ellen sandbergAuf die Schnelle: Sehr gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 75

Susanne Sonntag

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Heute geht es um zwei sehr unterschiedliche Romane, die dennoch etwas gemeinsam haben, sie spielen in der Vergangenheit. Damit bin ich nicht alleine, mit dieser Vorliebe für historische Themen, denn historische Romane zu sagen, das kommt mir dann nicht in den Sinn, weil sie alle noch in Zeiten spielen, wo die Älteren von uns schon dabei waren, wenn es um die Wahl Willy Brandts 1972 u.a. geht. Der andere Roman beginnt zwar im Spätsommer 2018, aber sofort geht es nach München 1938.

DAS ERBE von Ellen Sandberg

Eingeweihte wissen, und Uneingeweihte müssen nur auf die hintere Umschlagsklappe schauen,daß Ellen Sandberg das Pseudonym der sehr erfolgreichen Münchner Autorin Inge Löhnig (Krimis!) ist, unter dem sie auflagenstark bereits „Die Vergessenen“ und „Der Verrat“ veröffentlicht hatte. Sie schreibt sehr routiniert, was nicht negativ verstanden werden soll, sondern ausdrückt, daß es ihr gelingt, sowohl verschiedene Personen wie auch mindestens drei Handlungsstränge elegant in eine Geschichte zu bringen.

Im Spätsommer 2018 wird die Bauzeichnerin Mona in Berlin von dem Testament ihrer Großtante Klara überrascht, daß sie deren großen Mietshaus in der Münchner Innenstadt geerbt hat. München! Ein Haus, das Schwanenhaus heißt! Eigentlich paßt es, denn ihren langjährigen Freund ist sie gerade los, weshalb sie nutzt, daß die oberste Wohnung leer steht und zieht dort ein. Ein Motiv für den Ortswechsel ist auch, daß im Testament der seltsame Satz "Sie wird sicher das Richtige tun" stand, was ja mit dem Haus zu tun hat und sie neugierig macht. Außerdem hat sie die ganzen Unterlagen zum Haus und die Briefe der Tante und Fotos auch geerbt. Schnell weiß sie, daß das Haus eigentlich der jüdischen Familie Roth gehörte.

Doch wird die Geschichte jetzt nicht linear erzählt, sondern Sabine tritt auf. Während man mit Mona eine etwas zu positive Darstellung einer jungen Frau erlebt, wird Sabine erst einmal als gute Bürgerin abgestraft, sie genießt Hartz IV und Arbeit interessiert sie nicht. Aber ihre Träume sind sehr teuer, d.h. handeln von teuren Gegenständen. Und dann merkt sie etwas, etwas was mit ihrer Familie zu tun hat. Die dritte Frau ist Tante Klara. Und schon sind wir im Jahr 1938 in München. Und da erfahren wir, wie es wirklich war, als die Hausbesitzerfamilie Roth unter den Druck der Nazis gerät und der Vater von Klara – die Familie wohnt im Haus der Roths – sich bereit erklärt, nominell das Haus zu übernehmen, damit die Nazis die Roths nicht enteignen.

Alles klar? Mona hat jetzt zu tun!


rhinblickRHEINBLICK von Brigitte Glaser

Ich erinnere mich, daß ich in WELTEXPRESSO etwas über Brigitte Glasers BÜHLERHÖHE gelesen hatte. Das Thema in diesem Roman ist der Herbst, der November 1972. Es ist der 19.11.1972.in Bonn, wo wir zwei Wochen lang dabei sind, wenn die SPD mit Willy Brandt die Bundestagswahl gewinnt, er Kanzler wird, aber keine Stimme mehr hat, weil er an den Stimmbändern operiert wurde, weshalb er aus dem Verkehr gezogen wird und von der jungen Logopädin Sonja behandelt werden soll.

Im Mittelpunkt jedoch steht die umtriebige Hilde Kessel, die Wirtin des Lokal Rheinblick, wo Hinz und Kunz aller Parteien sich die Klinke in die Hand geben und wo sie, die Wirtin, von allen über alles eingeweiht wird. Einerseits ist das wirklich authentisch, was die Autorin zusammenträgt an dem Hader der Parteien und dem einfach kleinkarierten Bonner Milieu, andererseits blieb mir das zu kleinkariert.

Aber das soll gerade die, die nicht wissen, was Bonner Republik bedeutet, nicht abhalten, dieses Buch zu lesen!




Fotos:
Cover

Info:
Ellen Sandberg, Das Erbe, Penguin Verlag 2019
ISBN 978 3 328 10402-5

Brigitte Glaser, Rheinblick, List/Ullstein Buchverlage 2019
ISBN 978 3 471 35180 2