fox darkSerie: DIE KRIMIBESTENLISTE im Januar 2021 , Teil 1

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Da bleibt einem der Mund offen stehen. Im Dezember waren wir - wie den sechs Artikeln anzumerken war - mit der Liste ganz schön zufrieden, hatten aber das uns liebste Buch, das auch neu war, noch gar nicht besprochen. Wie gut!! Denn das neue Jahr tauschte die Krimis auf der Liste fast gänzlich aus. Sieben neue Krimis von den zehn! So schnell kommen wir natürlich nicht nach, werden unser Bestes geben und lesen und lesen und den Monat über besprechen und hoffen, daß die Februarliste uns nicht wieder so überfordert. Nicht nur uns, auch den normalen Krimileser, der sich an der Liste orientiert.

Zuerst noch einmal die Ausgangssitutation, daß die Krimibestenliste nicht mehr von der Frankfurter Sonntagszeitung veröffentlicht wird, die nicht realisiert, wieviel ihr damit an Renommee entgeht. Aber jede Träne darüber ist von gestern, es geht vorwärts mit dem Deutschlandfunk Kultur, die seit jeher die Liste im Rundfunk veröffentlicht. Immer am ersten Freitag im Monat. Der diesmal wegen des Feiertags der 8. Januar war. Aber seien wir froh, daß die Jury so arbeitet wie zuvor und wir die Liste veröffentlichen können. Für die Besprechungen der neuen Krimis - also sieben! - brauchen wir noch Zeit. Aber von den dreien, die auf der Liste überlebten, sind bisher nur zwei besprochen worden:
Denis Mina, GÖTTER UND TIERE von Platz 1 im Dezember auf Platz 3  und
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20680-platz-1-denise-mina-goetter-und-tiere-ariadne-im-argument-verlag
Mick Herron, REAL TIGERS von Platz 4 im Dezember auf Platz 7
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20733-real-tigers-von-mick-herron-von-diogenes-auf-platz-4

Von daher wird morgen die Besprechung des wirklich tollen Krimis MARSEILLES 73 von Dominique Manotti folgen. Und dann wiederum folgen die Krimis, die im Januar 'abgewickelt' wurden, einmal wegen Zeitablauf, dann aber auch, weil die neuen Krimis die alten überrollt haben. 
Bei der neuen Liste fällt beim Überfliegen schon auf, daß der Suhrkamp Verlag von den sieben Neulingen allein drei beiträgt, das ist außerordentlich und erwähnenswert.
Candice Fox' DARK , eine Übersetzung der australischen Autorin aus dem Englischen, deren Plot in Los Angeles spielt.  
Tim MacGabhann, DER ERSTE TOTE, ebenfalls aus dem Englischen  übersetzt, wobei hier der Autor in Irland aufgewachsen, heute in Mexiko lebt, wo die Handlung auch spielt.
David Whish-Wilson, DAS GROSSE AUFRÄUMEN. Auch hier handelt es sich um eine Übersetzung aus dem Englischen. Der Autor ist Australier und seine Geschichte handelt auch dort.

Bei den dreimaligen Übersetzungen aus dem Englischen fällt uns auf dieser Liste erst auf, daß überhaupt kein deutscher Titel, kein deutscher Autor, keine deutsche Autorin vertreten ist. Es muß sehr sehr lang zurückliegen, daß so etwas auf der Krimibestenliste vorkam und die deutschen Krimischriftsteller sollten dies diskutieren. Daß von zehn Auswahltiteln insgesamt acht Kriminalromane aus dem Englischen übersetzt sind, ist einfach derart einseitig, daß einem dazu nicht mehr viel einfällt. Wir hatten oft genug darauf verwiesen, daß wir nur noch durch die englische Brille den Blick auf Verbrechen und ihre Aufklärung lenken, was ja heißt, daß alle anderen Gesellschaften in Europa, Asien, Afrika, Lateinamerika nicht mehr in unseren Blick geraten, denn es zeichnet die Kriminalromane ja aus, das aus ihnen die Verfaßtheit der jeweiligen Gesellschaft deutlich wird, was uns entgeht. Daß zudem die skandinavische Krimi-Literatur zu den meistgelesenen gehört, aber so gut wie nie auf der Bestenliste vorkommt, Zu den acht englischen/amerikanischen/australischen Titeln kommen übrigens ein französischer und ein tschechischer Autor. 


Fortsetzung folgt


DIE KRIMIBESTENLISTE JANUAR 


1 (–) Candice Fox: Dark
Aus dem Englischen von
Andrea O’Brien.
Suhrkamp, 394 Seiten, 15,95 Euro
Los Angeles. Irgendwo ist die Beute von einem Bankraub versteckt. Aber das spielt
erstmal keine Rolle, denn die Tochter der Diebin Sneak ist verschwunden. Vier
Frauen, eine Ärztin und verurteilte Mörderin, eine Detective, eine Gangsterin und
die Mutter suchen sie. Im Dunkel des Sunshine State. Rabiat.


2 (2) Dominique Manotti: Marseille 73
Aus dem Französischen von Iris Konopik.
Ariadne im Argument Verlag,
400 Seiten, 23 Euro
Als ein verrückter Araber einen Busfahrer ersticht, legen die Fremdenhasser los.
Malek, 16, Berufsschüler, wird niedergeschossen. Commissaire Daquin und sein
Team agieren taktisch klug, fast allein gegen Ausländerhass, Mordwut, Verlustangst,
Rassisten im Apparat. All das gab es schon in Marseille 1973.


3 (1) Denise Mina: Götter und Tiere
Aus dem Englischen von Karen Gerwig.
Ariadne im Argument Verlag,
352 Seiten, 21 Euro
Glasgow. Ein Raubüberfall mit Todesopfer, ein alternder Labour-Politiker in Seitensprung-Kalamitäten, Polizisten mit Bergen von Bestechungsgeld, ein moralisch
unsicherer Erbe – alles ganz normal. Die Serie um Detective Alex Morrow: das hellwache Porträt einer starken Frau und ihrer chaotischen Stadt.


4 (–) Tim MacGabhann:
Der erste Tote
Aus dem Englischen von Conny Lösch.
Suhrkamp, 274 Seiten, 15,95 Euro
Poza Rica, Mexiko. Blutiges Erdöl. Der irische Journalist Andrew und der Fotograf
Carlos stolpern über einen massakrierten Öko-Aktivisten. Als auch Carlos ermordet
wird – von einem Polizisten –, überwindet Andrew seine Angst und recherchiert:
Staat & US-Konzerne vereint gegen Natur und Indigene.


5 (–) Robert Galbraith: Böses Blut
Aus dem Englischen von Wulf Bergner,
Christoph Göhler, Kristof Kurz.
Blanvalet, 1194 Seiten, 26 Euro
London, England. Strike und Robin haben einen Cold Case: Vor 40 Jahren verschwand eine Ärztin.
Ein Serienmörder ist verdächtig, jetzt will die Tochter Wahrheit. Ergebnis wie Lösungsweg können Vorurteile Hegenden
nicht gefallen. Galbraith seziert Beziehungszwänge. Gekonnt weitschweifige Bösartigkeit.


6 (–) Samantha Harvey:
Westwind
Aus dem Englischen von Steffen Jacobs.
Atrium, 382 Seiten, 22 Euro
„Oakham“, Somerset 1491. Der reichste Mann des ärmsten Dorfes ist tot, der Dekan
steckt seine Nase in alle Ritzen, Pfarrer John Reve möchte nicht „Richter und
Sheriff“ zugleich sein. Als ließe sich die Zeit zurückdrehen, erzählt Reves Ich vier
Tage rückwärts: Scham, (geistige) Armut, Lügen.



7 (4) Mick Herron: Real Tigers
Aus dem Englischen von
Stefanie Schäfer.
Diogenes, 480 Seiten, 18 Euro
London. Ein angeheuertes „Tiger-Team“ greift testhalber den Geheimdienst MI5
an. So der trickreiche Plan. Was aber, wenn die Tiger real sind? Jackson Lambs
Agenten, eigentlich auf dem Abschiebegleis, zeigen, was sie draufhaben. Halsbrecherische Satire auf die eitle Upper Class und ihre Spy-Bürokratie.



8 (–) Nicci French: Eine bittere Wahrheit
Aus dem Englischen von
Birgit Moosmüller.
C. Bertelsmann, 506 Seiten, 16 Euro
„Okeham“, England. Tabitha ist in das Dorf ihrer Jugend zurückgekehrt, hat den
Lehrer von damals tot im Schuppen gefunden und sitzt jetzt unter Mordanklage in
Untersuchungshaft: depressiv, von Medikamenten benebelt, sich selbst verteidigend
ohne Beistand. Psychologisch fein, leise Spannung.


9 (–) Iva Procházková: Die Residentur
Aus dem Tschechischen von
Mirko Kraetsch.
Braumüller, 573 Seiten, 24 Euro
Prag. Junge Tschechen im Widerstand gegen Eltern und Subordination unter Großrussland, bewaffnet für die Unabhängigkeit der Ex-Sowjetrepublik „Kasmenien“.
Mischung aus Familien-, Gesellschafts- und Spionageroman mit satirischen Pfeilen
in alle Richtungen, besonders gegen postsowjetische Duckmäuserei.



10 (–) David Whish-Wilson:
Das große Aufräumen
Aus dem Englischen von Sven Koch.
Suhrkamp, 327 Seiten, 10 Euro
Perth 1983. Ex-Superintendent Swann, jetzt Privatdetektiv, soll dem neuen Premier
die unsauberen Wege ebnen. Mit und gegen Bikerclubs, korrupte Polizeibanden,
lokale Gangster, Baulöwen und Spindoctors. Swann verfolgt seine eigene Agenda:
treu, mit leichten Skrupeln, kompromisslos clever und rau.



Die Krimibestenliste, wo kann man sie lesen, wer erstellt sie, wo wird sie veröffentlicht?

WO? außerhalb von WELTEXPRESSO
Die Krimibestenliste auf Deutschlandfunk Kultur
www.deutschlandfunkkultur.de

Die Krimibestenliste erscheint  nicht mehr am ersten Sonntag des Monats: www.faz.net
Die zehn besten Kriminalromane der Monate in 2021 sind allerdings noch nicht einmal über online verfügbar. In der Vergangenheit veröffentlichte die FAS, die Sonntagszeitung der FAZ, an jedem ersten Sonntag im Monat die jeweilige Liste im Feuilletonteil. Leider gibt es die Liste ab 2021  noch nicht einmal  im FAZ-Internet. Ob die FAZ und FAS wissen, welche Einbuße sie damit bei Krimilesern erfahren? Da muß man froh sein, daß der Deutschlandfunk Kultur die Kriminalromane als anspruchsvolles Genre noch nicht aufgegeben hat, sondern weiterhin jeden ersten Freitag im Monat die neue Liste bringt, die wir sobald wir können, nachdrucken. 

An jedem ersten Freitag des Monats geben also 19 Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Die Krimibestenliste war nach demeine Kooperation der Frankfurter Allgemeinen mit Deutschlandfunk Kultur, der Sender, der nun die Krimibestenliste alleine veröffentlicht und trägt. Das wäre schon für die Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt ein Argument, den Rundfunkgebühren zuzustimmen.

Die Jury:
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury |
Volker Albers, „Hamburger Abendblatt“ |
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, BR |
Gunter Blank, „Rolling Stone“ |
Thekla Dannenberg, „Perlentaucher“ |
Hanspeter Eggenberger, „Tages-Anzeiger“ |
Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung“ |
Jutta Günther, „Radio Bremen Zwei“ |
Sonja Hartl, „Zeilenkino“, „Culturmag“, „Deutschlandfunk Kultur“ |
Hannes Hintermeier, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ |
Peter Körte, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ |
Alf Mayer, „Culturmag“, „Strandgut“ |
Kolja Mensing, „Deutschlandfunk Kultur“ |
Marcus Müntefering, „Der Spiegel“ |
Ulrich Noller, „Deutschlandfunk Kultur“, „Deutschlandfunk“, SWR, WDR |
Frank Rumpel, SWR |
Ingeborg Sperl, „Der Standard“ |
Sylvia Staude, „Frankfurter Rundschau“ |
Jochen Vogt, „NRZ“, „WAZ“

Foto:
Cover

Info:
Besprechungen der Krimibestenliste im Dezember 2020
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20678-goetter-und-tiere-von-denise-mina-von-ariadne-weiterhin-auf-platz-
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20679-platz-6-eric-plamondon-mit-taqawan-aus-dem-lenos-verlag
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20680-platz-1-denise-mina-goetter-und-tiere-ariadne-im-argument-verlag
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20735-die-guten-krimis-von-gestern-annas-rendon-steph-cha-u-a
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20733-real-tigers-von-mick-herron-von-diogenes-auf-platz-4
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20894-platz-9-und-10-ungewoehnliche-amerikanische-verbrecher-damals-1919-und-heute