Juliane Schätze
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Christa Wolf war eine Schriftstellerin des Ostens und des Westens.
Christa Wolf wird am 18. März 1929 in Landsberg (Warthe), heute: Gorzow Wielkopolski (Polen), geboren. Ihre Eltern betreiben dort ein Lebensmittelgeschäft. Von dort flüchtet die Familie 1945 vor der vorrückenden Kriegsfront nach Gammelin (Mecklenburg). Unmittelbar nach dem Abitur, das sie 1949 besteht, tritt sie der SED bei. Bis 1953 studiert sie in Jena und Leipzig Germanistik und schreibt bei Hans Mayer eine Diplomarbeit über Hans Fallada. Zwischen 1953 und 1959 ist sie vorwiegend als Lektorin in verschiedenen Verlagen tätig. Danach arbeitet sie als freie Schriftstellerin. Seit 1951 ist sie mit dem Essayisten und Germanisten Gerhard Wolf verheiratet. In der DDR zählt sie zu den anerkannten und geförderten Autoren. So erhält sie 1963 den Heinrich-Mann-Preis und 1984 den Nationalpreis 1. Klasse. Aber auch in Westdeutschland findet sie große Anerkennung, was sich 1978 in der Zuerkennung des Bremer Literaturpreises und 1980 des Georg-Büchner-Preises zeigt. Von 1955 bis 1977 ist sie Vorstandsmitglied des Deutschen Schriftstellerverbands (der ab 1973 Schriftstellerverband der DDR heißt). 1989 tritt sie aus der SED aus. Christa Wolf stirbt am 1. Dezember 2011 in Berlin.
Christa Wolfs Lebensweg ist gekennzeichnet durch die Liebe zur Literatur und durch die Bereitschaft, sich politisch zu betätigen und ihre Wahrnehmungen und Erkenntnisse in ihr literarisches Werk einfließen zu lassen. Das lief zwangsläufig auf Konflikte mit SED und Staat hinaus. Für Letzteren war sie einerseits eine Galionsfigur und andererseits misstraute er ihr, was aus den Stasi-Akten hervorgeht, die über sie erstellt wurden.
Ihre Anfänge als Schriftstellerin beginnen 1961 mit der „Moskauer Novelle“. Erster Höhepunkt ihres Schaffens ist der Roman „Der geteilte Himmel“ (1963), der die Situation in Berlin unmittelbar vor dem Mauerbau und die Teilung Deutschlands aufgreift. Die Leser begreifen das Leitmotiv, dem sich Christa Wolf ein Leben lang verpflichtet fühlt. Nämlich den inneren und äußeren Widerspruch offenzulegen, in den ein selbstbewusster und sich ethisch verantwortlich fühlender Mensch gerät, wenn er mit den Anforderungen einer wie immer auch gearteten Obrigkeit konfrontiert wird. Die Realität droht, Ideale zu ersticken und die Moral zu relativieren. Dabei hat die Autorin ihren Erkenntnisprozess niemals abgeschlossen. Vielmehr bleibt sie eine Suchende, was auch zu Brüchen innerhalb ihres Werks führt.
Auf der Flucht beginnt ihr Umdenken
Christa Wolf besucht während der Nazizeit die Schule und wird indoktriniert. Sie entwickelt sich zu einer autoritätsgläubigen, widerspruchslosen, strebsamen Schülerin; wird Mitglied im „Bund deutscher Mädchen“ und Führeranwärterin. Sie glaubt noch an den Endsieg, als der Vater, 1939 an die deutsch-polnische Grenze eingezogen, 1945 Kriegsgefangener der Roten Armee wird. Die Familie flieht, ohne den Vater, vor der Roten Armee nach Gammelin, einem Dorf bei Schwerin in Mecklenburg. Auf dem Treck bedingen ihre Erlebnisse und Erfahrungen ein grundsätzliches politisches und weltanschauliches Umdenken. Wichtig wird der Kontakt mit einem kommunistischen KZ-Häftling, sie erlebt das Sterben von Säuglingen und Kleinkindern mit.
Literatur wird bedeutsam; maßgebend ist die Lektüre von Erich Maria Remarque „Im Westen nichts Neues“ und von Anna Seghers „Das siebte Kreuz“. Christa Wolf entwickelt Abscheu gegen die Nazis und die ihr nun bewusstwerdenden Gräueltaten. Sie übernimmt, sechzehnjährig, die Arbeit der Schreibkraft beim Bürgermeister im neuen Heimatort.
Drei Jahre später zieht sie mit den Eltern nach Bad Frankenhausen. Dort entscheidet sie sich für den Besuch des Gymnasiums, macht das Abitur und tritt der FDJ bei.
Zum gymnasialen Lehrstoff gehören auch die Werke von Marx und Engels. Nach der Lektüre von Engels' „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“ findet sie in seiner Feststellung „Einer absterbenden Wirklichkeit, folgt eine neue lebensfähige.“, die völlige Übereinstimmung mit der eigenen Erfahrung. Sie bricht endgültig mit ihren Überzeugungen der Kindheit und frühen Jugend. Der Marxismus und die Ziele der SED entsprechen für sie dem Gegenteil des deutschen Nationalsozialismus, sie wird 1949 Mitglied der SED.
Im selben Jahr beginnt sie in Jena ein Studium der Pädagogik, das sie nach vier Semestern abbricht und zur Germanistik wechselt. Dort wird sie mit Georg Lukacs' Theorie des sozialistischen Realismus bekannt. Sie schließt das Studium 1953 mit Diplom in Leipzig ab, Hans Mayer betreut ihre Diplomarbeit über Hans Fallada. Zwischenzeitlich, 1951, schließt sie mit Gerhard Wolf die Ehe. 1952 wird die ältere der beiden Töchter, Annette und 1956 Katrin geboren.
Fortsetzung folgt.
Foto:
Cover
Foto:
Cover