Bildschirmfoto 2022 01 11 um 01.57.57STATE OF TERROR: Hillary Rodham Clinton und Louise Penny schreiben einen US-Alptraum, Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine undurchsichtige Email erreicht eine junge iranstämmige Mitarbeiterin Anahita Dahir, die im Auswärtigen Dienst arbeitet. Sie war mit dem Journalisten Gil, dem Sohn der Außenministerin heimlich liiert und vermutet, die Email sei von ihm, weshalb sie nachfragt. Das setzt nun die Geschichte in Gang. Denn Gil sitzt im Bus 119, der vom Frankfurter Flughafen in die Stadt fährt, wo er eine Atomphysikerin beschattet und nun von Anahita gewarnt, nur sich selber aus dem Bus retten kann, weil die anderen ihm nicht glauben, als er von dem Attentat spricht, was gleich eintritt und den Bus und die Insassen zerfetzt.

Warum Frankfurt? Wegen des Flughafens und dem amerikanischen europäischen Headquarter, das sich hier befindet. Und das, was über die Stadt, der der Main stets entzogen wird, geschrieben ist, ist so falsch, einfach schlecht recherchiert, daß man sich Gedanken machen muß, wie es bei den anderen Orten um Ortskenntnis bestellt ist. Aber da ich Teheran, das Gebirge zwischen dem Iran und Pakistan, die dortigen Orte und auch das Weiße Haus nicht aus eigener Anschauung kenne, auch nicht die größere Niederlassung des Ex-Präsidenten Eric Dunn, der wirklich köstlich beschrieben ist, in Florida, kann ich das nicht beurteilen und außerdem sind Orte Schall und Rauch. Es geht um die Menschen und deren Handeln ist hier sehr einsichtig dargestellt. Sie sind sich selbst die Nächsten, haben aber auch einen Blick für‘s Ganze.

Eigentlich müßte der Roman VERSCHWÖRUNG GEGEN AMERIKA heißen, aber diesen Roman gibt es ja schon und ist einer der tollen von Philip Roth. Aber wie hier vor Jahren, ist der Einfluß des schändlichen Amerika, der alten weißen Männer mit ihren Wertevorgaben, die ihrem eigenen Vorteil dienen und keine Volksherrschaft zulassen wollen, sondern das Volk, weil es bunter und vielsprachiger geworden ist, zurückführen wollten zum alten Amerika der Weißen in der guten alten Zeit, die zwar alt war, aber eben nur für wenige gut. Das Neue an dieser alten Bagage ist, daß sie gemeinsame Sache machen mit skupelosen Geschäftsleuten, die Atombomben genauso an Al Quaida wie an ehrbare Staaten verkaufen oder eben an diese verschwörerische Gruppe, die sogar ein Netzwerk hinter dem Darknet haben.

Das ist ja schon fast mutig zu nennen, wie deutlich die Sprache und die Gruppen in den USA im Roman benannt sind, die durch die Meinungsforschung fundiert sind: „ Jeder siebte Amerikaner glaubt an Qanon-Verschwörung. Schockierende Zahlen zur Debattenkultur in den USA: Das renommierte Public Religion Research Institute ermittelte, dass 15 Prozent aller US-Bürger wirren politischen Fantasien Glauben schenken. Jeder vierte Republikaner neigt demnach zu Qanon“, heißt es am 10. Januar 2022. Und zum Jahrestag der Kapitolerstürmung liest sich dieser Thriller wie eine Vorankündigung. 

Aber wir sind in der Handlung stecken geblieben. Was in Frankfurt passiert, war als Terrorakt zuvor in London und Paris geschehen, doch war das nur der Auftakt für den großen Schlag, der für drei Orte in den USA als Atomschlag gedacht war. Dazwischen spielt die Handlung, die die Außenministerin durch die ganze Welt treibt, wobei mobile Telefone eine wichtige Funktion erhalten – vor allem dann, wenn sie ausfallen weil kein Netz in den tiefen Höhlen des Iran oder keine Möglichkeit des Aufladens vorhanden ist. Gerade die Szenen, in denen die Außenministerin mit den mächtigen Männern der Welt spricht, manchmal auch nur zu sprechen versucht, sind von einem bitteren Witz. Das Bitterste allerdings besteht darin, daß sie und mit ihr ihre beste Freundin Betsy das alles schon zuvor für möglich halten, beim Zustand der USA.

Freundin Betsy  hat Hillary Clinton wirklich berührend ins Buch geschmuggelt – die originale Betsy Ebeling, jüngst an Krebs verstorben, wird hier als Betty Jameson eine tragende Figur, die mit ihrem gegenseitigen Erkennungscode: „Käme ein Konjunktiv in eine Bar...“ und der jeweiligen Fortsetzung für intellektuelles Vergnügen sorgt ,genau wie die außergewöhnlich fundierten Kenntnisse, die der Oberschuft von John Donne (1572-1631) in Form vieler Zitate hat, die meist ums Handeln kreisen, z.B. „Hast Du‘s getan, ist‘s nicht getan denn ich hab mehr,“ was mir nicht so geläufig ist, wohl aber sein Grabstein: "Hier lieg ich von der Lieb‘ erschlagen", oder seine Aussprüche "Kein Mensch ist eine Insel" oder „Wem die Stunde schlägt.“ Das sind Vorschläge für die beiden Autorinnen, wie sie mit John Donne weiter die Welt aufmischen. Durch Worte und durch Politik.

Foto:
Die beiden Autorinnen
©npr.org

Info:
Hillary Rodham Clinton, Louise Penny, State of Terror, Thriller, aus dem Englischen von Sibylle Uplegger, HarperCollins 2121
ISBN 978 3 7499 0318 4