Bildschirmfoto 2019 12 01 um 21.16.06Serie: DIE KRIMIBESTENLISTE IM Dezember,  Teil 1

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Erst einmal eine schlechte Nachricht. Da schlägt man früh morgens am Sonntag, 1. Dezember, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) auf, weil jeden ersten Sonntag im Monat dort die Krimibestenliste auf der Rückseite der ersten Seite Feuilleton abgedruckt ist, und diesmal der Monatsanfang mit dem Sonntag auf einen Tag fällt. Wir blättern und blättern, aber vergeblich. Keine Liste vorhanden?! Wir finden nämlich wie viele unserer Leser diese Liste aufschlußreich und verfolgen sie monatlich in eigenen Kommentierungen, wenngleich nicht immer so umfänglich wie im November, wo tatsächlich sechs Folgeartikel veröffentlicht wurden. 

Tatsächlich steht im Feuilleton der Sonntagszeitung FAS noch nicht mal, warum sie nicht veröffentlicht wurde, die Dezemberliste, die seit mehreren Jahren die FAS bereichert, nachdem die Krimibestenliste schon länger hintereinander in DIE WELT und DIE ZEIT  abgedruckt wurde. Damit entfällt natürlich unsere Kommentierung nicht, aber es macht es schwieriger, für die Liste zu werben und sich mit den Autoren und ihren Büchern auseinanderzusetzen, weil jetzt nicht mehr die Schere langt, die Liste aus der Sonntagszeitung auszuschneiden und in kompakter Längsform sich ans Regal zu heften, auf daß man sie den Monat über gut im Blick hat und notiert, welche Kriminalromane man schon bestellt hat (ein Haken),  welche Bücher schon gekommen sind (zweiter Haken), welche schon gelesen sind (dritter Haken) und welche Romane unsererseits aus der Krimibestenliste schon besprochen und veröffentlicht sind (vierter Haken!). 

Man muß also als interessierter Krimileser ins Internet gehen und sich online die Liste besorgen und, will man sie schwarz-auf-weiß haben, eben ausdrucken. Aber das sind immer mehrere Blätter, weil der Zeitungssatz einfach übersichtlicher ist. Oder Sie müssen wie bisher unsere kommentierenden Artikel zur Liste lesen und ausdrucken, dann haben Sie die Liste auch, die wir ja immer mit unseren Kommentaren veröffentlichten. Sehr gerne, wenn es wie diesmal, wieder,  beim Spitzenplatz, der Nummer 1, um einen Lieblingsautor von Weltexpresso geht, dessen Spätwerk wir seit Jahren  ausführlich begleitet haben: John le Carré mit FEDERBALL aus dem Ullstein Verlag. Ein federleichtes Buch mit Tiefgang, das zudem den Ernst hinter viel Komik verbirgt, insofern ist John le Carré eben dann doch ein typischer Engländer, weil sich bei ihm Ironie mit tieferer Bedeutung paart. Doch vor den neuen ein kurzer Überblick, welche Autoren mit welchen Titeln  aus der Liste vom November verschwunden sind: 

Das ist sozusagen auf natürliche Weise Erfolgsautor Garry Disher, der mit HITZE  von pulp master seit dem September auf der Liste stand und im Oktober und November den Spitzenplatz hielt. Natürlich ist er deshalb verschwunden, weil nach dreimal Schluß ist. Aber Dror Mishanis DREI aus dem Verlag Diogenes, ebenfalls seit September gelistet, ist noch dabei, sehe ich gerade. Auf dem 10. Platz, nachdem DREI mit Platz 5 begann, im Oktober und im November auf Platz 5 überwindertete. Übrigens wirklich ein hervorragender Roman - und ein Krimi auch. Unten die Links zu den bisherigen Besprechungen. Wer aus anderen Gründen Platz machen mußte, weil neue Romane ihn ausbooteten, ist Adam Bookes' DER CHINESISCHE VERRÄTER von Suhrkamp, erstmals im Oktober dabei und auch im November auf Platz 7. Leider schon wieder verschwunden ist Franz Dobler mit EIN SCHUSS INS BLAUE aus dem Tropen Verlag, der erstmals im November auf Platz 2 vorstieß. Normalerweise halten sich Spitzenplätze länger. Auch BLUTWUNDER von Lisa McInerney aus dem Liebeskind Verlag fing im November auf Platz 9 an, fehlt aber diesmal auf der Liste. Solche Autoren haben aber die Chance beim nächsten Mal noch einmal dabei zu sein, weil die Jury in ihrer Abstimmung die Plätze vergibt und sie damit auch noch im Rennen bleiben.

Sagen wir's kurz, wer noch dabei ist: Wie oben erwähnt John le Carré mit FEDERBALL auf Platz 1. Und auch für Hannelore Cayre , DIE ALTE, Ariadne im Argument-Verlag, freuen wir uns, weil das ein schön freches Buch ist, das zudem unerwartete Wendungen nimmt, denen man gerne folgt. Dieser Roman ist so ein Beispiel, wie das mit den Abstimmungen und der Jury geht. Das letzte Mal im November gerade auf den 10. Rang noch so reingerutscht, hat es inzwischen so viele überzeugt - denn die Neuen muß man ja auch als Kritiker erst mal lesen! - daß Cayre mit ihrer mittelalten Heldin Patience Portefeux hoffentlich noch lange dabeibleibt und wir von der Autorin auch noch mehr zu lesen bekommen. Else Laudan auf jeden Fall, die diese Ariadnekrimis im Argument Verlag verlegt, hat im Dezember gleich noch einen neuen Krimi von Sarah Schulman TRÜB vorgelegt, den sie auch selbst übersetzt hat. Respekt. Nicht nur vor der Arbeitsleistung, sondern auch den Fähigkeiten, die geeigneten Autorinnen aufzuspüren. 

Doch zu den Neuen auf den Plätzen im nächsten Teil. 
Fortsetzung folgt


DIE KRIMIBESTENLISTE im DEZEMBER 


1(4)
John le Carré
Federball
Aus dem Englischen von Peter Torberg.
Ullstein, 352 Seiten, 24 Euro

London. Nat und Ed, alternder Spion und radikal junger Remainer, ein wenig
Vater und Sohn, bei 15 Badmintonspielen. MI6 und Bruderdienst CIA in Zeiten
von Brexit und Trump: wenig Verstand, politisch konfus, dreist korrupt. Le Carré
mit 88: liebenswürdig, klar, elegant. Verficht Jugendtraum Europa.


2(10)
Hannelore Cayre
Die Alte
Aus dem Französischen von Iris Konopik.
Ariadne im Argument-Verlag, 203 Seiten, 18 Euro
Paris. Madame Portefeux übersetzt seit 25 Jahren Arabisch für die Polizei. Ihr
Verdienst geht für das Altenheim der Mutter drauf. Als sie auf einen Berg
Haschisch stößt, greift sie zu. Alle leben vom Drogenhandel – warum nicht sie?
Nieder mit der Heuchelei, die Frechheit an die Macht!


3(3)
Paulus Hochgatterer
Fliege fort, fliege fort
Deuticke, 286 Seiten, 23 Euro

„Furth am See“. Mehr Provinzstadtanalyse als Kriminalroman: Opfer von
Kinderheimgewalt nehmen sich das Recht zur Vergeltung, kommentiert und
observiert von Kripomann Kovacs und Psychiater Horn. Rassistenautos brennen,
Kinder werden entführt. Offen in alle menschlichen Richtungen, Lob der
Erzählfreiheit.


4(8)
Norbert Horst
Bitterer Zorn
Goldmann, 320 Seiten, 13 Euro

Dortmund. Im Krieg zweier Clans wird ein Mädchen entführt. Ein junger
Einbrecher ist auch verschwunden. Steiger behält im Dauerstress klaren Kopf
und hat Ideen. Das Gesetz (des Handelns) halten andere in der Hand. Straßenrealistisch, seelengenau: Bei Norbert Horst wird Polizeialltag Literatur.


5(–)
Regina Nössler
Die Putzhilfe
Konkursbuch, 402 Seiten, 12,90 Euro

Senden, Berlin-Neukölln. Klassenwechsel: Die promovierte Soziologin Franziska
lässt in der Münsterländer Provinz Mann und Haus hinter sich, taucht in Berlin
unter und verdingt sich als Putzhilfe. Raffiniertes Spiel mit Krimi- und Sozialklischees. Ganz aus der Perspektive dreier verstörter Frauen.


6(–)
Fuminori Nakamura
Der Revolver
Aus dem Japanischen von Thomas Eggenberg.
Diogenes, 186 Seiten, 22 Euro

Tokio. Wer einen Revolver hat, schießt auch. Nishikawa hat einen gefunden, bei einem Mann, der sich vermutlich damit umgebracht hat. Jetzt übernimmt der Revolver den Mann. Nishikawas Inneres macht alles durch, was der Revolver will, dieses
Symbol des Todes, der Macht und der amerikanischen Kultur.


7(–)
James Lee Burke
Mein Name ist Robicheaux
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger.
Pendragon, 600 Seiten, 22 Euro

New Iberia. Männerrivalität: Politiker Nightingale und Schriftsteller Broussard ringen um den wahren Süden, einer als Kandidat, einer als Filmemacher. Dazwischen
Robicheaux, der nicht weiß, ob er im Suff den Mann umgebracht hat, der seine
Frau tötete. Abgründe der Gewalt, vom Epiker aus Louisiana.


8(6)
Simone Buchholz
Hotel Cartagena
Suhrkamp, 230 Seiten, 15,95 Euro

Hamburg, Cartagena. Henning ist der Seemann, der nie wieder nach Hamburg
zurückkommen will. Sein Glück findet er im kolumbianischen Cartagena, sein
Unglück auch, das kommt aus der Hansestadt. Chastity und Freunde werden
Geiseln eines großen Racheakts. „Überall schwarze Löcher.“ Blow-out.


9(–)
Sarah Schulman
Trüb
Aus dem Englischen von Else Laudan.
Ariadne im Argument-Verlag, 270 Seiten, 20 Euro

New York 2017. Suchtkranke verstehen was von Sucht. Maggie Terry nutzt ihre
zweite Chance. Als Privatermittlerin eines Anwalts quält sich die Ex-Polizistin,
nach dem Entzug geschüttelt von Flashbacks und Versuchungen, ermittelnd zurück
ins Soziale. Vereinsamt, verraten, in einer kranken Stadt.


10(5)
Dror Mishani
Drei
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke.
Diogenes, 336 Seiten, 24 Euro

Tel Aviv, Bukarest. Drei Frauen – immer derselbe Mann. Über ein Dating-Portal
für Geschiedene kommen Orna und Gil zusammen. Bis sie mitkriegt, dass er sie
getäuscht hat. Emilia und Ella queren auch seinen Weg. Der Rest ist Kritikers
Schweigen und Bewunderung. Vivisektion der Alltagsbösartigkeit.

Plätze im Dezember (Vormonat) 



DIE JURY
Die Jury: Tobias Gohlis, Sprecher der Jury | Volker Albers, „Hamburger Abendblatt“ | Andreas Ammer, „Druckfrisch“, BR | Gunter Blank, „Rolling Stone“ | Thekla Dannenberg, „Perlentaucher“ | Hanspeter Eggenberger, „Tages-Anzeiger“ | Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung“ |Jutta Günther, „Radio Bremen Zwei“ | Sonja Hartl, „Zeilenkino“,„Crimemag“, „Deutschlandfunk Kultur“ | Hannes Hintermeier, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ | Peter Körte, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ | Kolja Mensing, „Deutschlandfunk Kultur“ | Marcus Müntefering, „Spiegel Online“ | Ulrich Noller, „Deutsche Welle“, WDR |Frank Rumpel, SWR | Margarete von Schwarzkopf, Literaturkritikerin |Ingeborg Sperl, „Der Standard“ | Sylvia Staude, „Frankfurter Rundschau“ |Jochen Vogt, „NRZ“, „WAZ“

WO? außerhalb von WELTEXPRESSO
Die Krimibestenliste auf Deutschlandfunk Kultur
www.deutschlandfunkkultur.de

Die Krimibestenliste am ersten Sonntag des Monats: www.faz.net
Die Krimibestenliste
Die zehn besten Kriminalromane des Monats Dezember 2019

An jedem ersten Sonntag des Monats geben 19 Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Die Krimibestenliste ist eine Kooperation der Frankfurter Allgemeinen mit Deutschlandfunk Kultur.

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