Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Eröffnungspressekonferenz zur Buchmesse, die immer am Dienstagvormittag stattfindet, wenn am Spätnachmittag das aufwendige Eröffnungszeremoniell abläuft, fand diesmal unter den immer noch notwendigen Coronaauflagen statt. Verständlich. Dennoch wird den vielen Journalisten etwas zu viel zugemutet. Eine Stunde vor dem Beginn da zu sein, dann 40 Minuten vor der Tür stehend warten zu müssen, zeigt, daß da noch viel zu verbessern ist. Damit dies geschieht, wird hier darüber berichtet.
Ansonsten sind wir ja erst einmal alle froh, daß sich der Börsenverein und die Buchmesse frühzeitig entschlossen haben, auch bei unsicherer Coronalage die Buchmesse durchzuführen, was einschließt, daß der Gastlandauftritt von Kanada, der für 2020 geplant war, wo die Buchmesse zum ersten Mal im Nachkriegsdeutschland seit ihrem Beginn 1950 ausfiel, auf dieses Jahr verschoben wurde. Die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – das ist so anheimelnd, hier noch einen alten deutschen Begriff zu verwenden, wo sich doch sonst die Longlist mit der Shortlist anlegt und man permanent nur noch in Englisch angesprochen wird – also, Karin Schmidt-Friderichs zeigt sich geradezu glücklich, daß es nach eineinhalb Jahren Stillstand wieder lebendig weiter gehe. Allerdings, betonte sie, sei die brachliegende Zeit sehr gut genutzt worden, in dem digital ausgebaut wurde, was möglich ist.
Für das Buch und den Buchhandel erklärte sie den ungewollten Streßtest infolge von Corona für bestanden! Es habe eine Verbindung von Lesern und Buchläden gegeben, die man nicht für möglich gehalten habe, was nämlich an Verkaufsmöglichkeiten kreiert wurde, als doch eigentlich alles geschlossen gewesen sei. Für die Möglichkeiten, an der Ladentür zu verkaufen oder auch mit Boten Bücher zu schicken, wie es sonst der Pizzadienst macht, hatte die Bundesregierung die entscheidenden Voraussetzungen geschafften, in dem der Buchhandel den Läden des täglichen Bedarfs zugeschlagen wurde.
Die Buchhändler haben die Verbindung mit den Menschen gesucht und gefunden und sie stehe als Repräsentantin für Buch und Buchhandel hier mit einer Wiedersehensfreude satt. Die Einschränkungen hätten die Wichtigkeit von Lesen und von Lesestoffen erst recht deutlich gemacht. Das Buch sei heute in der Gesellschaft stärker verankert als vor Corona! Sie brachte Zahlen, auf die wir noch eingehen, die jetzt nur die Tendenz andeuten sollen, daß nämlich 25 Prozent von Lesern angeben, heute mehr zu lesen als vor der Pandemie. Das ist deshalb erwähnenswert, weil die Zahl für die Mehrleser im letzten Sommer, nach fünf Monaten Corona nur um 5 Prozent erhöht waren. Was sie besonders freue, ist, daß die Zunahme bei jungen Leuten am höchsten sei.
Wichtig sei jetzt, nicht einfach weiterzumachen, wo man vor der Pandemie aufgehört hatte, sondern die Chance zu nutzen, sozusagen als Neustart potentiell Kurskorrekturen im gesellschaftlichen Leben und im individuellen auch vorzunehmen. Die derzeitige Frage sei: WIE WOLLEN WIR LEBEN? Eine potentielle Antwort dazu lautet dann, bauen wir Brücken oder Gräber?
Politisch liege an, die seit fünf Jahren zurückgehaltene Ausschüttung der VG Wort für Verlage anzugehen. Es sei unabdingbar, die Onlineausleihe für neue Bücher ca. 12 Monate mit Kosten zu verbinden. Daß alles Online-Dienste um das Buch herum kostenfrei sind, sein sollen, ist einfach falsch, weshalb das Motto lautet: SCHREIBEN IST NICHT UMSONST. Für die Autoren nämlich.
Buchmessenchef Juergen Boos freut sich auch und hat auch allen Grund dafür. Wenn rund 2000 Verlage aus 80 Ländern gekommen sind, sind das zwar dreiviertel Verlage weniger als vor der Pandemie, aber es geht wieder los, was auch die über 1900 Medienvertreter, die akkreditiert sind, aufzeigen. 300 Autoren, 1 400 Veranstaltungen, das alles kann man im nächsten Artikel nachlesen. Und auch, wie sich die Buchmesse auf die veränderten Bedingungen von Abstand von einander vorbereitet hat.
Zur Thematik WIE SOLLEN WIR LEBEN, war ein Gespräch angekündigt, das schon in der äußeren Gestaltung zeigen sollte, daß auch die räumliche Umgebung stark auf die Menschen einwirkt. Ein wenig erinnerte das an der Seitenbühne errichtete Wohnzimmer mit bequemen Sessel, Büchern, dekorativen Grünpflanzen an das Wohnzimmer der Grünen, in dem diese beim digitalen Auftritt ihre beiden Vorsitzenden ein wenig kleinbürgerliches Glück emotional rüberbringen wollten und nicht wenig Spott ernteten. Übrigens fehlten dort die Bücher!
Die Buchmesse hatte eine kleine Gruppe zusammengestellt, darunter die durch ihren Roman IDENTITTI bekannt gewordene Mithu Sayal, und sie für einige Stunden in einem Schiff auf den Main geschickt. Das Ergebnis der Gespräche, die die Fragestellung WIE WOLLEN WIR LEBEN von dieser Gruppe beantworten könnte, kam dann doch sehr dünn rüber, mit: Freiheit als dem wichtigsten, was dem jungen Russen einfiel. Auch darauf wollen wir noch zurückkommen.
Aber erst einmal geht es auch um den Gastlandauftritt KANADAS.
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