adler doktorAuf die Schnelle: Gute Informationsliteratur, gebraucht, Teil 59

Lona Berlin

Berlin (Weltexpresso) – Über Yael Adler schreibe ich immer gerne, ihre vorherigen Bücher waren informativ und noch lieber ist es mir, sie persönlich in Veranstaltungen oder im Fernsehen zu erleben. Den Herren Kollegen kenne ich noch nicht, aber das Thema Fett ist eines derjenigen, die in der Öffentlichkeit verkannt sind, ähnlich wie die Übersäuerung, an der die meisten Bundesdeutschen leiden, ohne es zu wissen und die fälschlich glauben, eine Zitrone sei sauer.

WIR MÜSSEN REDEN, FRAU DOKTOR! Wie Ärzte ticken und was Patienten brauchen von Yael Adler

In diesem Buch fehlt mir ein Kapitel, das ich gerne geschrieben hätte. Denn auch der Patient erlebt sich ja in einer nachträglichen Analyse der Besuche bei Ärzten in einer bestimmten Rolle. Ich z.B. gebe dem Arzt unterbewußt die Diagnose immer schon vor. Schrecklich, wenn ich wieder mal – immer nachträglich – gemerkt habe, daß ich statt vom Arzt Hilfe zu erwarten und anzunehmen, ich ihm die Arbeit abnehme. Wobei für mich gilt, daß ich bis auf einen Arzt, nur gute Beziehungen mit ihnen als Patientin hatte. Und sehr oft feststellte, daß ich für Ärzte leicht eine besondere Bedeutung bekam und oft den Eindruck hatte, daß Ärzte dringenden Redebedarf haben, als ob sie sonst nicht zu Wort kämen, ja gerade vereinsamt sind, was Yael Adler dann wohl mit Lieblingspatientin kennzeichnet.

Darum haben mich all die Passagen, in denen Yael Adler über die Beziehung Arzt-Patient schreibt, sehr viel stärker interessiert, als das, was Patienten in Ärzten suchen. Da gibt es für Ärzte DEN ZWANGHAFTEN, der Listen schreibt und mit ihnen ankommt. Ich erinnere mich an einen Arzt, der behauptet hat, solche Listenschreiber seien meist Lehrer. Doch Yael Adler geht weniger auf die Liste, mehr auf das Zwanghafte ein, daß Leute, die Listen für Ärzte schreiben Angst vor Kontrollverlust haben, Das sei aber nicht so schlimm, denn immerhin seien sie dadurch verläßlich und pünktlich auch.

Dann gibt es DEN ÄNGSTLICHEN, der Angst vor Schmerzen hat. Was aber nicht heißen muß, daß dieser Patient verschämt vor den Arzt tritt. Er kann auch poltern, laut sein und so seine Angst verstecken. Und es gibt DEN ÄNGSTLICHEN, der Angst vor der Ansteckung habt. Doch, das liest sich sehr interessant, wenn Menschen ständig Desinfektionsmittel benutzen, weil sie Angst haben vor Keimen und Viren. Heute angesichts von Corona ist das natürlich ein gefundenes Fressen. Und da kann es schon dazu kommen, daß es mehr gibt, die an Mysophobien leiden, wie das Fachwort heißt.

Über DEN HYPOCHONDER muß man wohl kein Wort verlieren, das ist der bekannteste Patiententyp. Der Arzt, der ihn erkennt, muß vor allem für ihn erkennbar machen, daß jegliche Vermutung, an was er leide, auch untersucht wird, um die Diagnose auszuschließen. Daß es auch DEN ÜBERGRIFFIGEN gibt, klar, da es nämlichen auch bei Ärzten gibt, ist das sicher auch ein spezieller Patient, der den Arzt wohl als Leibarzt sein eigen nennt. Und DER CLEVERE ist auch vorhanden und nutzt das Krankensystem aus, in dem er z.T.. den Notruf betätigt, damit er bequem zum Arzt kommt.

Doch, da fühle ich mich auch etwas angesprochen, wenn es um DEN SCHMERZFREIEN geht. Ich unterspiele auch Krankheitsphänomene. Wir hätten hier also das Gegenteil vom Hypochonder! Daß solche, die sich für kerngesund erklären, unter Ärzten DIE IDOLENTEN genannt werden, ist mir neu. Man erfährt hier aber auch, wie dumm solch Verhalten ist, weil einer, der laut über einen eingerissenen Nagel klagt, einfach schneller behandelt wird Was der KRANKHEITSGEWINNLER ist, das verstehen wir dann auch. Es gibt solche, die umsorgt werden wollen und ständig über Krankheiten Aufmerksamkeit, ja Zuneigung einfordern. Sicher lästig für Ärzte, wenn sie das durchschauen und wissen, sie bräuchten ihre Zeit für richtig Kranke.

Ach, auch das ist mir neu:DER ANHIMMLER. Na sicher ist das bei männlichen Ärzten DIE ANHIMMLERIN! Wie trügerisch allerdings dies sein kann, klärt Yael Adler. Oft sind das Menschen, die erst einmal den Arzt als den einzigen bezeichnen, der ihnen hilft, ihn in den Himmel heben, dann aber jäh umschwenken, weil die eigenen Erwartungen an den Gott in Weiß nicht eintraten, weshalb er nun verteufelt wird.

Genau, auf den ich hätte ich auch kommen können: DEN BESSERWISSER. Ha, da kommen jetzt die Lehrer dran. Und dies sei kein Klischee, betont die Autorin. Solche Typen wüßten nur nicht alles besser, sondern würden vor allem die Therapien in Frage stellen, keine Impfungen, keine Antitbiotika... Und auch den nächsten Spezialpatienten hatte ich nicht auf der Latte: DER ARZT-PATIENT. Klar, wenn einer selbst Arzt ist, besteht auch die Gefahr, daß er alles besser weiß, erst recht, wenn der Arzt-Patient ein Mann und die Ärztin eine Frau ist.

Dann gibt es auch noch gute Regeln auf Seite 145, die mit der Suche nach dem guten Hausarzt beginnen. Volle Unterstützung!!

Das war ja nur ein Ausschnitt aus den mittleren Kapiteln. Das ganze Buch liest sich locker und dennoch nicht oberflächlich, sondern ist ernsthaft auf Klärung aus. Für Sie, die Leser und Leserinnen sind vielleicht die Fallgeschichten über die Ärzte viel interessanter, die ja auch in ihrer Unterschiedlichkeit ein weiter Fall sind. Kennen Sie noch den Chefarzt in Weiß? Der kam eher in den Kliniken vor und stand morgens um 6 Uhr mit der ganzen Entourage vor dem Bett und diktierte die Befunde. Das Nicken der Beistehenden werde ich nie vergessen.

Yael Adler, die Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Venenheilkunde und Ernährungsmedizin (DGME) hat wieder einmal aus ihren ärztlichen Erkenntnissen keine Mördergrube gemacht, sondern frisch und frei und nicht unfromm ein Thema behandelt, über das man sich zu wenig Gedanken macht und das sie spannend vor einem ausbreitet.

Fotos:
Cover

Info:
Yael Adler, Wir müssen reden, FRAU DOKTOR! Wie Ärzte ticken und was Patienten brauchen, Droemer Verlag 2020
ISBN 978 3 426 27802 4