YASMINA REZA: Glücklich die Glücklichen bei HörbucHHamburg, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da haben die Kölner den Leipzigern wieder einmal den Rang abgelaufen und zum 19. März im Schauspiel Köln im Depot 1, Müllheim Yasmina Reza zu einer Lesung GLÜCKLICH DIE GLÜCKLICHEN innerhalb der litCologne eingeladen.
Wir haben erstaunt beim Hören unglaublich viele bekannte deutsche Stimmen gehört, von Matthias Brand, über Wolfram Koch, von Birgit Minichmayr bis Eva Matthes. Ach was, Hanns Zischler muß man auch erwähnen und auch die beiden Ninas, Nina Petri und Nina Hoger, um deutlich zu machen, wie prominent Hörbuch Hamburg die Buchvorlage vertonten. Sie alle haben keine Mühe den Menschen, in denen es in Yasmina Rezas Buch geht, die Alltagsstimme zu geben, die die Erzählungen zu etwas machen, was wir entweder alle selbst aus den glücklichen wie den unglücklichen Beziehungen, Ehen und sonst was kennen oder auch dem, was wir fast täglich bei anderen mitbekommen.
Zum Beispiel heute beim Aldi in Ginnheim, was ein Frankfurter Stadtteil ist und einen Aldi Markt beheimatet, in den aus dem Umkreis jung und alt kommt. Ganz frühmorgens meist die Älteren, dann ab vormittags Herden von Jugendlichen aus der benachbarten Berufsschule. Ob allerdings das gut situierte Paar, das uns Umstehenden diese perfekte Kopie einer Rezaschen Erzählung lieferte, eine Parodie wollte oder nur wie immer agierte? Wir tippen auf Letzteres, auf jeden Fall war das buch- und filmreif, was da an beleidigtem Gesicht auf dem Frauenantlitz zu sehen war und der herrischen unduldsamen, ja geradezu unverschämten Stimme des schon mehr als angegrautem Herrn. Warum diese Szene stattfand? Da kann man sich sofort hineinversetzen und deren fiktiven Dialog im inneren Ohr verfolgen, erstens, wenn man auf solches Auseinandersetzungen geeicht ist, zweitens, wenn man das erste Kapitel von GLÜCKLICH DIE GLÜCKLICHEN gehört hatte.
Dort nämlich geht es genau um ein Ehepaar, das sind Robert und Odile, im Supermarkt. Fassungslos hört man sich an, und kennt das doch irgendwie, wie ein harmloser Käseeinkauf zum Stolperstein ihrer Ehe wird, zu der Mauer wird, über die beide sich nicht mehr erreichen. Wir haben übrigens ein für uns interessantes Experiment gemacht und nur diese Szene einigen Paares vorgespielt und sie um Kommentare gebeten. Alle Frauen konnten Odile verstehen, die sowieso die vernünftigen Argumente beim Käseeinkauf hat – die Kinder essen nur Schweizer Käse, niemand ißt den Morbier, den der Journalist Robert in den Einkaufswagen legte - während bei den Männern einige zwar meinten, Robert habe überreagiert, grundsätzlich aber ihm zum Einkauf im Supermarkt zustimmen: „Ist das der richtige Ort für einen Mann?“ Die gehören nämlich in den Baumarkt!
Mit den kleinen Reibereien im Alltag, die die großen Gefühle erst zermürben, dann sterben lassen, beschäftigen sich alle Geschichten, in denen wir 18 Personen kennenlernen und mit diesen durch ganz Frankreich unterwegs sind. Das hat uns gefallen, daß es nicht nur um Intellektuelle aus Paris geht. Aber beim Hören von so viel Stimmen, in so vielen Geschichten, da haben wir uns zwischendurch überhört und brauchten Pausen, es wurde uns beim Hören schlicht dann etwas zu viel. Sicher liegt das auch daran, daß man sich der französischen Namen beim Hören nicht so gut erinnert, wie wenn man im Buch einfach die Seiten zurückschlagen könnte, um die Person besser wiedererkennen zu können. Die Geschichten sind in ihrer Qualität auch unterschiedlich, niemals jedoch abwegig oder langweilig.
P.S. Mit unserem Titel wollten wir Christian Dietrich Grabbe und sein Theaterstück in Erinnerung bringen, der schon damals, das war 1827, diese Mischung von tiefem Ernst und possenhaftem Getue in ein Stück zwang, das erst 1876 als Privataufführung am Akademietheater in Wien aufgeführt wurde. Die offizielle Uraufführung erfolgte erst 1907 an der Bühne: „Intimes Theater für dramatische Experimente“, das uns die Schreibkunst der Yasmina Reza gut zu charakterisieren scheint, weshalb wir auch dies zum Titel machten.
INFO I:
Yasmina Reza, 1959 in Paris geboren und Kind eines Iraners und einer Ungarin, die jüdische Wurzeln haben, ist auch Schauspielerin, aber bekannt geworden durch ihre Stücke wie KUNST, DREI MAL LEBEN und vor allem DER GOTT DES GEMETZELS, den Roman Polanski verfilmte, mit dem zusammen sie das Drehbuch verfaßte. Wie wir gerade lesen, ist dies auch als Filmhörspiel bei Hörbuch Hamburg erschienen, was wir uns gleich besorgen werden.
Die Autorin hatte über ihre Begleitung des Wahlkampfes von Nicolas Sarkozy geschrieben, FRÜHMORGENS, ABENDS ODER NACHTS, was 2007 erschien. Ihre Stücke haben sie zur weltweit meistgespielten zeitgenössischen Dramatikerin gemacht.
INFO II:
Yasmina Reza, glücklich die Glücklichen, ungekürzte Lesung, 4 CDs, Laufzeit ca. 300 Min.
ISBN: 978-3-89903-893-4, Erscheinungstermin: 10.2.2014