Serie: Die jüdischen Flüchtlinge aus den muslimischen Ländern, Teil 1/3
Elvira Grözinger
Berlin (Weltexpresso) - Das lange, zu lange, verschwiegene Thema der Judenvertreibung aus den muslimischen Ländern vom Maghreb bis Afghanistan ist endlich ins allgemeine Bewusstsein gerückt, nachdem jahrzehntelang das ausschließliche arabische Narrativ von der „Naqba“, der Katastrophe der Vertreibung der palästinensischen Araber, die Weltöffentlichkeit instrumentalisierte. Das ihnen, den scheinbar Unschuldigen, angeblich von den „Zionisten“ verursachte Leid und ihr anschließendes Vegetieren seit der Gründung des jüdischen Staates, fern der Heimat als arme Flüchtlinge in Lagern (wohlgemerkt in den arabischen Brüderländern...), ließ keine Erwähnung des Leidens der Juden in ihren arabischen Heimatländern und ihrer Vertreibung zu, so dass diese im Bewusstsein der Weltgemeinschaft keine Rolle spielten.
Während die UN von ca. 726.000 arabischen Flüchtlingen seit 1948 ausgeht, deren von der Weltgemeinschaft Alimentierten Zahl inzwischen auf 5 Millionen angewachsen ist, stehen dem etwa 850.000 Juden aus den arabisch-muslimischen Ländern gegenüber, die seit 1948 nach Pogromen und Verfolgungen vertrieben wurden. Bis heute ohne jegliche Entschädigung seitens irgendwelcher Staaten leben sie, nachdem die Mehrheit von ihnen in Israel eine neue Heimat fand und sind - im Gegensatz zu den palästinischen Arabern - in die Gesellschaft integriert.
November ist ein wichtiger Gedenkmonat in der jüdischen Geschichte und seit 2014 wird am 30. November der in Israel zum offiziellen Gedenktag an die Vertreibung der Juden erklärte Jahrestag begangen. Und wie von Zauberhand sind die jüdischen Vertriebenen nun nach Jahrzehnten der Abwesenheit zum Gegenstand der Debatten und zahlreicher Buchneuerscheinungen geworden. Die auf dem deutschen Markt neuesten Bücher zum Thema sind zum einen das aus der Feder des aus Marokko stammenden französischen Juden Georges Bensoussan, Die Juden der arabischen Welt. Die verbotene Frage (Les Juifs du monde arabe. La question interdite 2017, dt. Hentrich & Hentrich 2019, 191 S.) und das zweite des in Belgien lebenden aschkenasischen Rechtsanwalts Nathan Weinstock, Der zerrissene Faden. Wie die arabische Welt ihre Juden verlor 1947-1967 (Une si longue présence: Comment le monde arabe a perdu ses juifs, 1947-1967, dt. ca-ira Verlag 2019, 476 S.). Beide Autoren sind miteinander befreundet und deren Bücher behandeln teilweise die gleichen Inhalte, zum Teil ergänzen sie sich und beide werden im Folgenden besprochen.
FORTSETZUNG FOLGT
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Info:
Georges Bensoussan, Die Juden der arabischen Welt. Die verbotene Frage (Les Juifs du monde arabe. La question interdite 2017), dt. Hentrich & Hentrich 2019
Nathan Weinstock, Der zerrissene Faden. Wie die arabische Welt ihre Juden verlor 1947-1967 (Une si longue présence: Comment le monde arabe a perdu ses juifs, 1947-1967,) dt. ca-ira Verlag 2019