Ein Fall für Commissario Casabona von Antonio Fusco bei Tropen
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Für uns ist dies der erste Krimi des italienischen Autors, der einmal nicht Staatsanwalt, Polizeikommissar oder Rechtsanwalt ist, aber wie diese einen Brotberuf hat, der mit Verbrechen alles zu tun hat, was man sich nur wünschen kann: er ist Forensiker bei der italienischen Staatspolizei, heißt es im Klappentext, was wieder einmal die Frage nach den Unterschieden von Pathologen und Forensikern aufwirft, die allesamt zur Gerichtsmedizin gehören.
Wenn man liest, daß Antonio Fusco 1964 in Neapel geboren ist und in der Toskana arbeitet, erklären sich die Ausgangsdaten dieses Krimis wie von selbst.
Commissario Casabona arbeitet in Valdenza, einem Ort in der Toskana und die Wurzeln der hier aufzuklärenden Verbrechen liegen bei der Camorra in Neapel. Geschickt gemacht und nach dem Lesen kann man sich gut erklären, warum er – laut Verlag – in Italien besonders erfolgreich ist und dies der sechste Fall des Commissario Casabona ist. Fusco läßt nämlich neben dem Drumherum um den Kommissar und seiner Frau, also einem guten Anteil privatem Lebens, auch soviel von gesellschaftlicher Wirklichkeit Italiens einfließen, daß man wieder einmal sagen kann, daß der Krimi heute der Ort ist, wo gesellschaftlich Relevantes verhandelt wird.
Der Plot beginnt raffiniert, zumindest ist mir kein solcher Fall bekannt: morgens um sechs Uhr stehen vor der Tür des Commissario mit heftigem Klingeln – die Polizei! Aber es ist kein kollegialer Besuch, sondern er ist des Mordes verdächtig und sein Haus wird durchsucht. Und nun kommt ein starker Trick. Er wird erst nur als Zeuge vernommen, vermutet aber, daß er nach der Durchsuchung verhaftet wird. Deshalb geht er unter Mitnahme seiner Papiere und Pistole über’s Toilettenfenster stiften. Damit ist er zwar weg, aber er ist nicht als Beschuldigter geflüchtet, was dienstlich wichtig ist.
Grund seiner beabsichtigten Verhaftung ist der Mord an seinem Rivalen gewissermaßen. Der nun tote Onkologe Marco Romoli war der Liebhaber seiner Frau, die ihn dessentwegen verlassen hatte. Durchaus ein massives Mordmotiv. Nur war er es nicht, sagt der Ich-Erzähler, dem wir glauben, auch wenn es neuerdings Mode wird, von einem unzuverlässigen Erzähler getäuscht zu werden. Alle Passagen des Romans, in denen der Ich-Erzähler nicht anwesend ist, werden dann konsequent in kursiv abgedruckt.
Was sich nun entwickelt, knüpft an alte Verhältnisse an, wo Vertrauen und Freundschaft hohe Werte waren. Die Mordermittlung wird von den hochnäsigen Florentiner Kollegen übernommen, die die aus Valdenza für beschränkt halten, was denen als gute Ausrede gibt, sich mit Casabona, dessen Versteck sie ahnen, in Verbindung zu setzen, damit man gemeinsam den Mörder am Onkologen entlarvt. Erschwert wird Casabonas Lage, weil ein inhaftierter Mafioso, dem es um die Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm geht, erklärt, daß ihn Casabona zum Mord am Onkologen gedingt habe, was er nur wegen seiner Inhaftierung nicht ausführen konnte.
Über viele Stationen verfolgen wir nun die Suche der kleinen Truppe, die immer Angst haben muß, daß die Florentiner oder die Staatsanwaltschaft von ihrer gemeinsamen Sache mit dem flüchtigen Casabona Wind bekommt. Hintergrund des Mordes am Onkologen mitsamt der Schuldzuweisung an den Commissario sind im Ausland gekaperte Container Kokain, die als Kampf der einen Mafia mit anderen um den Gewinn zu interpretieren sind, worin auch der Onkologe verwickelt war, weil er einen seit 20 Jahren gesuchten Obermafioso gegen dessen Krebs behandelte und als Mitwisser verschwinden mußte. Am Schluß laufen alle Fäden ordentlich zusammen. Der Fall ist geklärt. Ob das Ehepaar Casabona noch eine Zukunft hat, wird der nächste Krimi zeigen.
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Info:
Antonio Fusco, Schatten der Vergangenheit. Ein Fall für Commissario Casabona, Tropen 2022