Auf die Schnelle: Filmliteratur, gebraucht, Teil 101
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – DAs Filmkollektiv Frankfurt hatte vom 26. September bis 30. Oktober 2018 über 70 Filme in 15 Vorstellungen an fünf verschiedenen Orten unter dem dem Motto „ARCHITEKTUR UND STADTENTWICKLUNG IN FRANKFURT. Eine filmische Reise durch die Stadt von 1896 bis heute“ gezeigt und dies in kleinerem Umfang bei anderer Gelegenheit wiederholt.
Eigentlich sollte man diese Filme jedes Jahr erneut der interessierten Bevölkerung anbieten, denn nur im Film kann man den Fluß der Zeit, die Menschen, wie sie aussehen, wie sie sich kleiden, wie sie gehen, die Straßenbahnen, das Stadtbild, die Veränderungen so richtig wahrnehmen, weil die ästhetische Dimension, das Sichtbarwerden alles schlägt, was an Atmosphärischem auch Texte durchaus anbieten.
Wir wollen gleich etwas zu den Filmen schreiben, aber zuvor rühmen, daß Felix Fischl/Filmkollektiv e.V. als Herausgeber auf 336 Seiten die Filme nicht nur aufführt und beschreibt, sondern mit Aufsätzen verschiedener Autoren den Hintergrund, also die Stadtgeschichte und die filmische Realisierung beleuchtet. Daraus ist ein richtiges Frankfurtbuch geworden, das einmal nicht nur einen Aspekt, also Bevölkerung oder Grün in der Stadt oder Verkehr im Blick hat, sondern alles zusammen unter je eigener Fragestellung. Was mir sofort in die Augen stach, ist der Anhang, der die 13 Autorinnen und Autoren vorstellt, dann ein Filmregister bietet, wo beispielsweise ABSCHIED VON GESTERN von Alexander Kluge auf Seite 110 und ABSCHIED VON WALTER KOLB aus Seite 284 verweist. Dann gibt es ein ebenfalls ausführliches Personenregister und dann – und darum die lange Vorrede – ein Orts- und Sachregister! Altstadt gefällig? Dazu gibt es wohl die meisten Seitenzahlen, unglaublich viele, dagegen firmiert Amerika Institut nur auf Seite 282. Amerika Institut, soll das das Amerikahaus sein? Schau‘n wir mal. Nein, es handelt sich um den Uni-Bau, der nach Entwürfen von Ferdinand Kramer vom Bund der Architekten ausgeführt wurde und im Film aus der Vogelperspektive erscheint.
Aber, was ist mit dem Amerikahaus? Das war für das Frankfurt der Nachkriegszeit wirklich ein Kulturtempel und wurde später als spanisches Kulturinstitut, die alle nach Cervantes benannt sind, erneut für die Frankfurter Bevölkerung interessant. Aber das immer noch im Sprachgebrauch Amerikahaus genannte Gebäude hat keinen eigenen Film, bzw. es taucht nirgends auf. Aber der Eiserne Steg und das Eschenheimer Tor, das vier Einträge hat, während auch der Eschenheimer Turm, was ja dasselbe Gebäude ist, sogar sieben Einträge hat. Die Eschersheimer Landstraße, die nach Eschersheim führt, beginnt dort.
Kurz überlegen wir, welche Gebäude in der Nachkriegszeit in Frankfurt Furore machten. Das war ganz klar das Juniorhaus am Kaisersack. Und schon finden wir es zweimal und geschrieben als Junior-Haus. Kaufhaus Schneider, längst perdu, füllt viele Seiten. Also mit diesem Verzeichnis sind wir wirklich zufrieden, mit denen man direkt in Filme einsteigen kann, wenn einen die Orte interessieren.
Felix Fischl geht zur Einführung auf die Frankfurter Zeitzeugnisse, Imagefilme und Experimente ein. Immer, wenn die Stadt ein stadtgeschichtliches Jubiläum feiert oder ein besonderes Ereignis ansteht oder eine spektakuläre Architektur eröffnet wird, wird darüber in Veranstaltungen gefachsimpelt, Ausstellungen zum Thema eröffnet und Bücher geschrieben! Dem gegenüber bietet der Film – auf die Idee kamen wir ja auch sofort – eine weitere Dimension – und am Beispiel der 50 Jahre U-Bahn oder der Altstadteröffnung erkennt man dies sofort. Frankfurt hat wohl schon von Anfang an, als Filme gedreht wurden, auf filmische Dokumentation großen Wert gelegt, denn es sind so unglaublich viele ganz frühe Filme vorhanden, wo man das Schwarzweiß als großen ästhetischen Gewinn empfindet.
Und tatsächlich gibt es eine Tradition von 120 Jahren Filmgeschichte! Zwar sind es nur wenige Filmdokumente, aber daß es sie überhaupt gibt, erzeugt beim Anschauen wirklich einen Schauer, so unmittelbar ruckeln die Bilder vorbei. Und daß die wichtigsten Filmpioniere, die Gebrüder Lumière, schon 1896 oder 97 mit ihren Kameras den Roßmarkt aufnahmen, das glaubt man doch kaum, aber ich habe diesen Film mit eigenen Augen gesehen.
Wer sich in diesem Buch vertieft, der will nach dem Lesen die Filme sehen! Und natürlich würde man sich wünschen, es gäbe 1-2-3 DVDs dem Buch beigegeben. Aber da sind die Rechte dagegen. Und außerdem ist es viel sinnvoller, solche Filme im Verbund mit anderen anzuschauen und dann darüber zu diskutieren.
Also kann man dieses Buch jedem Frankfurter und gleichzeitig jedem Filminteressierten empfehlen, die dann, jeder auf seine Art, sich einsetzt dafür, daß wieder Filmwochen durchgeführt werden, die jeden erreichen und das nicht nur einmal, sondern regelmäßig. Die Filme, die ich selbst schon sehen konnte, würde ich alle noch einmal sehen wollen. Allein die Hauptwache! Die ich selbst noch mit den Straßenbahnen erlebt hatte. Es ist einfach wunderbar, daß das alles filmisch erfaßt ist. Man muß sie nur sehen können, die Filme, und zumindest sich mit diesem verdienstvollen Buch vor- und nachzubereiten.
Foto:
Cover
Info:
Hg. Felix Fischl/filmkollektiv e.V., Wandelbares Frankfurt. Dokumentarische und experimentelle Filme zur Architektur und Stadtentwicklung in Frankfurt am Main, veröffentlicht von Filmkollektiv Frankfurt – Projektionsraum für unterrepräsentierte Filmkultur e.V. 2018
ISBN 978 3 00 060643 4
www.filmkollektiv-frankfurt.de
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Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) –