ao5Irmgard Keuns NACH MITTERNACHT, Frankfurt liest ein Buch 2. – 15. Mai 2022, Teil 6

Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das muß man erklären, was allerdings diejenigen, die die Verfilmung von NACH MITTERNACHT kennen, quasi automatisch wissen: was nämlich Desiree Nosbusch, die man schon lange kennt und dabei Luxemburg im Sinn hat, die aber erst mit BAD BANKS so richtig auftrumpfte, was sie mit Irmgard Keun zu tun hat. Ganz einfach: sie war die Hauptdarstellerin der jungen Sanne in der Verfilmung von NACH MITTERNACHT.

zieglerUnd Regina Ziegler (links im Foto) war die Produzentin, deren Mann Wolf Gremm der Regisseur des Films war, mit dem sie bis zu dessen Tod 2015 verheiratet blieb. Das nur, weil dies im Filmgeschäft keine Selbstverständlichkeit ist. Moderieren sollte das Gespräch Cécile Schortmann, die hierzulande durch ihre 3sat Kulturtätigkeit gut bekannt ist. Sie hatte leichte Arbeit, denn die beiden Protagonistinnen von 1981, der Film kam im September heraus, brauchten keinen Wegweiser, um miteinander ins Gespräch zu kommen und den Film auf vielfältige Weise zu befragen, wobei die gezeigten Szenen auf der Leinwand auch den Zuschauern im Mozartsaal die Grundlagen der Verfilmung deutlich machen konnten. Außerdem war die Schauspielerin für diverse Lesepartien aus dem Roman zuständig, was ihr Spaß machte, wie sie überhau0t ihre Anwesenheit an diesem schönen Sommersonntag in Frankfurt genoß.

ao11Damals nämlich, als es eigentlich um Frankfurt ging, fanden die Filmaufnahmen zu dem Roman, der ja ausschließlich in Frankfurt spielt, gar nicht hierzulande statt, sondern in Berlin in den Ecken, die nach Frankfurt aussahen, erzählten Regina Ziegler und Desiree Nosbusch(rechts im Foto), so daß sie, die Schauspielerin, so richtig erst mit BAD BANKS diese Stadt kennen- und auch lieben lernte, das konnte man ihr abnehmen, so galant kam es herüber. In der Ankündigung der Abschlußveranstaltung war noch von ihrer digitalen Zuschaltung die Rede, aber sie saß wohlgestimmt auf dem Podium und sagte dem Publikum viele Nettigkeiten, die man ihr gut abnehmen konnte. Schließlich wissen die Frankfurterinnen und Frankfurter selber ganz gut, wie angenehm es in dieser Stadt zu leben ist: kulturell offen, mit geistigen Ansprüchen und dem Wehen der Goethe-Universität Richtung Main, wo das Museumsufer den Kohl fett macht.

ao2Das war wirklich eine würdige Abschlußveranstaltung mit geballter Frauenpräsenz, die Sabine Baumann (links im Foto), Vorsitzende des Vereins FRANKFURT LIEST EIN BUCH e.V. mit einer Zusammenfassung der Veranstaltungen beider Wochen und dem Dank an so viele eingeleitet hatte und dem Hinweis, daß mit der Verfilmung die Karriere von Nosbusch begann. Ja, konnte die aus der Erinnerung schon deshalb so gut erzählen, weil es ihr Start ins Filmgeschäft war. Es gab ein Casting und das sprach für sie, bestätigte die Produzentin. Was das damals für ein junges Mädchen aus Luxemburg bedeutete, das erzählte Frau Nosbusch um so lieber, weil sich dann alles anders entwickelte. Sie habe in Berlin zum ersten Mal eine Großstadt kennengelernt, das sei ihr alles so groß erschienen und ein bißchen gefährlich auch.

Regina Ziegler konnte beisteuern, warum überhaupt Keuns Roman als Verfilmung nahelag. Sie und ihr Mann hätten viel gelesen, sich auch gegenseitig vorgelesen, sie waren über die Gegenwartsliteratur informiert, hatten auch die Romane von Irmgard Keun gelesen und hatte eine filmische Dokumentation über sie erstellt. Sie hatte 1973 ihre Firma gegründet und war stets auf der Suche nach neuen Stoffen zur ao4Verfilmung. Da lag NACH MITTERNACHT nahe, dem Keun gerne zustimmte, mit der Auflage, dann wolle sie aber mitspielen und Hitler wenigstens hier die Zunge herausstrecken. Und das konnte man dann in der gezeigten Szene verfolgen. Wirklich witzig. Die Autorin sitzt als ältere Frau im Kaffee an einem Tisch, wo die Nazis schon anläßlich des Führerbesuchs in Frankfurt ihren Mitmachterror exerzieren und die Leute aufstehen und ‚Heil, Hitler‘ brüllen, mit der gezielten Armbewegung und mitten in diese Aufnahmen, sieht man die Keun dem Hitlerbild und den Anhängern die Zunge rausstrecken. Das geht so schnell, daß man kurz glaubt, man habe sie das eingebildet. Ist aber wahr und war sicher eine handfeste Schadenfreude für Irmgard Keun, die dieses Monster überlebt hatte.

Natürlich kam die Produzentin auch auf die Entscheidung zu sprechen, die Handlung nur in Frankfurt spielen zu lassen. Im Roman kommt das junge Mädchen erst aus dem Heimatdorf zur Tante nach Köln und flieht vor dieser mit deren Sohn nach Frankfurt. Unsere Kollegin hatte in ihrer Filmrezension dargelegt, warum sie diese Entscheidung nicht für gut hält. Es sei schwierig gewesen, mit der Umsetzung in ein verfilmbares Drehbuch, erzählte Ziegler. Acht oder neun Drehbuchfassungen hätte es gegeben, bis die Entscheidung fiel. Wichtig der Hinweis, daß es damals noch keine Filmförderung gegeben hat, es mußte eine Produzentin also ordentlich wirtschaften, um einen Film überhaupt fertig drehen zu können.

Das war eine Veranstaltung an einem Sonntagmittag, die man hätte mitschneiden müssen, so viele Details der damaligen Verfilmung kamen ans Licht. Es gibt nicht mehr viele, die das noch wissen und es lohnte das Zuhören sehr. Irmgard Keun sei sehr bescheiden gewesen, erzählten beide, und sehr lustig auch. Nie habe sie von den Nazis gesprochen, immer nur von den BIESTERN. Als Zuhörerin dachte man zufrieden, wenigstens sie hatte diese überlebt.

Fotos:
Im Gruppenporträt Baumann, Ziegler, Schortmann, Tochter von I.Keun, Nosbuch
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