Redaktion tachles
SAO PAULO (Weltexpresso) - «Political Correctness» kann manchmal eigenartige Blüten treiben. So protestierten nun Eltern in Brasilien gegen die Lektüre der Tagebücher der Anne Frank in der Schule ihrer Kinder. Der Grund: sexuelle Inhalte, die - ihrer Meinung nach - für Siebtklässler unangemessen sind. Mehr als 90 Eltern beschwerten sich in einem Brief an die Leitung eines Netzwerks von Privatschulen über Anne Franks Beschreibungen der weiblichen Genitalien und ihre Anziehungskraft auf Frauen.
Diese Passagen waren von Anne Franks Vater in der Tagebuchfassung von 1947 weggelassen worden. Otto Frank waren diese Stellen peinlich gewesen, das erklärte die Anne-Frank-Stiftung einer Zeitschrift in Sao Paolo. Doch inzwischen sind diese Passagen veröffentlicht.
Anne Frank beschreibt, wie sie ihren eigenen Körper erforscht, wie sie in Ekstase geriet, wenn sie einen weiblichen Akt sah. An einer anderen Stelle erinnert sie sich, wie sie einer Freundin vorgeschlagen hatte, während einer Übernachtung als Zeichen ihrer Freundschaft sich gegenseitig ihre Brüste zu zeigen.
Die protestierenden Eltern betonten in ihrem Schreiben, dass sie es für sehr wichtig erachten, über den Holocaust zu unterrichten, aber dass diese Passagen für Zwölfjährige problematisch seien, da sie durch sie vom eigentlichen Thema, der Vernichtung der Juden im Zweiten Weltkrieg, abgelenkt werden könnten. Dass Anne Frank beim Schreiben dieser Passagen unwesentlich älter war als die brasilianischen Schüler, spielt für die Eltern offensichtlich keine Rolle.
Foto:
©annefrank.org
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 9. 6. 2021
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 9. 6. 2021