glucksparadeSerie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 36

Konrad Daniel

Berlin  (Weltexpresso) – So ist das mit den Vorhaben. Es sollten alle drei Romane kurz dargestellt werden. Aber es ist schwierig, über ein richtiges Buch angemessen zu schreiben. Ich weiß inzwischen, daß es entweder ganz kurz sein muß oder eben eine richtige Besprechung wird. Alles dazwischen ist nur eine halbe Sache, die wir zu einer Dreiviertelbuchvorstellung machen.

Die Glücksparade von Andreas Martin Widmann

Simon zieht mit fünfzehn Jahren auf einen Campingplatz. Nicht freiwillig. Sein Vater arbeitet dort, weshalb die Familie in einem Container lebt. Was andere als Urlaub freiwillig mit höchsten Wonnen machen, ist für die, die dort arbeiten, noch stärker für die Angehörigen von denen, die dort arbeiten, trist, ja trist. Ja, es ist ein Entwicklungsgeschichte, die – das fällt dabei wieder auf – eigentlich immer von Jungen erzählt, sei es Holden Caulfield oder Tschick, es gibt sehr viele.männliche Halbwüchsige, die für Autoren interessant sind.

Man kann das aber gut verstehen, denn für einen beginnenden Schriftsteller – dies ist ein Debütroman - liegt das einfach nahe, weil auch dessen Pubertätsjahre nicht so lange zurückliegen. Außerdem bietet das Thema viele Schreibanlässe, weil die Gefühle eine große Rolle spielen, Körper auch, und die Divergenz zwischen den Gefühlen und der Realität Konflikte ahnen lassen. Was mir so gefallen hat, das ist einfach, daß nicht wieder einmal die ganze Mittelschichtsjugend zu Wort kommt, sondern einer, der wirklich unterprivilegiert ist.

Man spürt den ganzen Roman hindurch Zweierlei: die erst latente, dann ununterbrochene Unsicherheit Simons, der nirgends Halt findet. Seine Eltern sind instabil, was die äußere Situation betrifft sowieso, sie verlieren ihre Arbeit, nehmen woanders neue an, darum wurde viel umgezogen, aber es ist deren schwankende Haltung zum Leben, die fehlende Orientierung die dem Sohn keine Perspektive gibt. Das ist das eine, das Zweite ist die Erkenntnis, daß wir nicht in unsicheren Zeiten leben. Denn das Leben eines Jugendlichen, auch das eines aus prekären Verhältnissen, ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährdet. Es ist alles etwas traurig, aber nicht dramatisch. Es fehlen die echten Herausforderungen. Das ist keine Kritik am Buch, das völlig zu Recht auf die großen Dramen des Lebens verzichtet, die kleinen langen auch zum Unglücklichsein und zur Erkenntnis, daß man sich selber in Gang setzen muß.

Ein Drittes als Erkenntnis wäre, daß man Jugendlichen, wenn es vom Platz her geht, ein Tier gönnen sollte. Denn der Wachhund, den sein Vater anschafft, Benni, ein Schäferhund, wird Simons emotionale Heimat, mit dem er unterwegs nicht mehr allein ist. Geht doch.

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Info:
Andreas Martin Widmann, Die Glücksparade, Rowohlt Verlag, Reinbek 2012
ISBN 978 3 49803 565 5