a CostanzoCostantiniConFedericoFellini1982Zum 100sten Geburtstag von Federico Fellini seine Gespräche mit Costanzo Costantini aus dem Verlag Kampa, Teil 2/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das Buch, die lebenslangen Interviews sind vom fragenden Costantini sehr geschickt in eine zeitliche Lebens- und Werkabfolge Fellinis komponiert worden, so daß damit auch eine private und Werkbiographie zustandekommt..

Das findet sich wieder in einer siebenseitigen Auflistung von Leben und Werk am Ende, die man auch zwischendurch beim Lesen gut gebrauchen kann, denn im Text, den Interviews, die ja in damals aktuellen Situationen entstanden, fehlen häufig die Jahreszahlen, die man dann hinten nachschauen kann. Das gilt auch für das vorzügliche Register, das auf acht zweispaltigen Seiten vorwiegend Namen mit entsprechenden Seitenverweisen. Da erkennt man noch einmal im Nachhinein, wie stark die Fragen Fellini zu intensiven Antworten motivierten. Das ist immer wieder ein so lebendiges Hin und Her, aber eben auch eine tiefe Reflexion auf Zeiten und Personen, die durch die Fragen ausgelöst werden.

Übrigens kann man beim Register auch registrieren, daß in diesem Buch Fellini über keinen Film soviel Aussagen tätigt wie über La dolce vita/Das süße Leben. 35 Mal wird dieser Film erwähnt! La strada/Das Lied der Straße dagegen kommt ‚nur‘ elf Mal vor.

Ziemlich schnell erkennt man in den Aussagen von Federico Fellini seine Begeisterung für Zirkus, für Jahrmarkt, fürs Zaubern und Verkleiden, für öffentliche Feste, für Bars, für Varietés, für Halbseidenes...und er selbst sah sich auch in der Rolle des Dompteurs, des Zirkusdirektors. Und dabei fallen einem sofort mindest zwei Anverwandte ein, die leicht älter als er, sein Genre in zwei anverwandten Künsten wiedergaben. Das ist einmal Heinrich Mann, der nicht nur den Professor Unrat an einer Kleinstadtkurtisane scheitern läßt, sondern das Thema in weiteren Romanen fortspann und das ist der Maler Max Beckmann, der nicht nur die Akrobaten und Musikanten, sondern die Komödianten und Zirkusleute auf die Leinwand zwang. Mindestens diese Namen begleiten einem beim Lesen, auch weil man bedauert, daß der Italiener Fellini sie wohl kaum gekannt hat.

Das kitzelt Costantini glasklar aus Fellini heraus, was er gelesen hat: viel und was er nicht gelesen hat: noch viel mehr. Denn einer der Bezugspunkte für seine Filme sollte laut Filmkritik Marcel Proust gewesen sein, von dem er kein Wort kannte. Darum hat die Frage (S. 86) , die dem Film ACHTEINHALB gilt : „Bei keinem anderen deiner Filme haben die Kritiker so viele Namen von Schriftstellern und Cineasten bemüht: Kierkegaard, Proust, Gide, Joyce, Bergman, Resnais, Pirandello.“, eine ernüchternde Antwort erhalten. „Ich habe Resnais‘ Film nicht gesehen“. Dabei geht es um“ Letztes Jahr in Marienbad“.

Costantini mag nicht fassen, daß Fellini mit all den Namen nichts anfangen kann und will und fragt weiter: „Während Du Otto e mezzo drehtest, dreht Ingmar Bergmann Tystnaden (dt. DAs Schweigen, 1963), Elia Kazan Ameríca Ameríca (dt. Die Unbezwingbaren, 1963), schrieb Arthur Miller After the Fall (dt. Nach dem Sündenfall, 1964), Jean-Paul Satre Les mots (dt. Die Wörter, 1965) und Max Frisch Mein Name sei Gantenbein (1964) – lauter Werke mit einem subjektiven, autobiographischen Hintergrund.“ (S. 87)

Darauf antwortet Fellini schlicht: „Mit all den Werken habe ich überhaupt nichts zu tun.“ Und als Costantini immer noch nicht aufgeben will und weiterfragt: „Hast Du Joyces Ulysses (1922) nicht gelesen? Laut Alberto Moravia sollst du ihn gelesen und darüber sinniert haben, und Guido Anselmi, der Protagonist deines Films, gleiche dem Leopold Bloom von Joyce.“ , erwidert Fellini nur: „Tut mir leid, wenn ich Moravia enttäusche, aber ich habe Ulysses nie gelesen.“

Der Interviewer bohrt weiter: „Verzeih, wenn ich jetzt indiskret werde: Welche Filme hast du in den letzten fünf Jahren gesehen und welche Bücher gelesen? Brav antwortet Fellini und zählt die Regisseure Kurosawa, Bergmann, Chaplin, Pasolini, Rondi, Ferreris, Rossi auf und die Literaten Flaiano, Moravia und fünf weitere italienische Autoren auf und schließt: „Außerdem lese ich gern Bücher über Magie, Gerichtsverfahren und die Vermischten Meldungen in Zeitungen.“

Fortsetzung folgt

Foto:
Die noch jungen Federico Fellini und Costanzo Costantini
© ilmessagero.it

Info:
Federico Fellini, Ich bin fellinesk, Gespräche mit Costanzo Costantini, Kampa Verlag 2019