Bildschirmfoto 2022 07 20 um 04.07.57Christoffer Carlsson verbindet zwei länger zurückliegende Morde, der eine an Olof Palme, der andere wird sehr spät, aber immerhin aufgeklärt

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auch wenn man keine Schwedin ist, bleibt für diejenigen, die den Mord an Olof Palme am 28. Februar 1986 miterlebten, dieser Mordfall auch deshalb unvergeßlich, weil es sich einerseits um einen sehr beliebten, für Frieden und soziale Gerechtigkeit einsetzenden sozialdemokratischen Ministerpräsidenten handelte, der andererseits auf dem Rückweg vom Kino nach Hause auf belebter Straße erschossen werden konnte, ohne daß bis heute sein Mörder bekannt ist.

Jungen Menschen muß man dazu sagen, daß man damals kaum Personenschützer hatte und es zudem im nahbaren Schweden dazu gehörte, daß der Regierungschef einer von allen war.

Im Roman erhält nun die Polizei ebenfalls im Februar 1986 in der gleichen Nacht einen Anruf, in dem sich ein Mann der Vergewaltigung einer Frau beschuldigt, er nennt auch noch den Ort und das Obszöne ist, daß er ankündigt, dies wieder zu tun, was geschieht, am Schluß sind drei Frauen tot, bzw. vermißt, die sogenannten Tiarp-Morde.

Christoffer Carlsson verwendet nun eine zweite Duplizität, nicht der Ereignisse, sondern der Personen, in dem er Vater und Sohn, Sven und Vidar Jörgensson, beide Polizisten, ermitteln läßt. Als die Tiarp-Morde geschehen, ist Sven der zuständige Ermittler und es macht ihn buchstäblich krank, daß er nicht weiterkommt und es nicht bei dem einen Mord bleibt. Sein Sohn Vidar ist damals ein Pubertierender, der dann zur Überraschung des Vaters auch Polizist wird und da er früh stirbt, sein Nachfolger an der Dienststelle wird und in diesem Zusammenhang die alten ungelösten Fälle findet, unter diesen die Tiarp-Morde. Da liest er auch erst, daß sein Vater die vergewaltigte und schwer verletzte Frau aus dem Auto hob, in sein eigenes verfrachtete und sie direkt ins Krankenhaus fuhr, sie aber schon tot ankam. So sehr man das nachempfinden kann, ist es dennoch falsch, weshalb es zu Untersuchungen und Verdächtigungen kommt.

Das Entscheidende an diesem Roman ist gar nicht die eigentliche Handlung, jetzt die Aufklärung, sondern wie der Autor die Vergangenheit in der Gegenwart aufleben, mächtig werden läßt. Er beginnt nämlich mit einem Rückkehrer, ein Mann, ein Schriftsteller, kehrt 2019 heim, wo seine Nachbarin, eine ehemalige Polizistin, ihm anvertraut, was es mit den Tiarp-Morden auf sich hatte. Wir lesen also eine Verschachtelung, die es in sich hat, zwischen den Zeiten, zwischen den Morden, denn immer wieder wird vom Verlauf der Aufklärung des Palme-Mordes berichtet, vom gefundenen, angeblichen, sogar verurteilten Mörder, den keiner für den Schuldigen hält. Es wird im Roman alles angestoßen, bewegt sich, aber bleibt in der Schwebe, wie ein Mobile, das ebenfalls angestoßen, durch Auspendeln sein Gleichgewicht wieder findet.

Es ist manchmal schwer auszuhalten, wenn eine, die früh weiß, wer der Schuldige ist, diesen aus familiären Gründen nicht nennt, wobei ein anderer, also Unschuldiger als angeblich schuldig zu Tode kommt. Das ist kein harmloser Krimi, sondern eine Geschichte, die unter die Haut geht, wozu auch die hin und wieder eingestreute Ermittlung im Palme-Mord gehört, weil man einfach nicht verstehen, ja nicht glauben mag, daß der Mord an Olof Palme nicht aufzuklären ist.

P.S. 
Schwierig für deutsche Leser einzuschätzen, ist die im Roman ständig von der Landbevölkerung geäußerte negative Meinung zu Olof Palme, dem nach dem Mord sehr viel vorgeworfen wird, was in den Augen deutscher Leser nicht mit seinem internationalen Ruf übereinstimmt. 

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Info:
Christoffer Carlsson, Was ans Licht kommt, Rowohlt Verlag 2022,
ISBN 978 3 498 00172 8