Szenen von der Frankfurter Buchmesse 2021Das sollte auch die Frankfurter Buchmesse verinnerlichen

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Rechte Verlage auf der Buchmesse desavouieren die Literatur und den Buchhandel.

Doch seit infolge des Neoliberalismus eine spießige Kleinkariertheit in das deutsche Verlagswesen und den Buchhandel eingezogen ist, lässt diese Kulturbranche das vermissen, was übereinstimmend Tenor ernst zu nehmender Bücher ist: Nämlich Intellektualität und kämpferische Liberalität. Folglich verfügt die Messe- und Ausstellungs-GmbH des Buchhandels nur noch über ein sehr beschränktes Maß an politischer Sensibilität. Und stuft rechtsradikale Propaganda, die sich in Verlagsveröffentlichungen niederschlägt, als eine Meinungsäußerung ein, die von Artikel 5, Absatz 1, des Grundgesetzes gedeckt sei. Also werden auch künftig Messeplätze an rechte Verlage vermietet. Der Absatz 2 dieses Grundrechts, nämlich der Schutz der persönlichen Ehre, und Artikel 2, Absatz 1 (Verletzung der Rechte anderer und Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung), werden bewusst überlesen.

Der Börsenverein hätte allen Anlass, sich eindeutig von jeder Art des Rechtsextremismus zu distanzieren. Seine eigene Geschichte sollte ihm dazu hinreichende Warnung sein. Denn nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten überschlug er sich geradezu mit Ergebenheitsadressen und Anpassungshandlungen. Bereits während der letzten Jahre der Weimarer Republik galt sein Vorstand als stockkonservativ, deutschnational und in Teilen antisemitisch, auch wenn seine Mitglieder nicht der NSDAP angehörten. Doch schon am 14. April 1933, dem Tag, an dem drei Nationalsozialisten in den Vorstand gewählt worden waren, wartete er mit einem „Sofortprogramm“ auf, das die Zusammenarbeit mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda regeln sollte und ebenso die Klärung der „Judenfrage“ zum Inhalt hatte (veröffentlicht im „Börsenblatt“ vom 3.05.1933). Freiwillig reagierte er auf die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 mit einer Liste von Autoren, deren Werke aus den Volksbüchereien entfernt werden sollten (veröffentlicht am 16.05.1933).

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog der Börsenverein aus dieser Verstrickung die richtigen Schlüsse, was sich beispielsweise in der Stiftung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels zeigte. Doch mittlerweile hat in dem Verband eine bedenkliche Geschichtsvergessenheit eingesetzt. Diese geht einher mit einer Branchenentwicklung, in der es kaum noch Verlegerpersönlichkeiten mit literarischem bzw. wissenschaftlichem Gespür gibt. Stattdessen ist ein Wildwuchs an Krämerseelen festzustellen. Dort wird Betriebswirtschaft für eine Kulturwissenschaft gehalten und entsprechend dilettiert man durch die einstige Kulturlandschaft Buchhandel. Das Branchenorgan „Börsenblatt“ befindet sich längst im intellektuellen Sturzflug und fällt lediglich noch auf durch die mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache und durch exzessives Gendern - die eingeschränkte Wahrnehmung der Realität wird komplettiert durch eine oktroyierte synthetische Sprache.

Der Verleger Friedrich Christoph Perthes, einer der Gründer des „Börsenvereins des deutschen Buchhandels“, veröffentlichte 1816 die Schrift „Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseins einer deutschen Literatur“. Heute, im Jahr 2022, muss man leider konstatieren, dass der deutsche Buchhandel ziemlich unter die Räder seines nicht mehr fachkundigen Verbands geraten ist und dass die weniger gewordenen Literaturverleger und Literaturhändler sich nur deswegen behaupten können, weil sie den Börsenverein ausblenden.

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Szenen von der Frankfurter Buchmesse 2021
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