Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Reihenfolge der Fälle, so wie sie in der schön roten Paperbackausgabe des Kampa Verlages vor uns liegen, darf uns jetzt nicht irritieren. Denn der erste Fall des Inspectors Gamache, jetzt „DAS DORF IN DEN ROTEN WÄLDERN tituliert, erschien im Verlag Kampa 2019 erst nach dem Eingangsfall HINTER DEN DREI KIEFERN, der im September 2018 offiziell die Reihe begann, damals noch ohne Nummerierung, heute – siehe unten – wäre es der 13. Fall!! Das merkt man auch, denn inzwischen ist der Inspector beruflich aufgestiegen - und wie! Wir aber bringen die Ausgangssituation.
Aber wie gesagt, einsteigen können Sie immer, also mit jedem der inzwischen 16 Romane, von denen drei noch nicht übersetzt sind. Louise Penny bringt gekonnt, ohne daß das aufdringlich, also lähmend redundant würde, ihr literarisches Personal in jedem Krimi mit den Besonderheiten zur Sprache. Das Besondere liegt nämlich die Konstanz in den Figuren, die sich zwar weiterentwickeln, aber dem Leser schon bekannt sind. Das gibt ein großes Gefühl von Vertrautheit, weil es ein Team angeht, nicht nur einen herausgehobenen Kommissar. Das Vertraute gilt sowohl für die Ermittlerseite mit dem Anführer Gamache, wie auch für das einsame Dorf, wo erstaunlicherweise immer wieder der Tod von Personen eintritt, die das polizeiliche Eingreifen aus Québec nötig machen.
Québec ist die südlichste Provinz im Osten Kanadas mit der 1,7 Millionen Einwohner umfassenden Stadt Montreal im Südosten – der nach Paris größten Stadt, in der Französisch als Muttersprache gesprochen wird, nur etwas mehr als 50 Kilometer von der Grenze zu den USA und wenn ich das richtig lese, liegt der Ort, das verschlafene romantische Dorf Three Pines, in dem die abenteuerlichsten Sachen passieren noch weiter südlich. Die Provinzhauptstadt Québec dagegen liegt über 200 km im Nordosten.
Inspector Armand Gamache von der Sûreté du Québec
der kanadischen Autorin Louise Penny hat es in sich. Das ist keiner von der brutalen Seite, sondern seit dem Debütkrimi einer, der sehr nachdenklich durch's Leben geht, auch durch sein berufliches, was ihm, was den Aufstieg angeht, nicht gut bekommt. Dann aber doch. Von Beginn an gelingt es der Autorin für ihren Ermittler ein Interesse zu wecken weil er oft ungewöhnliche Wege geht, auch Vertrauen in Menschen zu setzen scheint, die er aber gleichzeitig mit Abstand als die aufzeigt, die ihn verraten. Oder verraten werden. Er scheint einen sechsten, siebten und achten Sinn für Menschen zu haben, sowohl ihr Potential als gute Menschen als auch das für Verbrechen oder kleinere Gemeinheiten.
Er ist gut verheiratet, wie man das nennt, mit Reine-Marie, der er jede Weihnacht Joy von Jean Patou schenkt, ein Eau de Toilette, das er gerne riecht. Man merkt seine konservativen Züge, hier wirklich im Sinne von Bewahren, Behalten, Wertschätzen. Er ist Anfang Fünfzig, wohlgenährt „aber er scheint als einer anderen Zeit zu stammen, ein wahrer Gentleman.“, der aber zu deutlichen Worten fähig ist, wo es nottut.
Er ist Chef der Mordkommission in Montreal, wobei man Sûreté du Québec übersetzten könnte als Polizeibehörde von Quebec, so was wie die Landespolizei Hessens. Sein Personal, also zuvörderst der, dem er wirklich vertraut, ist der noch unverheiratete Jean Guy Beauvoir, dicht gefolgt von Agentin Lacoste, die mit Mann und zwei Kindern sehr zuverlässig ist. Ab dem zweiten Krimi gibt es einen sehr strebsamen, obrigkeitsorientierten Agenten Robert Lemieux als örtliche Hilfskraft, mit ihm beginnt ein rätselhaftes Geschehen der Infiltrierung des Teams von Gamache, was sich auch auf Agentin Yvette Nichol bezieht, die seit dem ersten Krimi dabei ab dem zweiten irgendwie den Gamache zu überwachen scheint. Denn da gibt es Telefongespräche mit Polizeioberen. Ist der Superintendent Michel Brébeuf sein Freund oder Feind?
In diesen Krimis gibt es nicht nur Eau de Toilette, die Leute riechen auch dauernd nach etwas, die Gerüche beziehen sich aber auch auf Speis und Trank, einfach viel Sinnlichkeit im Leben der Leute, viel Essen, viel Gefühle, viele Bücher, ausführliche wird beschrieben, wie die Leute aussehen, was sie anhaben, wie sie sich verhalten, vor allem, wer mit wem kann und wer nicht, wie die Leute fühlen, wie sie sprechen, also viele Dialoge – und auch viel menschliches Leid und diese seltsamen Verbrechen.
Was auffällt sind die vielen inhaltsreichen Unterhaltungen, sei es zwischen Gamache und anderen oder den Bewohnern unter sich, die über Philosophie, Musik, Kunst, Literatur u.a. sich austauschen, so daß man auch kulturell Einblicke gewinnt und neugierig wird auf eine Autorin, die beides beherrscht: eine humane Ebene zwischen den Menschen in ihren Romanen herstellen zu können und gleichermaßen auch psychologisch und intellektuell interessante Fälle zur Aufklärung zu bringen.
Über LOUISE PENNY, 1958 in Toronto geboren, kann man nachlesen: „arbeitete nach ihrem Studium der Angewandten Kunst 18 Jahre lang als Rundfunkjournalistin und Moderatorin in ganz Kanada. Mit dem Schreiben begann sie erst spät. Ihr erster Roman wurde weltweit als Entdeckung des Jahres gefeiert, und auch die folgenden Gamache-Krimis wurden vielfach ausgezeichnet und eroberten die Bestsellerlisten. Dass Louise Penny einen Ort erfand, an den sie sich zurückziehen kann, wenn es ihr schlecht geht, Freunde, die für sie da sind, und einen Ermittler, in den sie sich verlieben könnte, macht den Reiz ihrer Krimis aus. Louise Penny lebt in Sutton bei Québec, einem kleinen Städtchen, das Three Pines zum Verwechseln ähnelt.“
1. Das Dorf in den roten Wäldern / Denn alle tragen Schuld (2005)
2. Tief eingeschneit / Und die Furcht gebiert den Zorn (2006)
3. Das verlassene Haus / Der grausame Monat (2007)
4. Lange Schatten / Rachefest (2008)
5. Wenn die Blätter sich rot färben (2009)
6. Heimliche Fährten (2010)
7. Bei Sonnenaufgang (2011)
8. Unter dem Ahorn (2012)
9. Der vermißte Weihnachtsgast (2013)
10. Wo die Spuren aufhören (2014)
11. Totes Laub (2015)
12. A Great Reckoning (2016, noch nicht übersetzt)
13. Hinter den drei Kiefern (2017)
14. Auf einem einsamen Weg (2018)
15. A Better Man (2019, noch nicht übersetzt)
16. All the Devils Are Here (2020, noch nicht übersetzt)
17. The Madness of Crowds (2021, noch nicht übersetzt)
Man sieht also den Fleiß, wo jedes Jahr ein Krimi erscheint und der gemeinsam mit Hillary Clinton verfaßte Politthriller noch dazu kommt. Über die deutschen Ausgaben, die Bücher und Hörbücher mehr das nächste Mal. Und auch über die Inspector Gamache Reihe im ZDF, über die wir uns erst schlau machen müssen.
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Info:
Verweis auf die beiden Artikel zum Politthriller Penny/Clinton in WELTEXPRESSO
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24260-state-of-terror
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24261-die-handlung