„Mit dem Mut des Herzens“ - Erinnerung an ein Standardwerk zum deutschen Widerstand gegen das Naziregime
Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Welchen Sinn hat es, ein Buch zu besprechen, das im Handel nicht mehr zu bekommen ist? Weil der Inhalt jeden zutiefst berührt, der kein Herz aus Stein hat. Wer sich ein Bild von dem Geschehen rund um das Attentat auf Hitler machen will, sollte die Mühe nicht scheuen, in den Antiquariaten Europas nach dem Standardwerk über den deutschern Widerstand gegen das Naziregime zu suchen.
Im Vorwort zur ersten Taschenbuchauflage im Jahr 1997 schreibt der deutsch-amerikanische Historiker Klemens von Klemperer, ohne die Berücksichtigung des familiären Umkreises und vor allem der Frauen des 20. Juli bliebe die Geschichte des Widerstandes ebenso unvollständig, wie jede Art von Geschichtsschreibung. Die elf Frauen, um die es in dem Buch geht, waren nicht bloß Gefährtinnen ihrer Männer, sondern Kämpferinnen eigenen Rechts, deren Tun und Lassen entscheidend gewesen sei für deren Motivierung.
Der Frauenanteil am Widerstand gegen das Naziregime sei hinsichtlich seiner Form und seiner Intensität durchaus verschieden gewesen. Ohne Zweifel sei keine der Frauen des 20. Juli so aktiv gewesen, wie die Frauen im kommunistischen und sozialistischen Untergrund. Überhaupt müsse daran innert werden, dass der Widerstand der extremen Linken sich durch sein konspiratives Engagement wesentlich vom so genannten bürgerlichen Widerstand unterschied.
Die Leute des 20. Juli seien keine Revolutionäre gewesen und es wäre verfehlt, ihren Widerstand im Lichte heroischer Verklärung zu sehen. Gleichwohl sei der Hinweis von Gräfin York zutreffend, dass die Männer des 20. Juli ohne ihre Frauen nicht das hätten tun können, was sie getan haben, seien sie doch alle von der Liebe und der Gemeinsamkeit abhängig gewesen. Mitwisserschaft sei an und für sich immer schon eine Form der Mitverantwortung gewesen. Nach dem Blutgericht der Nazis, in dessen Verlauf die meisten Frauen aufgrund der Sippenhaft in Konzentrationslager und Gefängnisse eingeliefert wurden, war es nach den Worten Klemperers ihr Los, für ihre Familien zu sorgen und ihrem Leben wieder eine Form zu geben. Dazu habe auch gehört, dass die Kinder, die unter falschen Namen verschleppt worden waren, wieder gefunden werden mussten.
Die Verfasserin des Buches, Dorothee von Meding, erzählt in ihrem Buch die Geschichte von elf Frauen, mit denen sie über das Geschehen im Jahr 1944 habe sprechen können. Nicht alle seien von ihren Männern gefragt worden, ob sie dieses Opfer bringen wollten; nicht alle hätten sich für Politik interessiert. In erster Linie hätten sie sich als die Frauen der Männer begriffen, die sie liebten.
Zu Worten kommen in dem Band: Emmi Bonhoeffer, Elisabeth Freifrau Freytag von Loringhoven, Brigitte Gerstenmaier, Margarethe Gräfin von Hardenberg, Freya Gräfin von Moltke, Rosemarie Reichwein, Clarita von Trott zu Solz, Marion York von Wartenburg, Charlotte von der Schulenburg, Barbara von Haeften und Nina Gräfin Schenk von Stauffenberg.
Keine der Witwen hat wieder geheiratet. Keine der interviewten Frauen war bis dahin mit einem vergleichbar ausführlichen schriftlichen Zeugnis an die Öffentlichkeit getreten. Dorothee von Weding zitiert eine von ihnen mit dem Satz, man habe ja erst noch einmal durch die Hölle der Erinnerung hindurchgehen müssen, um die Erinnerung benennen zu können.
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Umschlagabbildung
Info:
Dorothee von Meding, Mit dem Mut des Herzens – Die Frauen des 29. Juli, Siedler Verlag, Originalausgabe 1992, genehmigte erste Taschenbuchausgabe 1997, Goldmann Verlag