Bildschirmfoto 2022 04 15 um 01.59.08Philip Gwynne Jones läßt Nathan Sutherland bei Rowohlt im Karneval ermitteln

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ausgerechnet Karneval in Venedig!, dachte ich. Ausgerechnet ein Mord in der Oper, dachte ich auch. Auf Anhieb weiß ich, daß es zum Karneval mindestens einen historischen Venedigkrimi gibt und natürlich gibt es auch einen zum Mord in der Oper. Sehr originell ist die Ausgangslage also nicht.

Es ist schon der dritte Fall für Nathan Sutherland, britischer Honorarkonsul in Venedig, lese ich. Für mich der erste und es werden auch nicht viele dazukommen, obwohl es sich um einen soliden Roman handelt. Aber mich nervt einfach die kindische Beziehungsebene zur Freundin Federica, genannt Fede, die dieser Nathan zu einem Hauptthema macht. Dabei hat er mit dem eigentlichen Fall genug zu tun und die Fallaufklärung ist wirklich interessant. Erst recht, wenn man Musik liebt und auch über Monteverdi etwas weiß.

Nathan ist ein Opernfan, er hört ständig Opern, was mich gar nicht nervt, und an diesem Abend will er im Fenice zum 450. Geburtstag von Claudio Monteverdi dessen zweiaktige Poppea sehen - und vor allem hören. Es ist sein eigener Geburtstag. Das paßt. Am Pult wird der Barockexperte Joshua Lockwood die Feinheiten der Musik hören lassen, und die begnadete Sopranistin Isotta Baldan ihre unvergleichliche Stimme durchs Opernhaus strömen lassen. Dachte Nathan, der nur schwer damit zurechtkommt, daß sie die Vorstellung absagte, die ihm dann trotzdem gut gefällt. Weniger, was sich im Opernhaus gegenüber in einer Loge tut. Da taucht mittendrinnen erst einer auf, dann ein anderer und auf einmal gibt’s einen Toten, den Nathan zwar wirklich nicht kennt, der aber seine Visitenkarte, eigentlich eine veraltete, in seinem Portemonnaie stecken hat.

Was hier in Gang gesetzt wird, ist als Geschichte wirklich spannend. Denn es geht um nichts Geringeres als eine verschollen geglaubte Oper von Monteverdi, die Nathan, da er nun mal durch die Visitenkarte sowieso involviert ist, derart antreibt, daß er trotz vieler Rückschläge nicht locker läßt. Mit ihm streifen wir durch Venedig, vor allem seine Bars und die Orte, wo er am liebsten ißt, bzw. sich für zu Hause versorgt. Das ist nicht aufdringlich, sondern Bestandteil des Ambiente, allerdings dann doch hin und wieder überzogen.

Da wir Nathan als Icherzähler folgen, können wir auch nicht schlauer sein als er und müssen seinem Lern- und Erkenntnisprozeß folgen, der ihn erst einmal rätseln läßt, was eine so schöne und begabte Sängerin wie die Baldan treibt, mit einem ältlichen cholerischen Dirigenten wie Joshua Lockwood zusammenzuleben. Und gerne begeben wir uns mit ihm in die Biblioteca Marciana – die Sie gleich am Anfang auf einem Stadtplan mit den wichtigsten Anlaufstellen für Nathan finden. Das mahnen wir sonst an und sind echt dankbar -, wo letzten Endes das Geheimnis um die verschollene Oper ruht, was aber leider noch weitere Tote mit sich bringt, bis es Nathan ist, der alles aufklärt. Clever gemacht.

P.S.
Also der Karneval kommt wirklich vor, bzw. das Auftreten von Nathan und Fede in einer geschlossenen Karnevalseinladung in einem abgeriegelten Palast. Aber der Titel VENEZIANISCHE MASKERADE bezieht sich natürlich nicht nur auf die beiden Verkleideten, sondern darauf, daß im täglichen Leben Masken getragen werden, die mehr Schein als Sein produzieren, auf jeden Fall bestimmte Leute ein anderer sind. Maskerade eben.

Und dann verpaßt der Autor seinem Ermittler auch noch den Nachnamen Sutherland. Nachtigall, ick hör Dir gondeln. 

Wir sind zu wenig auf die musikwissenschafltichen Hintergründe eingegangen, die das Reizvolle an dem Roman sind, der uns so viel besser gefiele, wenn nicht die nervenden Fedepassagen wären!

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Info:
Philip Gwynne Jones, Venezianische Maskerade, Kriminalroman rororo 96900, 2022
ISBN 978 3 499 00696 8