Ein Mira Valensky-Krimi von Eva Rossmann aus dem Folio Verlag
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wurde auch Zeit, immerhin sind diese Krimis früher im Jahrestakt erschienen, seit 1999 haben sich so mit dem neuen 21 Mira-Krimis angesammelt, wobei man - der Wahrheit entsprechend - inzwischen doch auch von Vesna Krajner Krimis sprechen sollte, der unnachahmlichen Freundin der Journalistin, die früher zuerst als Putzfrau, dann als Chefin einer ganzen Putzkolonne und inzwischen eigentlich nur noch als Freundin und Oma detektivisch dabei ist und für die Leserin sprachlich immer eine ganz besondere Freude ist.
Das ist das eine. Das andere ist Sardinien. Denn DER TOD EINER HUNDERTJÄHRIGEN ereignet sich dort, was ja kein Kriminalfall wäre, wenn da nicht das sardonische Lächeln der sogar 102jährigen Greisin auf einen Mord verweisen würde. Mira und Vesna bekommen das mit, weil Vesnas Tochter mit der noch ganz kleinen Enkelin Lilli dort eine Weile zu Hause sind, weil Vorfahren des Vater von dort stammen und zu Coronazeiten es dort angenehm war.
Sardinien? Da war doch was. Tatsächlich gehört MÄNNERFALLEN von 2013, der in Sardinien spielt, zu meinen Lieblingsexemplaren der Reihe, weil es dabei um Feminismus, Weltbestseller sowie Sprache geht und ein Literaturfestival – wahrlich kein gängiges Thema bei Kriminalromanen! - eine wichtige Rolle spielt. Das fand ich der Literatur wegen total spannend und wenn man dann erfährt, daß Eva Rossmann, die im Umkreis von Wien zu Hause ist, dort sogar noch immer bei Wirt Buchinger kocht, in Sardinien ein weiteres kleines Zuhause hat, dann versteht man, warum ihre Sardinienkenntnisse nicht angelesen sind, sondern in diesem Krimi so durchschlagen, als ob sie eine Sardin wäre. Übrigens ist mir auch noch nie der Zusammenhang von Sardinien mit der Sardine so aufgefallen. Das wäre auch ein Thema für die sprachsensible Mira Valensky.
Im Ernst. Dieser Krimi gehört erneut zu ihren besten! Sie bringt eine interessante Geschichte, die mit unserer Gegenwart und unserem Lebensoptimierungswahn zu tun hat, gleichzeitig die sardische Gesellschaft, ihre Geschichte und dortiges karges Leben mit viel Gemüse und guter Luft als Bedingung für besonders langes Leben thematisiert, wobei das Essen und die Kräuter eben eine besondere Rolle spielen, weil Eva Rossmann der Mira zumindest ihre Leidenschaft für Lebensmittel und Kochen mit auf den Leib schreibt.
Lebensoptimierungswahn heißt hier, aus der Tatsache, daß die Leute dort sehr sehr alt werden, Kapital schlagen zu wollen, was nicht die Sarden selbst tun, sondern hier ein Deutscher namens Hartmann (klar, ein harter Mann!), der sogar das Silicon Valley für sein Produkt SardaVita begeistern will, weil dort die Forschung, was man tun muß, um steinalt zu werden, am intensivsten ist. Meine Güte, was man hier alles lernt, auch daß die Ogliastra, das raue Hochland Sardiniens eben die Gegend der Hundertjährigen ist und zu der blauen Zone gehört, wie man nach Buettner die insgesamt fünf Gegenden auf der Welt benennt, in denen die Menschen besonders alt werden: neben Sardinien Okinawa (Japan), die Nicoya-Halbinsel (Costa Rica), Ikaria (Griechenland) und unter den Siebenten-Tags-Adventisten in Loma Linda, Kalifornien.
Mira und Vesna kommen also nach Sardinien, wo deren Tochter in einer zukünftigen Luxusanlage, jetzt aber noch bescheidenem Kent’Annos (Hundert Jahre) genanntem Ressort nur die Ankunft der Mutter abwartet und umgehend mit der kleinen Lilli zu einem Kongreß entschwindet. Das muß dramaturgisch so sein, denn Mira hatte vor Jahren eben doch zu wenig Italienisch gelernt – Sardinien gehört zu Italien, auch wenn die Sarden das nur notgedrungen so akzeptieren - , als daß sie mit den Bewohnern richtig sprechen könnte, was für eine Mordaufklärung aber doch wichtig ist. Also muß eine Übersetzerin her, die es auch gibt, eine sehr undurchsichtige Elena, die nach Jahrzehnten im Ausland auf einmal nach Hause zurückkehrte, ein lockeres Verhältnis mit einem Mann hat, der spätestens jetzt ins Spiel kommt: der Spielmann für Hartmann: Tom Marek. Das ist ein bekannter Schauspieler, der in einer erfolgreichen, jetzt abgesetzten Krimiserie, nein nicht der Bergdoktor, aber so ähnlich, den erfolgreichen Kommissar gibt, was er im Leben fortsetzt. Seine Sympathiewerte und die Tatsache, daß er über Sechzig ist, aber eine um die Hälfte jüngere Partnerin hat, machen ihn zum idealen Träger für SardaVita und für die zukünftige Anlage Kent’ Annos. Offiziell. Alles anders, denn er ist Gelegenheitsliebhaber für Elena und ein ziemlich ängstlicher Kerl, der es mit der Angst kriegt, als er sich als Aushängeschild von Hartmann begreift.
Fehlt noch Sandro, der Enkel der toten 102jährigen, der als ehemaliger Kellner nun der zukünftigen Hotelanlage als Direktor vorstehen soll, wobei er Hartmann versprochen hat, daß die Familie ihm billig ihr Land verkauft, auf der das Ressort entstehen soll, doch die Oma ist dagegen. Alles klar?
Im Nachhinein schon, aber Eva Rossmann fährt mit uns Schlitten und auch mit Mira und Vesna, die diesmal recht schwer von Kapee sind und Todesgefahren ausgesetzt sind, nicht nur, aber auch, wenn Vesna über die steilen Bergstraßen mit extremen Kurven brettert.
Das ist mal ein Kriminalroman, in dem so viel Lebenserfahrung, so viel Zeitkolorit (sogar der bundesdeutsche Coronaboß Drosten wird ausführlich zutiert!), so viel notwendige Vorsicht den glücks- und lebensversprechenden Mittelchen gegenüber vorkommt, in dem man darüberhinaus auch zur besonderen Freude eine Menge, nicht nur über Kräuter lernt, über die guten und über die giftigen auch. Toll!
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Info:
Eva Rossmann, Tod einer Hundertjährigen. Ein Mira-Valensky-Krimi, 23. August 2022, Folio-Verlag
ISBN 978 3 85256 862 1