zeit der schuldGianrico Carofiglio schreibt einen weiteren Fall für Avvocato Guerrieri und Giancarlo de Cataldo einen Thriller, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man kommt einfach nicht nach. Diese beiden italienischen Krimis waren schon im Herbst fällig, aber sie sind keine Zeitware, sondern bestehen über ihren Aktualitätswert hinaus. Beide sind halt überrollt werden von Carlo Lucarellis DER SCHWÄRZESTE WINTER. Ein Kommissario-de-Luca-Krimi, der sich auf der KRIMIBESTENLISTE festgesetzt hat und dessen Autor mal kein Richter, Staats- oder Rechtsanwalt ist, was die beiden anderen auszeichnet, die mit der Mafia auch beruflich zu tun haben, hier Carofiglio als Staatsanwalt.

Auch diese beiden, die zudem alle drei schon miteinander geschrieben haben, haben allerhand zu bieten. Gianrico Carofiglios Held Avvocato Guerrieri, ist seit dem Roman REISE IN DIE NACHT nicht mehr der alte.

„Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!“, 
könnte sein Lebensmotto geworden sein, wenn man statt Köln Bari schreibt, wo er lebt und arbeitet und ‚mit Heinzelmännchen‘ seine Ehefrau, nun Ex-Ehefrau, denn sie hatte in damals verlassen, bzw. ihn zum Verlassen der Wohnung aufgefordert und er weiß eigentlich bis heute nicht so recht, warum.

Die eine hat ihn ‚gegangen‘ und eine andere taucht auf. Noch dazu eine alte feurige Liebe aus Studententagen, wo sie nicht nur jung, sondern äußerst attraktiv und gescheit war. Jetzt aber wendet sie sich an den Rechtsanwalt: alt, verbittert, ohne Saft, ja ausgemergelt. Ihr Sohn sitzt im Gefängnis und nur er kann helfen, denn den Mord an einem Drogendealer, den Jacopo begangen haben soll, wofür es erdrückende Indizien gibt, habe er nicht verübt. Wirklich nicht.

Guerrieri ist ein Einzelkämpfer mit Komfortzone, denn eigentlich sind sie zu Viert, es mischt mit die frühere Gerichtsreporterin Annapaola, derzeit seine Freundin, Pasquale, der das Büro zuammenhält, der ehemalige Polizist Carmelo Tancredi und Consuelo, Mitanwältin in seiner Kanzlei, die aber nur die moralisch Einwandfreien verteidigt. Alle raten ihm ab, in diesem aussichtslosen Fall tätig zu werden. „Was verboten ist, das macht uns grade scharf!“, nein so ist es nun auch wieder nicht, aber Guerrieri findet in diesem Fall eine interessante Fragestellung nach Ethik, Moral und entsprechendem Handeln. Es sind diese inneren Auseinandersetzungen, die ihn tätig werden und dran bleiben lassen. Für den Leser sind ebenfalls diese moralisch-ethische Ausgangslage, die Gedanken und Gespräche darüber das, was diesen Roman zusammenhält. Hauptthema bleibt die Gerechtigkeit und welche Rolle ein Advokat dabei spielt und zwar nicht theoretisch, sondern wenn er als Mensch in die Angelegenheiten verstrickt wird.

Dieser sechste Fall ist nicht der stärkste der Fälle, aber er hält ein Niveau, dem die leise Melancholie des Guerrieri und seine nackte Angst, ob dieser Fall nicht seine Anwaltstätigkeit beende, ein verstörende Gefühlsebene gibt.

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Info:
Gianrico Carofiglio: Zeit der Schuld – ein Fall für Avvocato Guerrieri, aus dem Italienischen von Verena von Koskull, Goldmann Verlag, 2021, 304 Seiten, 20 Euro
ISBN 978 3 442 31619 9

Giancarlo de Cataldo, Alba Nera, Thriller, Folio Verlag 2021,aus dem italienischen von Karin Fleischanderl, 256 Seiten, 22 Euro
ISBN 978 3 85256 828 7