Serie: Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur 2021, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – PUTZFRAUEN-KRIMI steht noch auf dem Titel und sofort erinnere ich mich an entsprechende Krimis, wobei ich eigentlich nur die detektivischen Putzfrauen auf dem Schirm habe, wie sie beispielsweise die beste Freundin von Eva Rossmanns Heldin hinreißend verkörpert. Auch Millie hat einen jugoslawischen Hintergrund, wie wir den heutigen Balkan einfach noch mal nennen und auch Millie lebt in Wien.
Es geht einem das Herz auf, wie entlarvend die Putztätigkeit mit der detaillierten Kenntnis der Lebensverhältnisse der Beputzten hier herausgestellt wird – genau das, was abwesende Putzfrauenhalter schon immer befürchtet haben: daß die Sauberfrauen – Männer gibt‘s nur in Reinigungsfirmen – nicht nur die Oberflächen putzen, sondern die Schränke durchwühlen, die Liebesbriefe finden oder die Sexspielzeuge oder oder...
Doch Millie ist nicht privat neugierig, sondern professionell. Hinreißend, wie gut das paßt, ihre Agentur, die nur aus Frauen besteht, die neben ihrer Ausbildung als Putzfrau – jede soll die Beste sein – eine Agentinnenschulung durchlaufen haben, die heute vor allem die digitale Meisterschaft einschließt.
Gleich bei ihrem ersten Arbeitgeber – von ihr die Gatten genannt, reiche Leute mit anspruchsvoller Villa, die sie zweimal die Woche putzt, wobei Waschen und Bügeln dazugehört! - lernen wir also Millie in Aktion kennen, wie sie im Büro des Gatten die Papiere fotografiert und auf einem Stick das Wichtigste speichert, manchmal auch die ganze Festplatte. Wichtig ist auch, die Wanzen an den richtigen Stellen anzubringen oder sogar die Kameras, falls die visuelle Überwachung dazu kommt. Millie kann alles. Nur nicht normal leben, denn ihre Kindheit in Serbien endete mit der Ermordung ihrer ganzen Familie, nur sie konnte dem Schlächter entkommen und sogar ihm zuvor eine Eisenstange in den Unterleib rammen. Doch das hat sie alles vergessen und die Erlebnisse, die Inhalt dieses Kriminalromans sind, bringen ihr Unterbewußtsein erst in Träumen und dann in Wirklichkeit ans Tageslicht.
Zu dieser speziellen Putzfrauenausbildung, die die weltweit operierende Agentur durchführt, gehört auch, daß sich die Putzfrauen so kleiden und so aussehen, daß sie für andere unsichtbar werden, also weder attraktiv, noch sonst auffällig. Für Millie heißt das, buschige dunkle Augenbrauen und ein Damenbärtchen. Und all das, insbesondere die Konferenzen in der Agentur, und die Szenen, in denen Millie in deren Auftrag junge Frauen für die Spionage und das Putzen ausbildet, sind Höhepunkte des Romans und einfach zum Gernhaben. Witzig, Understatement, spritzig. Und dann bekommen wir auch mit, um was es in diesem Ambiente gehen wird. Es gibt eine internationale Getreidemafia, die auf der ganzen Welt alle natürlichen Getreide vernichtet, zugunsten genmanipulierter, mit denen dann die Welternährung in einer Hand liegt. Die Putzfrauenspionageagentur – wie gesagt: ein internationales Netzwerk - will das verhindern und in drei Ländern, darunter Österreich! heimlich die ins Land geschmuggelten natürlichen Körner anbauen, denn das geht das ruckzuck, wenn man die Ernte für neue Aussaat verwendet – und die Welt bald wieder ihr altes Getreide hat, das jeder anbauen kann – und die Genmafia das Nachsehen hat.
Wir waren also rundherum zufrieden mit dem Plot und lasen richtig begeistert vor uns hin – und dann kam Seite 145, wo die Mafia anfängt zuzuschlagen. Das geht so holterdiepolter und wird zunehmend derart übertrieben, daß die anfängliche Begeisterung abflacht. Und dann kommt noch Max hinzu. Die erst einmal als schwierige, aber taffe Putzfrau geschilderte Millie hat sich in den Mann verliebt, der sie eigentlich aushorchen will, was ihr spanisch vorkommt, weshalb sie ihn für ein Mafiamitglied hält, was er nicht ist und sie, als sie das merkt, noch verliebter macht. Das kann alles passieren, diese süßliche Liebesgeschichte gewinnt aber derart Oberhand, daß in Verbindung mit dem wirren Geschehen um die Verfolgung der Körner durch die Mafia, das Interesse verloren geht. Schade, denn der Beginn war wirklich vielversprechend, was lange anhielt.
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Info:
Sabine Kunz, Die Saubermacherin. Putzfrauen-Krimi, Gmeiner Verlag 2020
ISBN 978-3-8392-2707-7