Serie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 34
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tja, eigentlich sollten beide Romane, die auch Kriminalromane sind, in einen Artikel gesperrt werden, aber das TAMTAM hat kräftig getrommelt und sich einen eigenen Artikel herbeigeschrieben. Das haben DEINE GRÜNGOLDENEN AUGEN ...erst recht verdient, die nicht nur dreimal so viele Wörter haben, sondern darüberhinaus Wissenschaft und die (üblichen) Intrigen, Liebe, sowohl zum anderen, wie eigenen Geschlecht und dann auch noch den buddhistischen Weg in Nepal bieten.
Wie Deine grüngoldenen Augen leuchteten von Gerhard E. Feurle
Also, vielleicht das verrückteste Buch, das ich je gelesen habe, weil es aus lauter Teilen besteht, die irgendwie nicht zusammenpassen, aber doch zusammengehören. Erst die lang erzählte Geschichte im Wissenschaftlichen Institut, wo der nicht mehr junge Professor Raabsilber immer noch auf einer Zeitstelle sitzt und sich nach Anerkennung und Sicherheit durch eine feste Anstellung sehnt. Im Lauf der Geschichte lernen wir nicht nur den Wissenschaftler, sondern vor allem den hochgebildeten Menschen, nein, den Mann kennen, der voller Komplexe und Unsicherheiten steckt, deren größte ist, wen er nun liebt, die schöne verführerische Lioba, die ein Kind hat vom Sohn des Institutsleiters, der sich jedoch ohne Unterhaltszahlungen ins Ausland abgesetzt hat, weshalb der Vater Institutsleiter sie, die Wissenschaftlerin, auf die einzige freie feste Stelle gesetzt hatte – oder den smarten Max Anton, den Wuschelkopf mit den titelgebenden grüngoldenen Augen und der schönen Gestalt. Ihn hat Robert Raabsilber als Mitarbeiter eingestellt, denn er erhält von der Deutschen, nein nicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sondern der Deutschen Forschungsförderung sein Forschungsprojekt finanziert. Das war ein guter Griff, stellt sich später heraus, denn der junge Mann erfüllt alle wissenschaftlichen Anforderungen und arbeitet mit Leidenschaft auf kreativen Wegen.
Wir hatten Max Anton Kabina schon kennengelernt, als er in Kathmandu - ? - für ein halbes Jahr in einem Waisenhaus gearbeitet hat und dort tief in die buddhistischen Lebenshaltung eingetaucht war.
Der ganze erste Teil des Romans gehört dem Alltag in so einem Wissenschaftlichen Institut. Ja, genau so ist es ganz oft. Unfähige, ausgebrannte, auf ihre Position bedachte alte Männer als Chefs, die darauf achten, daß die jungen fitten Wissenschaftler nicht hochkommen, entweder nicht die entscheidenen Kongresse besuchen dürfen, wo sie durch Beiträge einen Namen bekämen, oder bei ihren Veröffentlichungen dann den Namen des Institutsleiters vor ihrem finden. Da müssen sie überhaupt noch froh sein, erwähnt zu werden.
Tatsächlich erinnert das Ganze von den Konflikten her an eine Fernsehserie, man kann sich alle Beteiligten allzu gut vorstellen. Daß man gleichzeitig auch mitgenommen wird bei der speziellen Forschung, wenn es um die erfolgreiche Isolierung und Reindarstellung der Substanz Baermin aus der Bäckerhefe geht, ist richtig interessant. Raabsilber aber kann auch populär, wenn er seinen geplanten Vortrag nennen will, wie man sein Gewicht reduzieren kann, obwohl der Stoff auch Leben verlängern kann.
Auch hier geht es um einen Kriminalroman, nur merkt man das eher gelegentlich. Zum Beispiel, wenn Raabsilber seine Zeitstelle beginnt, die er ja nur erhalten hat, weil der Amtsinhaber Professor Halm vor einem Jahr nach Nepal fuhr, aber nie mehr zurückkam. Er ist verschollen. Weshalb sich Raabsilber nun in dessen Reich einrichtet, die meisten Gegenstände stehen läßt, aber den roten ollen Teppich gegen eine beigen tauschen läßt. Dabei sieht er, daß auf der hellen Teppichunterseite ein sehr großer roter Fleck zu sehen ist, den man im Rot des Teppichs nicht ausgemacht hatte. Aha, Blut. Doch das analysiert er erst am Schluß, nachdem er nun am Anfang erst einmal den Fleck rausschneidet, aufhebt und versteckt.
Wie kommt es eigentlich zum Entschluß, gemeinsam nach Nepal in den Himalaya zu fahren und nach dem Verbleib Halms zu forschen? Der Gedanke geht von Olivia, der Tochter Halms, aus, die wissen will, was mit ihrem Vater geschah. Dem schließt sich ihre Tante Anganeta an. Beide bitten Max Anton mitzukommen, denn er kann Nepali, kann also übersetzen und obwohl Raabsilber eigentlich keine Lust hat, motiviert ihn dessen Dabeisein. Vielleicht kann er ihn unterwegs näher kennenlernen und dieser ihn vielleicht lieben lernen.
Der eigentliche Roman ist nun diese vierwöchige Tour, die Kabina von Europa aus mit Führung und allem Drumherum geordert hatte, die sie über die Berge im Himalaya zurücklegen, hoch und runter und immer mit den wenigen Einheimischen im Gespräch, die unterwegs in Einöden oder kleinen Dörfern leben – und glücklich sind mit dem wenigen. Sie alle sind Buddhisten und da ist das Glück sowieso etwas Spezielles. Wer bisher nicht viel über Buddhismus kannte, lernt die Praxis mitsamt vieler geschichtlicher und mythologischer Hintergründe kennen. Denn die Abende in Dunkelheit sind lang und da wird gegenseitig erzählt, so ausufernd, daß auch der Leser viel davon hat, manchmal mehr, als ihm lieb ist.
Da alle vier ganz unterschiedliche Interessen und Kenntnisse haben, kommen unzählige Geschichten aus Märchen, Mythen, Geschichte und Religion zusammen, von denen allerdings Raabsilber die meisten beiträgt. Gut, über ihn, der im gewissen Sinn die Hauptperson ist, müssen wir noch nachholen, daß er stets ein Zitat auf den Lippen hat, auch dann, wenn es eigentlich für andere gar nicht als Zitat kenntlich ist, weil er aus Opern, Philosophie, Literatur, etc. Sätze, Sprüche äußert, die sich mit ihren Belegstellen am Schluß des Buches verfolgen lassen. Bei manchen allerdings weiß man sofort, wie es weitergeht, bzw. woraus es stammt. Das hat etwas Maniriertes, denn so flüssig wie die ganzen Zitate Raabsilber von den Lippen träufelt, verhält sich kein Mensch. An dieser Stelle fragten wir uns, ob Raabsilber ein alter ego des Autors ist oder ob er ihm eine Lichtgestalt ist, daß er so sein möchte. Und ganz sicher wächst Raabsilber mit seinen Aufgaben.
Das Eigentliche der Tour ist dann die Natur und die Wetterphänomene, die den Hintergrund bilden für die tiefsinnigen Gespräche, die für jeden der Vier dazu beitragen, daß sich festgefügte Ansichten und Verhaltensweisen ändern, soll heißen, jeder kommt als ein anderer zurück und fühlt sich besser als zuvor.
Doch es kommen nicht alle zurück. Einer stirbt hoch oben. Und da klärt sich mit einem Mal, was mit dem Professor Halm geschehen war. Das ahnte man schon, aber es wird höchst phantasievoll und überaus gebildet zu Ende erzählt.
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Info:
Gerhard E. Feurle, Wie Deine grüngoldenen Augen leuchten, Königshausen u. Neumann, März 2018, 242 Seiten
ISBN 978 3 8260 6421 0
Der Autor Gerhard E. Feurle ist Mediziner, hat an den Universitätskliniken Heidelberg, Bonn und Göttingen geforscht und gearbeitet und das DRK Krankenhaus in Neuwied geleitet. Er hat zahlreiche Expeditionen in den Himalaya und nach Tibet unternommen. Er lebt in Neuwied und Berlin. Mehr hier: www.researchgate.net
...und ein abgedrehter, kultivierter Zellforscher auf buddhistischen Wegen im Himalaya
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- Kategorie: Bücher