Bildschirmfoto 2022 07 08 um 01.45.32ALLGEMEINE PANIK von James Ellroy im Ullstein Verlag

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „Ich bin gelangweilt. Ich habe zu wenig zu tun. Wenn ich mich ganz fest zusammennehme, kann ich vielleicht noch etwas Kühnes, Tapferes und Dummes zustande bringen.“, läßt der Autor den Ich-Erzähler Freddy Otash auf Seite 377 sagen, aber erstens gelingt es ihm nicht und zweitens ist es genau meine Situation als Leserin: Ich bin vom Buch gelangweilt, kann aber nichts Kühnes und Tapferes darüber schreiben.

Und Dummes? Das schon eher. Dabei hatte ich mich so auf diesen Roman gefreut. James Ellroy fand ich mal ganz toll, hatte lange nichts mehr von ihm gelesen und stürzte mich wohlmeinend hinein – und fiel ins Bodenlose. Zuerst fand ich die Idee dieser Lebensbeichte Klasse. Den kenne ich doch irgendwie von früher, den Freddy Otash, gewesener Marinesoldat, Polizist beim LAPD, Aufschneider, Privatdetektiv, Frauenverführer, Erpresser, Stinkefinger, Schmuddeltype, der nun seit 28 Jahren festsitzt, aber frei kommt, wenn er endlich die Wahrheit über alles sagt, was er erlebt, was er getan und was andere getan haben.

Das klingt doch interessant und wenn man dann noch erfährt, daß – und auf welche Weise – er in den Fünfziger Jahren Chefredakteur des US-Klatschmagazins Confidential wurde, stellt man sich auf allerlei Enthüllungen ein. Aber, das, was dann kommt, will man gar nicht wissen. Wie nennt man die, die mit Namen angeben? Eindeutig ein Fall für Namedropping. Und das gleich doppelt. Als Zeitungsmacher hat Otash den Prominenten aus dem Film- , Theater- und Musikgeschäft wirkliche oder erfundene Schweinereien durch Confidential öffentlich auf den Leib geschrieben und als geständiger Ausplauderer läßt ihn der Autor das alles noch einmal hier im Roman aussprechen.

Dabei wird es dem Leser, hier der Leserin, zunehmend egal, was damals passierte, auch wenn er es in Tages-, Monats- und Jahresangaben genau angibt und damit eine Wahrheitsfindung suggeriert. Was in den ersten Seiten und durchaus noch eine ganze Weile als die Sprache der Zeit und die Sprache solcher Magazine hervorragend funktioniert und einen Baby Schimmerlos aus der Serie KIR ROYAL, Klatschreporter bei der Münchner Allgemeinen Tageszeitung, absolut neidisch machen müßte, diese säuische, brutale, übertreibende, männerdominierende, also machohafte, frauenverachtende, gewaltverherrlichende Sprache, die geht einem ab irgendwann derartig auf die Nerven, weil sie nichts transportiert, was einem einen inhaltlichen Mehrwert bescherte. Absolut nichts.

Deshalb weigere ich mich auch, die ganzen Namen der Hollywoodgrößen zu nennen, die Ellroy hier in sexistische, aber auch verbrecherische Zusammenhänge bringt und wundere mich, daß er das einfach kann und wenn es nur solche Erfindungen sind, daß der röhrende Freddy Otash mit Liz Taylor ein Verhältnis hat. Halt. Da soll dieser Typ ja einem echten Vorbild nachempfunden sein. Ach was, auch dann interessiert mich das nicht die Bohne, die Zeiten sind über so etwas und solche Personen drübergegangen. Das Ganze ist so gestrig, so vorbei, daß mir keine andere Einschätzung einfällt als die, daß es sich um ein absolut überflüssiges Buch handelt, das einfach nicht in die Zeit paßt. Der arme Übersetzer, dachte ich, von dem ich hörte, daß er es liebt, Ellroy zu übersetzen. Daß er sich Mühe gegeben hat, merkt man, aber es fehlt das echte Leben, weshalb dieser Roman ab irgendwann nur noch künstlich und die Sprache gekünstelt wirkt. Einfach unecht das Ganze.

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Info:
James Ellroy, Allgemeine Panik, aus dem Amerikanischen von Stephen Tree, Ullstein Verlag 2022
ISBN 978 3 550 20160 8
26 Euro