martina swr2gewinnt den Schweizer Buchpreis 2021

Roswitha Cousin

Basel (Weltexpresso) - Am Schluß war sie die Favoritin, nachdem Christian Kracht seine Nominierung für EUROTRASH zurückgezogen hatte. Leider. Denn es ist ein sehr guter Roman und man tut niemandem gut, wenn so etwas geschieht. Das beschädigt die übrigen und den Preis auch. Aber es wird so getan, als ob das gar nicht stattgefunden hätte und wir tun das jetzt auch, denn sonst könnte man Martina Clavadetscher nicht gerecht werden, die ja nichts dafür kann, aber alles, daß sie einen kecken Roman geschrieben hat, der auch das Publikum herausfordert und begeistert.

Und so konnte man dann sagen, daß sich unter den letzten Vier die Favoritin durchgesetzt hat, die DIE ERFINDUNG DES UNGEHORSAMS im Unionverlag herausgebracht hat, dem wir gleich mitgratulieren, denn es ist ein vorzüglicher Verlag, der vor allem viele Autoren aus der früher sogenannten Dritten Welt verlegt und vor allem viele Frauen, auch viele schrägen Frauen oder doch besser, schräge Bücher von hintersinnigen Schriftstellerinnen. 

Schon wieder Sexpuppen? Schon wieder Roboter? Aber nein, das 'schon wieder' bezieht sich ja nur auf den so heftig und vielfach gelobten, mit Preisen überschütteten Film ICH BIN DEIN MENSCH von Maria Schrader - ja, die Frauen, die ein Gespür für das Kommende, das Gefährliche, das Gefährdende haben? Ja, durchaus. Auf jeden Fall geht es auch bei Martina Clavadetscher um das Programmieren von Menschlichkeit und um das Eigenleben, das Roboter entfalten können. Können Roboter menschlichere Gefühle haben als Menschen, die sich wie Maschinen verhalten? Doch hier wird nicht linear erzählt, sondern verschiedene Geschichten aus sehr verschiedenen Zeiten ineinanderverschachtelt. Wir sind in Manhattan wo auch sonst, wo Iris eine Party gibt und wir zuhören, was mit Ling passiert ist, die in einer Sexpuppenfabrik in China - wo auch sonst - arbeitet. Doch das ist nicht alles. Es geht zurück ins 19 Jahrhundert und da lernen wir endlich Ada Lovelace kennen, bürgerlich gesprochen, denn es handelt sich um die Tochter von Lord Byron, Augusta Ada King-Noel, Countess of Lovelace, Mathematikerin und Mitarbeiterin an der Analytic Engine, dem Vorläufer der Programmierung. 

Ein Buch zur Stunde gewissermaßen, bei dem es aber besser ist, den Roman  schnell selber zu lesen, denn viel über das Buch zu lesen. Für die Kenner des Schweizer Buchpreises ist zudem die Autorin keine Unbekannte., Mit KNOCHENLIEDER stand sie schon einmal auf der Liste der Fünf, die nominiert werden. 

Ihre Konkurrenz war angesichts des Rückzugs von Kracht überschaubar. Da gab es mit Thomas Duarte und Veronika Sutter je ein Debüt, was ungewöhnlich für eine Endauswahl ist. Und Michael Hugentobler wurden allenfalls Außenseiterchancen eingeräumt 

Aber Preis ist Preis und wir gratulieren und wünschen dem nächsten Jahrgang einen glücklicheren Verlauf. 

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