Serie: 65. Frankfurter Buchmesse 2013, vom 9. bis 13. Oktober, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auf der Buchmesse findet sich nur noch zurecht, wer all die englischen Spezialausdrücke beherrscht, abgesehen davon braucht man eigentlich keine Messe mehr, denn das Internet übernimmt massiver als wir angesichts der Buchpreisbindung glauben, das Lesen von Büchern, so die provokante These des Gastes Ralph Möllers.
Dieser betreibt eine Plattform „flipintu“, die in der Lage sein soll, nach einigen Stichworten, dem Leser genau die neuen Bücher anzubieten, die in seinem Interesse liegen. Er braucht nur noch anzuklicken und die Post bringt sie. Also doch, auch hier übers Internet immer noch Papierbestellung. Möllers will damit Amazon den Rang ablaufen, die ja keine digitale Buchhandlung seien, sondern mit dem Buchangebot eigentlich nur Käufer für andere Waren lockten. Möllers steuerte zu obigen Thesen nur die letztere bei, er meint, daß sich das Buch zukünftig nur noch „in der Ecke des Kunsthandwerks“ wiederfindet, also da, wo es wie bei Kunstbänden im Besonderen, auch um die äußere Gestalt und Gestaltung geht. Dafür brauchte er aber sehr viele Worte, so wie traditionell eben all die Redner am Mikrophon, war aber hilflos, als er mit seinem Lesegerät technisch in der Anwendung nicht zurecht kam. Eigentlich wirkte diese Kombination von verbalem Anspruch und vorgeführter Wirklichkeit, verbunden mit sehr vielen englischen Ausdrücken, die von der Buchmesse und dem Internet entnommen waren, wie eine Parodie, sie waren aber ernst gemeint.
Ernst meinte es auch Buchmessendirektor Juergen Boos, wenn er von „einer neuen Gründerzeit im internationalen Publishing“ spricht. Wenn er dann gleich die Gründerzeit auf 1814-1914 verlegt, meinte er wohl eher die Industrialisierung, die das 19. Jahrhundert beschleunigte, bezog sich aber ausdrücklich auf die gründerzeitlichen Bauten; die allerdings fallen in den Historismus nach der Reichsgründung 1871, wo wild alle möglichen Stile der Vergangenheit gemixt – eklektizistischer Stil - wurden, schlicht aus der Tatsache heraus, daß man für die eigene Zeit – anders als alle Zeiten vorher und auch später - keine eigene Formsprache fand. Gründerzeit eben auch deshalb, weil nach der Reichsgründung die Unternehmen aus dem Boden schoßen. Wenn Boos dann wieder vom Gründergeist spricht, der zum rasanten Anstieg von „Start-up“ Unternehmen führe, so bezieht er sich auf die beschleunigte Entwicklung von neu auf den Markt drängenden Unternehmen im Buchsektor, die seit 2012 zu beobachten sei. „Schon 2012 wurde in den USA das 'Jahr der Start-ups“ ausgerufen.“
Die Buchmesse soll wie ein Wahlkampf erscheinen, den die Bundesrepublik in seinen Augen vor der Bundestagswahl vermissen lassen, weil hierzulande nach Sloterdijk „eine chronische Duldungsstimmung“ herrsche. Dagegen seien vor allem auf internationaler Ebene die Veränderungen so einschneidend wie nie und ein „erfrischender Gründergeist“ festzustellen. Die Buchmesse ist darum für all die besonders interessant, die ein Geschäft neu beginnen wollen und Investoren schon gefunden haben.
Die Frankfurter Buchmesse bleibt der Welt größte und bedeutendste Buchmesse. Leicht zurückgegangen sind die Ausstellerzahlen. Dabei wird mit 7 100 aus rund 100 Ländern gerechnet, wobei auch im letzten Jahr in den Tagen zuvor noch weitere neue Anmeldungen kamen. Boos rechnet mit 250 000 Besuchern (in der schriftlichen Fassung der Rede) , bzw. ist zufrieden, wenn diese kommen, schließt aber (mündlich) auch 300 000 nicht aus. Im letzten Jahr waren es 281 000 Besucher. Dabei verschieben sich die Besucheranteile ersichtlich. Die Buchmesse, die früher bis Montag, nun nur noch bis Sonntag dauert, ist in den Tagen von Mittwoch bis Freitag eine reine Fachmesse, also nur für Buchhändler, Verleger, Literaten, Übersetzer und alle die, die mit dem Buch zu tun haben, geöffnet. Traditionell war sie am Wochenende dann für das allgemeine Publikum eine echte Büchermesse, auf der nicht nur die Bücher, sondern das Erscheinen und Lesungen von Autoren eine große Rolle spielen. Fortsetzung folgt.
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