leser, die Hörerin; der Erzähler dagegen läßt zwar auch manches Mal seine Sympathie oder Abneigung durchblitzen, hält aber in seinen Berichten eine erstaunliche professionelle Haltung zu den Gefangenen durch, die für ihn als Arzt gemäß dem hippokratischen Eid, also der ärztlichen Ethik Menschen sind, für deren mentale und körperliche Gesundung er alles machen muß, was menschlich und heute zunehmend technisch möglich ist.

Und auch im Hörbuch schildert seine Stimme die Erlebnisse fast sachlich, was die Dimension von Horror, auf jeden Fall von Ungewöhnlichem sogar steigert. Wenig eitel für einen Mann, der seinen Stolz über das Erreichte nur dann und wann akustisch rausläßt, wenn er seine Patienten ihn immer wieder „Doc“ nennen läßt.

Die verschiedenen Fälle lassen sich einfach nicht zusammenfassen. Außerdem will der Autor eigentlich gar nicht von Fällen, also von Einzelschicksalen sprechen, sondern den Alltag in deutschen Gefängnissen darstellen. Stimmt, das Gefängnisleben und das Verhältnis der einzelnen Gefangenen zueinander, bestimmte Konflikte, aber auch solidarisches Handeln stehen im Vordergrund. Aber der Verfasser kann einfach nicht verhindern, daß man individuelle Schicksale interpretiert. Natürlich müssen, heute schon aus Datenschutzgründen, die geschilderten Gefangenen und ihre Verbrechen verfremdet werden, wie im Vorwort ausdrücklich betont wird, wenn es heißt: „Sie beschreiben also keine lebenden oder toten Personen; sie haben sich nicht zugetragen, hätten sich aber wie beschrieben zutragen können.“

Nun gut, für den, der GANGSTERBLUES liest oder hört, ist es genauso gewesen, wie es Joe Bausch erzählt, der seine Erfahrung mit dem, was die Gefangenen von sich den anderen Gefangenen gegenüber erzählen, weitergibt. Demnach stellen diese „ihre Taten meistens viel spannender dar als das, was über sie im vergleichsweise nüchternen Urteil oder in kurzen Presseartikeln zu lesen ist“.

Wir vermuten mal, daß im vorliegenden Buch dieser Extrakt dann noch einmal auf „viel spannender“ hingeschrieben wurde. Gut getan, Joe Bausch und Mitautor!

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Cover

Info:
Joe Bausch, Gangsterblues. Harte Geschichten, Ullstein extra, 2018
Joe Bausch, Gangsterblues. Harte Geschichten, ungekürzte Lesung, gelesen vom Autor, 6 CDs, 447 Minuten, Hörbuch Hamburg
Joe Bausch, Knast, Ullstein Taschenbuch, 1. Auflage 2013, 11. Auflage 2019