Bildschirmfoto 2021 01 08 um 02.16.58Serie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 30

Felicitas Schubert

München (Weltexpresso) – Ein Leser schrieb, ob hier die Männer über Männerromane und die Frauen über Frauenromane schreiben. Mal ganz abgesehen davon, daß der Begriff Frauenroman noch mehr als Männerroman ein spezieller ist, der nicht abgedeckt ist dadurch, daß die Hauptpersonen Männer oder Frauen sind. Heute auf jeden Fall sind wieder einmal die Hauptprotagonisten Männer, von denen zwei Männer schreiben, und in denen es um historische Figuren Theo van Gogh und Thomas Bernhard geht, über die aber eine Frau schreibt.

EIN GUTES HERZ von Leon de Winter

Also, das ist ein Roman, den man zur guten Unterhaltung wegen seines Esprit, Courage, Ironie, auch Witz mit bestem literarischen Gewissen empfehlen kann. Ein amüsantes, gleichwohl nicht oberflächliches Werk, bei dem es aber nicht schlecht ist, sich die historische Ausgangssituation ins Gedächtnis zu rufen. Das ist der Mord am holländischen Filmregisseur Theo van Gogh, an den ich mich noch gut erinnere, aber erschrecke, daß das schon mim November 2004 war. Damals wurde der Urenkel des Bruders Vincent des berühmten Malers van Gogh durch einen islamischen Fundamentalisten ermordet.

Natürlich kommt er in den Himmel, dieser Theo van Gogh, nur steht es auf der Erde, insbesondere in den Niederlanden so schlecht, daß himmlische Hilfe dringend nötig ist und der junge Haudegen van Gogh die Mission erhält, auf der Erde, in den Niederlanden nach dem Rechten zu schauen und als Schutzengel zu fungieren. Das ist jetzt sehr grob wiedergegeben, denn das Raffinierte an dem Roman ist die Verflechtung von Ereignissen, Zeiten, Personen, die einen manchmal einen Krimi zu lesen denken lassen, ein andermal ein Liebesspiel, ein andermal religiöse Versuchsanordnungen oder auch politisch läßt sich das Ganze gut deuten.

Doch viel Subtileres steckt noch dahinter. Denn de Winter hatte zeitlebens viel Ärger mit van Gogh und umgekehrt. Der Erfolgreichere war de Winter, dem van Gogh vorwarf, aus dem Tod seiner Familie durch die KZs Kapital zu schlagen, was de Winter auf andere Weise zurückgab. Wie er nun de Gogh im Roman agieren läßt und sich die Rolle des etwas lächerlichen Trottels zuweist, das hat schon was. Die eigentliche Geschichte nimmt den Anfang mit dem marokkanischen Fußballteam, blutjunge Kerle, die aber gar nicht den Fußball im Visier haben, sondern sich dahinter als Attentäter verstecken, weshalb der Schutzengel van Gogh so wichtig wird.

Auch mit dem Abstand von ein paar Jahren, war das Vergnügen des Wiederlesens groß.



TAU von Thomas Mulitzer

Und auch hier haben wir einen amüsanten Roman, der an die Wirklichkeit andockt, aber auf einem anderem Gebiert, dem der Literatur. Es schadet nicht, nein, es nützt außerordentlich, wenn einem der auch nun schon so lange tote Thomas Bernhard gut bekannt ist. Der ist nämlich am 9. Februar 1931 in den Niederlanden geboren worden, was nicht viele wissen, auch nicht, daß sein erster Vorname Nicolaas lautet. Seine Mutter war dorthin als Haushaltshilfe gegangen, sein Vater war ebenfalls Österreicher und schon nach einem halben Jahr kam er in sein Heimatland zurück - zu den Großeltern, gestorben ist er am 12. Februar 1989 – und das glaubt man kaum, wenn man rechnet, daß dies 32 Jahre sind.

Deshalb, weil er als Person, kauzig, kantig, k(g)ratlinieg, und als Schriftsteller einer war, der allein am Sprachfluß, dem Sound eben sofort herauszuhören war, den er schon bald beherrschte und in den so tief das österreichische Grantlertum eingegangen ist, daß es nur so eine Freude ist. Letzteres gilt eben erst recht für sein Leben und seine Kommentierung dessen.

Wenn nun noch dazukommt, daß Thomas Mulitzer seinen Debütroman ausrichtet am Debütroman von Thomas Bernhards FROST, wird‘s rätselhaft. Dabei ist es ganz einfach. Denn Mulitzer kommt aus einem Nachbarort und auch seine Familie führt einen Gasthof wie die Großeltern von Bernhard in Weng. Frost ist ein Tagebuchroman, der im Gasthof. der Großeltern spielt und auch Mulitzer fängt an: Erster Tag, Zweiter Tag ...In FROST muß ein junger Mann in den Gebirgsort Weng fahren und dort den Maler Strauch beobachten. Das will sein Chef in Pongau, der dessen Bruder ist.

Auch der Icherzähler in TAU kommt nach Weng, auch er im Auftrag, eines Professors namens Lavie, auch er soll beobachten, allerdings ist das Beobachtungsobjekt Thomas Bernhard, besser, seine Fama, seine nachgelassene Aura, ob und wie sie noch zu spüren ist. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die der Autor Mulitzer in Verehrung von Thomas Bernhard prima löst.

Foto:
Cover

Info:
Leon de Winter, Ein gutes Herz, Diogenes Verlag 2013
ISBN 978 3 257 06877 1

Thomas Mulitzer, Tau, Verlag Kremayr & Scheriau 2017
ISBN 978 3 218 01080 1