Der unbeholfene Widerstand von Migranten gegen rechte Verlage auf der Frankfurter Buchmesse
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „Ich will den Raum nicht den Rechten überlassen.“
So argumentierte die Autorin und Politikerin Aminata Touré in einem Interview, das die „Frankfurter Rundschau“ mit ihr führte und am Buchmesse-Samstag veröffentlichte. Sie selbst hat teilgenommen, kann aber andere verstehen, die aus Protest gegen die Anwesenheit von rechten Verlagen ihre Teilnahme abgesagt haben.
Dennoch wäre es hilfreich gewesen, Aminata Touré darauf hinzuweisen, dass die Frankfurter Buchmesse eine kommerzielle Veranstaltung ist. Denn es handelt sich um eine Verkaufsausstellung, die von der Messe- und Ausstellungs-GmbH des Börsenvereins des deutschen Buchhandels betrieben wird. Und eben um kein überparteiliches Kulturforum, das von staatlichen Institutionen und von bürgerschaftlichem Engagement getragen ist. Diese Veranstaltung unter dem Vorzeichen von verfassungsgemäßer Meinungsvielfalt, gar unter Antirassismus zu sehen, zeugt von gehöriger Naivität.
Im seichten Bildermedium „Instagram“, aus dem Frau Touré offensichtlich Informationen zieht und in dem sie sich selbst darstellt, wird sie zum Hintergrund der Buchmesse keine verlässlichen Angaben finden. Für Grüne mag dieser Facebook-Kosmos ausreichen. Kultur genießt in dieser Partei anscheinend keinen hohen Stellenwert. Annalena Baerbocks Umgang mit dem Urheberrecht belegt diese Defizite allzu deutlich. Und selbst der Schriftsteller Robert Habeck, von dem man anderes erwarten würde, vergaloppiert sich in einem sprachlichen Ästhetizismus, der sämtliche politischen Probleme ausspart, statt zumindest die wesentlichen grundsätzlich und gegebenenfalls in künstlerischer Form infrage zu stellen.
Es gehört zum Geschäftsprinzip der Buchmesse, möglichst viele Aussteller zu akquirieren. Dabei spielen weltanschauliche Positionen keine Rolle. Die dadurch entstehenden Risiken sind den Entscheidern dennoch bewusst. Aber noch werden diese mit den sachlich falschen Hinweisen auf Toleranz und Meinungsfreiheit beiseite gewischt. Da die Messe aber einen Ruf zu verlieren hat und zudem Herrin des Verfahrens ist, könnte sie die Ausstellungsbedingungen so festlegen, dass an Verlage mit menschenverachtenden Programmen keine Flächen vermietet werden.
Vor 20 Jahren war all dieses noch kein Thema, das die Welt der Verlage und Buchhandlungen erschüttert hätte, obwohl es auch damals einige Exzentriker gab, aber die blieben bedeutungslos. Mittlerweile ist Rechtsextremismus auch zu einem Problem der Verlage und Buchhandlungen geworden. Denn die Neue Rechte will sich in Szene setzen, träumt (wie eine ihrer Vorgängerorganisationen am Ende 1920er Jahre) von einer konservativen Revolution und möchte in den Kulturbereich eindringen, um diesen in ihrem Sinn zu verändern und dann von dort aus weitere gesellschaftliche Bereiche untergraben.
Die richtige Gegenstrategie der Autoren wäre ein rechtzeitiger Protest bei ihren Verlagen. Nach dem Motto: „Falls ihr trotz Anwesenheit von Antaios, Compact u.a. ausstellt, dann kündigen wir unsere Verträge!“ Allerdings würde das bedeuten, inhaltlich und formal selbst unangreifbar zu sein. Wenn Aminata Touré in ihrem Buch „Wir können mehr sein“ von einer Ostseeparlamentarierkonferenz in Oslo berichtet und beispielsweise auf den Seiten 12/13 schreibt: „Der Vorraum des Plenarsaals füllte sich mit Abgeordneten, Gäst*innen und Journalist*innen“, muss man ihr erhebliche Defizite in deutscher Grammatik und deutscher Rechtschreibung unterstellen. Und wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Es gibt glaubwürdigere Protestierer. Und überzeugendere Interviewpartner für die „Frankfurter Rundschau“.
Wie bereits gesagt: Für die Grünen reicht’s vermutlich, aber der aufgeklärte Teil der Gesellschaft setzt andere Standards.
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Aminata Touré: „Wir können mehr sein“
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