Verlage und Buchhandlungen packen Herausforderungen an
Felicitas Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Buch ist auch in Krisenzeiten fest in der Gesellschaft verankert. Buchhandlungen und Verlage nutzten in der Corona-Krise erfolgreich ihre Stärken wie eine enge Bindung zu Kund*innen, Kreativität und digitale Innovationsfreude. Zwar sorgen Umsatzrückgänge aus den Wochen der Geschäftsschließungen für ein negatives bisheriges Jahresergebnis, dennoch blicken Verlage und Buchhandlungen zuversichtlich auf das verbleibende Jahr. Der Buchbranche ist es in den letzten Wochen gelungen, ihre Verluste kontinuierlich zu reduzieren.
Die Branche verringerte ihr Umsatzminus von 14,9 Prozent bei Wiedereröffnung der Läden Mitte April auf 8,3 Prozent bis Ende Juni. Der Umsatz des stationären Buchhandels für sich genommen liegt nach dem ersten Halbjahr mit 13,9 Prozent unter dem Vorjahreswert (Mitte April noch -21,1 Prozent). Umsatzgewinne verbuchte das Kinder- und Jugendbuch. Diese und weitere Wirtschaftszahlen stellte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels heute vor.
Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins, äußert: „Die Corona-Pandemie hat die Buchbranche wirtschaftlich schwer getroffen, aber auch große Energie freigesetzt. Die Mitarbeiter*innen in Buchhandlungen und Verlagen haben angepackt und mit viel Kreativität Lieferservices und Online-Veranstaltungen ins Leben gerufen. Daneben kam dem Buchhandel zugute, dass er mit seinen Online-Shops schon lange gut aufgestellt ist. So zeigen sich die deutschen Buchhandlungen und Verlage als zuverlässige Partner für die Versorgung mit Büchern. Viele Verlage sahen sich allerdings aufgrund der fehlenden Vermarktungsmöglichkeiten gezwungen, Neuerscheinungen zu verschieben oder ganz ausfallen zu lassen – einen großen Teil davon machen Titel von unbekannten Autor*innen und Nischentitel aus. Das ist ein Alarmsignal, denn es gefährdet die literarische und kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft.“
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, meint „Verlage und Buchhandlungen leisten einen wesentlichen Beitrag für die Zukunft unserer Gesellschaft, das hat die Krise bewiesen, weil die Menschen gerade hier das Buch zu schätzen wissen. Auf dem Weg aus der Krise heraus und in der Zeit danach stellen sich neue Fragen über die Zukunft der Gesellschaft. Die Buchbranche möchte dazu mit ihren Inhalten Impulse setzen, Informationen geben und Debatten fördern. Die große Nachfrage nach Kinder- und Jugendbüchern in den vergangenen Monaten macht deutlich, dass Bücher in Krisenzeiten auch in diesem Bereich eine wichtige Funktion übernehmen: Sie bieten nicht nur Beschäftigung, sondern ermöglichen auch Bildung und geben Halt. Die Politik würdigt das Engagement der Buchbranche, indem sie sie in der Krise umfangreich unterstützt hat – mit effektiven Soforthilfen, der schnellen Wiedereröffnung der Buchhandlungen und einem umfangreichen Kulturförderprogramm. Wir danken besonders Kulturstaatsministerin Monika Grütters für ihren Einsatz.
Um auch künftig einen Beitrag für die Gesellschaft leisten zu können, braucht das Buch vor allem zweierlei: Sichtbarkeit und starke Rahmenbedingungen. Das Gespräch über Bücher muss breiter geführt und lauter werden – gerade in den Medien und insbesondere im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zudem benötigen wir ein starkes Urheberrecht und Verlage müssen baldmöglichst wieder an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden – wir appellieren an die Bundesregierung, endlich ihr Versprechen wahr zu machen und zügig eine gesetzliche Regelung dazu zu schaffen.“
Corona-Bilanz in Buchhandel und Verlagen
Die mehrwöchigen Ladenschließungen hinterließen bei den Buchhandlungen große Umsatzverluste. In den Kalenderwochen 13 bis 16 (23. März bis 19. April), in denen bis auf Berlin und Sachsen-Anhalt in allen Bundesländern die Buchhandlungen geschlossen hatten, lag der Umsatz 65,7 Prozent unter dem des Vorjahreszeitraums. Über alle Absatzwege hinweg (inkl. Bahnhofsbuchhandel, Kauf- und Warenhaus, Elektro- und Drogeriemarkt sowie E-Commerce) ging der Umsatz im selben Zeitraum um 46,0 Prozent zurück. Interessant: Der umsatzstärkste Tag zwischen März und Mai 2020 war der 17. März, kurz vor Beginn der Schließungen, an dem sich die Menschen noch großzügig mit Büchern eindeckten. Zum Zeitpunkt der Wiederöffnung hatte sich bei den Buchhandlungen vor Ort von Januar bis Mitte April ein Umsatzminus von 21,1 Prozent aufgebaut, über alle Absatzwege hinweg ein Minus von 14,9 Prozent. Seit der Wiedereröffnung der Läden reduziert sich dieses Minus kontinuierlich. In der Halbjahresbilanz lag das Kinder- und Jugendbuch mit einem Umsatzplus von 3,6 Prozent bereits über dem Vorjahr.
Verlage verzeichneten durch die Ladenschließungen sowie die Absage von Veranstaltungen wie Lesungen und Messen ebenfalls deutliche Umsatzeinbußen und haben ihre Programmplanung angepasst. Laut einer Umfrage des Börsenvereins unter seinen Mitgliedern verzeichneten die Verlage in Deutschland während der Schließung der Buchhandlungen einen Umsatzrückgang von 30,9 Prozent, von Januar bis Mai zusammen betrachtet von 14,5 Prozent. Mehr als die Hälfte der befragten Verlage gab an, Titel ins nächste Jahr verschoben zu haben. Knapp 36 Prozent der Befragten sagten aus, dass manche geplanten Titel nun gar nicht erscheinen werden, ein großer Teil davon von unbekannten oder unentdeckten Autor*innen.
Rückblick: Das Jahr 2019
Der Umsatz der Buchbranche stieg 2019 um 1,7 Prozent auf 9,29 Milliarden Euro. Der stationäre Buchhandel blieb mit 4,29 Mrd. Euro Umsatz und einem Anteil von 46,2 Prozent am Gesamtmarkt der größte Vertriebsweg für Bücher. Die Läden vor Ort legten beim Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 0,4 Prozent zu. Stärker wuchs der Umsatz des Internet-Buchhandels, unter den auch das Online-Geschäft der stationären Händler*innen fällt: Über die Online-Shops machte der Buchhandel mit 1,86 Mrd. Euro 4,2 Prozent mehr Umsatz als 2018, was einem Marktanteil von 20,0 Prozent entspricht.
Die Zahl der Buchkäufer*innen auf dem Publikumsmarkt ging 2019 nach einem Anstieg im Jahr 2018 (+300.000) wieder zurück: 28,8 Millionen Menschen kauften im vergangenen Jahr mindestens ein Buch, das sind 3,5 Prozent weniger als 2018 (29,9 Millionen). Die Menschen, die Bücher kauften, erwarben aber im Schnitt mehr Bücher: Die Kaufintensität stieg von durchschnittlich 12,0 Büchern pro Käufer*in im Jahr 2018 auf 12,3 Bücher im Jahr 2019.
Weitere Kennzahlen von 2019:
Bei den Warengruppen verzeichneten Sachbücher (+4,9 Prozent) erneut den stärksten Umsatzzuwachs.
Ebenfalls im Plus lagen Kinder- und Jugendbücher (+4,6 Prozent) und Ratgeber (+3,0 Prozent).
Die Belletristik lag mit einem Minus von 0,8 Prozent leicht unter Vorjahresniveau.
Die Zahl der Erstauflagen der Verlage ging von 71.548 Titeln (2018) auf 70.395 zurück.
Der Anteil der Übersetzungen an den Erstauflagen stieg leicht von 13,7 Prozent (2018) auf 13,9 Prozent.
Insgesamt erschienen im Jahr 2019 9.802 aus anderen Sprachen übertragene Titel (2018: 9.803).
Der Lizenzverkauf ins Ausland ging mit 7.747 Titeln leicht zurück (2018: 7.844 Titel).
Der Umsatz der E-Books am Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) lag 2019 mit einem Plus von 0,6 Prozent und einem gleichbleibenden Umsatzanteil von 5,0 Prozent am Publikumsmarkt in etwa auf Vorjahresniveau.
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© bessunger-buchladen.de
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Quellen und weitere Informationen
Die Zahlen zu den Anteilen und Umsatzveränderungen der Warengruppen sowie zur Umsatzentwicklung 2020 stammen aus dem Handelspanel von Media Control. Die Käuferzahlen sowie Hochrechnungen der E-Book-Absätze und -Umsätze stammen aus dem GfK Consumer Panel Media*Scope Buch. Die Fakten zu den Auswirkungen der Coronakrise auf Verlage hat der Börsenverein in einer Umfrage unter seinen Mitgliedern erhoben.
Zahlen und Daten des Buchmarkts 2019 werden zusammengefasst in der Publikation „Buch und Buchhandel in Zahlen 2020“, die vom Börsenverein herausgegeben und im August veröffentlicht wird.
Quelle: Boersenverein des Deutschen Buchhandels