Verlagsgebaude von Hoffmann Campe in Hamburg 1Der Verlag Hoffmann und Campe stellte eine neue, aber altbekannte Autorin vor

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sie ist eine bemerkenswerte Erzählerin. Doch ihrem Schreiben fehlen das Künstlerische und die humane Perspektive.

Die Rede ist von Monika Maron. Ihr bisheriger Verlag, S. Fischer in Frankfurt am Main, hatte sich von ihr im Oktober dieses Jahres getrennt. Erst spät, vermutlich zu spät, wie die fachkundigeren unter den Feuilletons konstatierten.

Maron zieht in ihrem 2018 veröffentlichten Roman „Munin oder Chaos im Kopf“, Parallelen zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Deutschland der Gegenwart und macht das vor allem an der sogenannten Flüchtlingskrise sowie am fundamentalistischen Islam vieler Einwanderer fest. Die Autorin offenbart darin einen Kulturpessimismus, der ausschließlich auf Vorurteilen gründet. Es hat den Anschein, dass sie ihn sich in den Zentralorganen der ewig Gestrigen angelesen hat: Von „Neue Zürcher Zeitung“ über „Junge Freiheit“ bis „Welt“.

Auch in ihrem neuen Roman „Artur Lanz“ zeigt sie, dass sie politisch aus zweiter Hand lebt, dass sie den populistischen, gar völkischen Deutungsversuchen des rechts-konservativen bis neu-rechten Lagers erlegen ist und all überall die Seilschaften eines konstruierten Mainstreams sieht, der abweichende Meinungen unterdrückt. Im konkreten Fall die Leugnung der Klimaveränderung, die für die Titelfigur zur Bewährungsprobe wird, an der sie über sich hinaus- und zum modernen Helden heranwächst.

Fischer hätte die Manuskripte ablehnen sollen, denn Marons neuere Titel wirken wie Fremdkörper in einem Programm, das ansonsten seriöse Information, gehobene Unterhaltung und ambitioniert Literarisches anbietet. Immerhin rückte der Verlag schließlich ab von den vorher verlautbarten unverbindlichen Danksagungen an seine Autorin, mit der er über vierzig Jahre verbunden war. Siv Bublitz, die Verlagsleiterin, benannte den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Nämlich die immer engere Zusammenarbeit von Monika Maron mit dem „BuchHaus Loschwitz“ in Dresden und deren Inhaberin, der Buchhändlerin Susanne Dagen. Die trommelt seit Jahren für Pegida und hält freundliche Gespräche mit dem österreichischen Neonazi Martin Sellner (Kopf der dortigen „Identitären Bewegung“) für schick. Zum Profil des Hauses gehört auch die Lesereihe "Aufgeblättert, zugeschlagen - Mit Rechten lesen", die von Ellen Kositza moderiert wird und in der auch Maron auftrat. Im Eigenverlag der Buchhandlung veröffentlichte Monika Maron einen schmalen Essayband mit dem Titel „Exil“, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch an S. Fischer vertraglich gebunden war.

Ellen Kositza ist die Ehefrau von Götz Kubitschek, dem Eigentümer des neu-rechten Antaios Verlags und Mitgründer des „Instituts für Staatspolitik - IfS“, einer „Denkfabrik“, deren Ziel die Bildung „geistiger Eliten“ ist. Dafür setzt das IfS gezielt auf „konservative Bildungsarbeit“ und knüpft Verbindungen zwischen verschiedenen rechten Strömungen, die derzeit in der AfD münden.

Möglicherweise ist Monika Maron nach den ersten Schlagzeilen, welche die Kündigung durch S. Fischer kommentierten, aufgegangen, dass eine ausschließliche Bindung an das „BuchHaus Loschwitz“ oder gar an den Antaios Verlag zum unkalkulierbaren Risiko geworden wäre. Deswegen waren zumindest die Insider nicht verblüfft, dass sie eine neue verlegerische Heimat suchte. Die hat sie nun beim traditionsreichen Hamburger Verlag Hoffmann und Campe gefunden, der zur Ganske-Gruppe zählt (u.a. Gräfe und Unzer, Merian, Polyglott, Jahreszeiten-Zeitschriftenverlag).

Die gesamte Buch- und Verlagsbranche möchte nun seit Tagen angesichts der erwähnten Vorgeschichte wissen, wie Hoffmann & Campe-Verleger Tim Jung die Bindung an Monika Maron begründet. Und ob er deren offensichtlichen Schwenk nach rechts für vereinbar hält mit dem bislang zumeist aufklärerischen und liberalen Buchprogramm. Doch wer den Versuch unternimmt, Tim Jung zu einer Stellungnahme zu bewegen, erhält lediglich freundlich formulierte schriftliche Absagen. Etwa diese: "Wir merken, dass nach der sehr umfangreichen Berichterstattung in den Feuilletons zum Verlagswechsel und über die Personalie Monika Maron in den letzten Tagen bzw. Wochen der Ruf nach einem Gespräch über Literatur immer stärker wird. Das geht uns auch so, weshalb wir auf ein Interview derzeit verzichten möchten."

Lässt eine Auskunft wie diese darauf schließen, dass der interne Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen ist? Hat man möglicherweise aus dem Echo gelernt, das auf die Trennung von Birgit Schmitz vor einem Jahr vor allem seitens der Autoren folgte? Immerhin galt sie als Garantin für zeitgemäße Titelfindung und beste Autorenpflege. Oder gilt der Satz von Durs Grünbein, der in der „Zeit“ anlässlich des Marons Rausschmiss bei S. Fischer behauptete: „Wir müssen wieder lernen, über Texte zu reden, nicht über Haltungen.“ Gibt es denn einen Unterschied zwischen Text und Haltung, spiegelt sich nicht im Text die Haltung seines Verfassers? Und wäre es nicht eine Bewusstseinsspaltung, wenn ein Autor das schriebe, was er nicht für richtig hält? Man könnte eine solche Einstellung beim seinerzeitigen Suhrkamp-Lektorat vermuten, als es sich für Uwe Tellkamps „Der Turm“ entschied. Tellkamp war damals bereits einer rechten Gesinnung verdächtig. Mittlerweile zählt er zu Susanne Dagens Unterstützern. Sein neuer Roman "Lava" ist, nachdem er mehrmals verschoben wurde, für 2021 angekündigt. Man darf noch Wetten darauf abschließen, ob er überhaupt kommen wird. Auch Verlage bedürfen eben einer Haltung. Ihre Leser merken das sehr schnell.

Bereits Heinrich Heine, dessen Freiheitssinn Monika Maron jetzt beschwört, lag mit seinem Verleger Campe über Kreuz. Von dem Dichter ist der Ausspruch überliefert: „Der Weg von Ihrem Herzen zu Ihrer Tasche ist sehr weit.“ Er versinnbildlicht ihr ewiges Streitthema, nämlich die Honorare. Dass Heine dennoch Julius Campe trotz dessen „Knickereyen“ treu blieb, hatte nicht nur mit ihrem freundschaftlichen Verhältnis zu tun. Campe verstand es, die Zensur geschickt zu umgehen. Manchmal änderte er den Verlagsnamen in den Druckfahnen, die vor Drucklegung einzureichen waren, oder gab einen Verlagssitz in Dänemark an. Das Verhältnis von Autor und Verleger war von Vertrauen in die untadelige Haltung des jeweils anderen geprägt. Anscheinend aber sind das Tugenden von gestern.

Foto:
Verlagsgebäude von Hoffmann & Campe in Hamburg
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