Bildschirmfoto 2022 03 20 um 22.20.31Bildschirmfoto 2022 03 21 um 01.55.33Der zweite Colter-Shaw-Thriller bei blanvalet (Buch) und Random House Audio (Hörbuch) 

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Lange hatte ich keinen der umfangreichen Thriller von Deaver gelesen, habe aber noch die besten Erinnerungen an den jüngeren Deaver und seine Lesung im Englischen Theater in Frankfurt , lange her, aber deshalb in Erinnerung, weil auffiel, welches Wissen dieser Mann auf so vielen Gebieten abrufbar hatte und das alles bei völliger Gelassenheit.

Jetzt bei diesem Buch, in dem zum zweiten Mal mit Colter Shaw ein cooler Typ als eine Art Privatermittler – eigentlich ein Prämienjäger, weil er immer dann tätig wird, wenn für das Auffinden von Menschen oder Klärung von Verbrechen Geld geboten wird - das sich mit einer ganz speziellen Sekte und den furchtbaren Folgen beschäftigt, fällt Dreierlei auf:

1.) Jeffrey Deaver pflegt einen klaren, sachlichen Stil, in dem der Leser durch einen interessanten Vorgang gefesselt wird: ständig scheint eine Handlung für den Helden in die falsche Richtung zu gehen, immer wieder ist er in extremer Gefahr oder schon tot oder von der Brücke gefallen...aber im nächsten Kapitel ist dieser Colter wieder oben auf, denn wir lernen mit ihm strategisches Denken und taktisches Handeln kennen. Er hatte nämlich mit Absicht seinen Verfolgern den falschen Weg gewiesen oder läßt sein Auto von jemandem anderen fahren etc. Er ist seinen Verfolgern immer ein, zwei, drei Gedankenblitzen voraus.

2.) Der Hauptstrang, in dem es um eine abgelegene Örtlichkeit in den Bergen geht, wo ein Sektenführer sein Unwesen treibt und viele Willige sich einsperren lassen in der Hoffnung auf ein besseren Leben nach dem Tode, ist nun keineswegs originell., aber nach wie vor angesichts von abstrusen Weltverschwörungen und den zerstörerischen gesellschaftlichen Folgen einfach aktuell. Das Besondere an der Art, wie Deaver dies nun in einem Thriller aufarbeitet, ist die fachliche Solidität, mit der er grundsätzlich alle Vorgänge begleitet. So lernen wir eine Menge über all die Dinge, die technisch zur Überwachung nötig sind, was nur ein Beispiel ist, für die qualifizierte und und Leser qualifizierende Sachkunde, die nicht aufgedrückt erscheint, sondern als natürlicher Vorgang der jeweiligen Ermittlung. So weiß ich nun auch, daß Mentizid die Ermordung von Geist und Persönlichkeit ist, auch eine Mordmethode.

3) In dieser Art, vorurteilsfrei auf Menschen und Dinge zuzugehen und sie für Ermittlungsarbeit zu nutzen, ähnelt Colter Shaw in meinen Augen dem Helden von Lee Child, dem ehemalige US-Militärpolizist Jack Reacher. Zwar ist dieser noch viel radikaler in seinem Unterwegssein durch die USA ohne Ballast, aber eine moralisch saubere Haltung in allen Dingen des Lebens einzunehmen, ohne töricht oder penetrant zu sein, eint die beiden. Männer mit Ehre im Leib und aufrechtem Gang, die aus Gerechtigkeitsgefühl handeln, tatsächlich die Welt besser machen wollen, aber ohne Getue und Gemache, einfach tun.

Nun endlich die Geschichte, die ein- und ausgeleitet wird durch das Suchen und spätere Finden von Papieren des verstorbenen Vaters, der einer gewaltigen Umweltsünde auf der Spur war, für die BlackBridge - Deutsche müssen dabei natürlich sofort an Blackrock  denken, deren Cheflobbyist CDU-Merz war - verantwortlich ist, was sicher im nächsten Colter-Shaw-Thriller geklärt wird.

Die Hauptgeschichte entwickelt sich aus einem Auftrag, den er im Nu erfolgreich erledigt und die 50 000 Dollar Prämie gleich weiterverschenkt. Doch dabei ist etwas Rätselhaftes passiert. Ein junger Mann hat sich, für Colter völlig ohne Erklärung, einfach mit einemSpruch auf den Lippen vom Berg gestürzt. Er war zuvor in diesem Adlernest in den Bergen gewesen, die ihm Stabilität gegeben hatte. Das erfährt Colter alles an eigenem Leib, als er sich für 7 500 Dollar für drei Wochen bei dieser Organisation einfindet, die sich offiziell als Selbsthilfegruppe für Trauerbewältigung anbietet.

Schnell durchschaut er die Abzocke, die der Anführer durchführt, indem er gleichzeitig durch Abnahme aller persönlichen Gegenstände, den Aufenthalt der Hilfesuchenden zum Gefängnis macht, wobei das System dem gängigen Führersystem ähnelt, wo die Ankommenden als Novizen anfangen und dann in der Hierarchie bei angepaßtem Verhalten aufsteigen können, also auch an der Macht partizipieren. Es ist wirklich eine richtige Sekte, die der Anführer hier installiert. Aber nicht mit Colter Shaw! Ernsthaft, mit Rückschlägen, mit Überraschungen, mit Umfallern, mit Feiglingen und gegen die Bösen gelingt Colter die Zerstörung dieser Einrichtung, wobei dann auch ein paar Morde des unsäglichen Meister Eli geklärt werden. Diesem war zwar gelungen, inmitten des Chaos unter Mitnahme seiner Papiere, die man für den Prozeß gegen ihn braucht, nach Kanada zu fliehen. Aber Colter weiß, wen er ansprechen muß, um den dortigen Aufenthaltsort zu erfahren und diesen Verbrecher mit seinen Vertrauten in US-amerikanischen Gewahrsam zu bringen, damit er vor Gericht steht. Wie es geschieht.

Einfach ein solider Thriller!

P.S.
Diese schnelle Veröffentlichung wäre nicht möglich gewesen, ohne den gleichzeitigen Einsatz von Buch und Hörbuch, aber nein, natürlich nicht gleichzeitig, daß ich beim Lesen hörte, sondern daß ich beide Möglichkeiten wahrnahm. Manchmal kann man richtig lesen, aber manchmal ist man schon über‘s Hören froh, wie beim Autofahren etc. Ich mag beides, wobei diesmal beim Hörbuch leider jegliche Kapitelangabe der insgesamt 85 fehlte, so daß man den jeweiligen Anschluß suchen mußte, was aufhält.

Fotos:
Cover

Info:
Jeffery Deaver. Der böse Hirte. Ein Colter-Shaw-Thriller, Verlag blanvalet, 14. März 2022
ISBN 978 3 7645 0786 2

Jeffery Deaver. Der böse Hirte. Ein Colter-Shaw-Thriller, Random House Audio 2022, gelesen von Dietmar Wunder, leicht gekürzte Lesung, 2 mp3-CDs, Gesamtspielzeit ca. 10 Stunden 30Minuten
ISBN 9 783837 159547