Am 1. Dezember jährte sich zum zehnten Mal der Todestag der Schriftstellerin Christa Wolf, Teil 3
Juliane Schätze
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Den Beschlüssen der 1. Bitterfelder Konferenz folgend wird sie Mitglied einer Brigade im VEB Waggonbau Ammendorf und leitet zusammen mit ihrem Ehemann einen Zirkel schreibender Arbeiter. Zudem entscheidet sie sich als freie Autorin, schriftstellerisch zu arbeiten.
Obwohl die Erzählung „Der geteilte Himmel“, erschienen 1963, dem sozialistischen Realismus zugeordnet werden muss, erregt sie in beiden deutschen Staaten große Aufmerksamkeit. Kritikern im Osten geht die Entscheidung der Heldin Rita Seidel für den Sozialismus nicht weit genug, für die Kritiker im Westen hätte sie entschieden gegen die Politik der SED eintreten müssen. Fürsprecher erkennen die realistische Schilderung an. Marcel Reich-Ranicki äußert sich folgendermaßen; „Der geteilte Himmel“: „Ein biederes und aufrichtiges Buch, naiv und betulich und recht sentimental, bemerkenswert vor dem Hintergrund der DDR-Literatur und bestimmt keine bedeutende künstlerische Leistung [...].“
Christa Wolf gilt als politisch integer, wird deshalb von Mitarbeitern der Stasi kontaktiert und drei Jahre als IM „Margarete“ geführt. In dieser Funktion verfasst sie einen Bericht über das Verbandsmitglied, den Germanisten und Schriftsteller, Hans Kaufmann.
Die Debatte um den „Geteilten Himmel“ und ihr Ansehen als Schriftstellerin bringen ihr die Position als Kandidatin des Zentralkomitees der SED ein, die sie von 1963 bis 1967 innehat. Infolge von Problemen mit Mitarbeitern des „Mitteldeutschen Verlages“, bei dem Gerhard Wolf als Lektor arbeitet, verlässt die Familie Halle und zieht nach Kleinmachnow bei Potsdam; das Ehepaar nutzt pro domo seine sehr guten Verbindungen zum „Aufbau-Verlag“ Berlin.
1965 ist ein entscheidendes Jahr in der Wirtschaft der DDR. Das 11. Plenum des ZK der SED entscheidet sich für ein neues Kosten-Nutzen-Denken und damit zur Ökonomisierung der gesamten Gesellschaft zu Lasten der Kultur. Walter Ulbricht stellt in seiner Rede klar, es ginge weniger um Literatur als um den Kampf der Gesellschaftssysteme. Als Kandidatin des ZK spricht sich Christa Wolf auf diesem Plenum gegen die Ökonomisierung aus und verteidigt einige in Misskredit geratene Autoren. Des Weiteren möchte sie die Kontakte zu westdeutschen Autoren, wie Heinrich Böll und Peter Weiss offiziell machen und ausbauen. Wegen dieser Offenheit, die im totalen Widerspruch zur neuen politischen Linie steht, wird ihr mit der Streichung von der Kandidatenliste des ZKs gedroht. Die Vorgänge auf dem 11. Plenum führen zu einem ernüchternden, desillusionierenden Grunderlebnis. Ihr wird bewusst, dass sie den Parteibeschlüssen ohnmächtig gegenübersteht.
Literarisch wendet sie sich daraufhin von der Darstellung des Typischen und Positiven des sozialistischen Realismus ab und entwickelt für sich den Schreibstil der subjektiven Authentizität. Das P.E.N.-Zentrum der DDR nimmt sie als Mitglied auf. Gleichzeitig beginnt die Stasi mit der Überwachung der Familie. Es wird eine Akte angelegt, die ab 1969 als Anlage „Operativer Vorgang Doppelzüngler“ geführt wird.
Fortsetzung folgt
Foto:
Der geteilte Himmel (nach dem Roman von Christa Wolf)
Standard Version
Eberhard Esche (Darsteller), Renate Blume (Darsteller), Konrad Wolf (Regisseur)
Alterseinstufung: Freigegeben ab 16 Jahren Format: DVD 20. März 2007
Info:
Die Serie zu Christa Wolf
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