Mo Hayder, DIE PUPPE, erschienen bei Goldmann und im Hörverlag, Teil 2

 

Manfred Schröder

 

München (Weltexpresso) – Der Autorin gelingen Figuren, die man in Erinnerung behält. Das ist einmal die herzerfrischende Tante von AJ, namens Patience, was ein Hohn ist, ist ihr Verhalten doch derart rauh, aber herzlich, dem in jeder Hinsicht Geduld fehlt. Da ist die Direktorin der Anstalt, Melanie Arrow, honigblond, gutaussehend und …

 

 

vieldeutig und auch Penny Pilson ist attraktiv, aber auf ganz andere, leicht hippimäßige Art. Doch, das merkt man, daß Mo Hayder die Frauen auf besonders bunte Weise zum literarischen Personal kürt. Und auch Flea Marley, Tauchspezialistin und Mitarbeiterin von Jack Cafferty ist sozusagen mit allen Wassern gewaschen. Und dem Detective ziemlich widersprüchlich ans Herz gewachsen.

 

Mit den Insassen der Klinik, allesamt Schwerverbrecher mit psychiatrischen Defekten, lernen wir die ans Herz gehende Figur der Monster Mother kennen, die für alles Schlimme in der Welt von vorneherein die Verantwortung übernimmt, denn sie ist die Mutter aller Schmerzen und die Fehlgeleiteten sind allesamt ihre Kinder. Aber die Sympathischen und Gradlinigen auch. Das ist in erster Linie AJ, ihr Lieblingskind, den alle so nennen, der eigentlich LeGrande heißt und Pflegedienstleiter dieser Klinik ist und ein wenig das literarische Schicksal des Detectives teilt. Denn wir lernen ihn als ziemlich leicht beeindruckbares, recht hilfloses Mutter/Tantensöhnchen kennen und haben uns damit so was von geschnitten. Denn dieser AJ wird ein Fels in der Brandung werden, dem sogar die Aufklärung des Falles gleichzeitig mit dem Detective gelingt. Nur, was am Ende für den Polizisten eine berufliche Fallklärung ist, wird für AJ ein persönliches Desaster.

 

Dazwischen nun liegt das Geschehen, das Fahrt aufnimmt, als Isaac Handel nach 15 Jahren Sicherheitsverwahrung überraschend entlassen wird, was AJ und alle anderen schon deshalb nicht verstehen können, weil dieser als 14jähriger die Eltern auf besonders grausame Art ermordet hatte und für die Unruhe in der Klinik zumindest von AJ verantwortlich gemacht wird, wo es eine weitere Tote gab und sich ein anderer mit dem Löffel ein Auge ausstieß. Wir sagten es doch, nichts für Zarbesaitete.

 

Dieser Isaac, grundsätzlich ungewaschen und dazu noch nach Urin stinkend hat sich eine Welt von Puppen erschaffen, die er bestimmten Menschen nachbildet und deren Funktion widersprüchlich sind. Zum einen passen sie in das Schema, was auch Voodoo vermittelt, daß die Puppen stellvertretend für jeweilige Menschen das Schicksal erleiden, daß diese Menschen dann trifft, aber – und das wird das Spannende am Roman – sie haben weitere, durchaus positive Funktionen, die allesamt davon deuten: ES IST NICHT SO, WIE ES AUSSIEHT.

 

Dieser im Roman von verschiedenen Personen mehrfach ausgesprochene Satz kann für den gesamten Thriller gelten und ist natürlich eine Regel jedes Kriminalromans, der spannend bleiben möchte, weil er in der Handlung zwar Stolpersteine versteckt, die kundige Leser hoffentlich zur Lösung aufgreifen, aber doch mit dem Täter, der Täterin immer auch noch für eine Überraschung gut sein wollen. Was Mo Hayder gelingt, wobei im letzten Viertel der aufmerksame Leser immer mehr in die Täterentdeckung miteinbezogen wird. Aber tatsächlich passiert die endgültige Entlarvung erst ganz am Schluß.

 

Vorher aber erleben wir an Allerseelen das große Herz von Mother Monster in einer der lyrischsten Episoden, die man aus Kriminalromanen überhaupt kennt, ein Herzstück vom Ganzen und der letzte Beweis, daß Mo Hayder hier nicht einfach ein irrlichterndes skandalträchtiges Thema für ein spannendes Buch nutzt. Sie nimmt sich der psychiatrischen Probleme ernsthaft und mit Fachkenntnis an und läßt dies Wissen nicht parallel oder als Exkurs in den Roman einfließen, sondern nimmt es als dramaturgischen Kern, um den herum sich alles entwickelt und wieder einmal zeigt: Es ist nicht so, wie es aussieht. Das bezieht sich auch auf die sogenannten normalen Figuren in diesem Psychothriller, über deren gefährlichste ein Ahnender auf Seite 380 sagt: „Sie müssen mir glauben, wenn ich Ihnen das erzähle. Sie ist verrückter und gefährlicher als irgendein Patient in dieser Klinik.“

 

Wir haben mit dem Buch angefangen, dazwischen das Hörbuch gehört, uns dann einige Stellen parallel vorgenommen: gelesen und gehört und finden, daß sich beides auch in der Kombination richtig lohnt. Beim Lesen erkennt man die englischen Namen auf Anhieb, was beim Hören oft gequetscht klingt und beim Lesen kann man auf Anhieb zurückliegende Stellen überprüfen, was im Hörbuch schwieriger ist, das andererseits eine starke Sogwirkung entfaltet. Beim Hören gibt Steven Scharf den allkundigen Erzähler, der in viele Rollen schlüpfen kann, und uns sicher durch eine vielschichtige mysteriöse Geschichte leitet.

 

 

INFO:

 

Mo Hayder, Die Puppe, Goldmann Verlag, Erscheinungsdatum 17. Februar 2014

 

Mo Hayder, Die Puppe, ungekürzte Lesung, Laufzeit 13 h 10 min., 2 mp3-CD, Erscheinungsdatum 17. Februar 2014

 

 

Mo Hayder: Die 1962 in Essex Geborene verließ mit 15 Jahren ihr Zuhause und nahm einen weiten Weg durch die Welt, wo sie beispielsweise in Tokio im Nachtclub arbeitete und in den USA Filmwissenschaften und Creative Writing studierte. VOGELMANN war ihr erster Krimi, der erste auch mit DI Jack Cafferty, der sie gleich in die Liga der Bestsellerautoren expedierte.